AdD2-Kapitel 16
Idris, der sich bewusst mit Rhana im Arm, hinter Rachel gesetzt hatte, überließ dieser das Fliegen. Sein Fokus lag auf Rhana, die in seinen Armen ruhig atmete.
Obwohl er ihre Wunden geheilt hatte, reagierte sie kaum. Dabei waren diese nur oberflächlich gewesen. Idris hatte keinen schlimmeren Verletzungen bemerkt und auch ihre Magie selbst wirkte auf Idris nicht, als wäre sie so erschöpft, um den Zustand zu erklären.
Sanft strich er über ihr Gesicht, während ihn die ersten Schuldgefühle überkamen. Hatte er richtig gehandelt? War sein Befehl gut gewesen oder hätte es eine andere Möglichkeit gegeben? Hätte er es vielleicht auch ohne geschafft?
Unter seinen Fingern bemerkte er, wie sich die Haut bewegte. Nur wenig später kniff Rhana ihre Augen etwas zusammen, um sie schließlich aufzuschlagen.
Idris schenkte ihr ein wackeliges Lächeln, während sich Erleichterung in ihm breit machte. Er ertrug es schon nicht, wenn sie länger schlief. Immerhin hatte er mehrere Monate darauf gewartet, dass sie endlich erwachte. Dabei hatte sie ausgesehen wie tot. Ein Anblick, der sein Herz heftig schmerzen ließ.
Rhana sah sich orientierungslos um, bevor sie zu Idri auf sah. »Was ist passiert? Wurden wir angegriffen?«, fragte sie mit rauer Stimme, die sie selbst zu überraschen schien.
Idris lächelte leicht. Natürlich waren ihre seine zerrissenen Kleidungsstücke aufgefallen. Ihre Auffassungsgabe war schon vor der Wandlung sehr gut gewesen.
»Erinnerst du dich nicht?«, fragte er.
Rhana runzelte die Stirn, bevor sie den Kopf schüttelte.
Das erleichterte Idris, auch wenn er nicht verstand, warum. Er wollte ihr auch nicht davon erzählen, was wirklich passiert war. Sie musste nicht wissen, wie stark ihre Magie mittlerweile war. Das würde sie nur erneut ängstigen. Er war froh, dass sie mittlerweile wieder vor die Tür ging und sich so langsam an ihre Existenz gewöhnte.
Rachel wandte ihren Blick kurz zu Idris um, der jedoch nur den Kopf schüttelte. Er verstand, was sie ihm sagen wollte, doch Rhana hatte schon genug, dass sie belastete.
»Keine Sorge, jetzt sind wir außer Gefahr und niemand wurde verletzt«, versicherte Idris mit beruhigender Stimme.
Rhana lehnte sich an Idris und schloss die Augen. »Danke«, murmelte sie, was Idris irritierte.
»Warum bedankst du dich?«, fragte er. Hatte sie vielleicht gelogen und erinnerte sich doch?
»Weil ich mir ziemlich sicher bin, das du mich schon wieder gerettet hast«, murmelte sie mit so viel Vertrauen in der Stimme, dass Idris Herz schmerzte.
Hatte er sie wirklich gerettet oder hatte er eine Grenze überschritten.
Langsam zog sie Idris an sich, wobei es ihm Mühe kostete, seine Kraft zurückzuhalten. Er würde sie am liebsten so fest an sich drücken, wie es möglich war, doch damit würde er sie verletzen.
Rhana blickte kurz fragend auf, schmiegte sich dann aber wieder an ihn und schlief ein.
Rachel stieß ein Seufzen aus. »Denkst du nicht, du verhätschelst sie zu sehr?«, fragte sie, was Idris leise lachen ließ.
»Sagt gerade die Richtige«, neckte er mit einem Schmunzeln, das seine Augen jedoch nicht ganz erreichte. Trotzdem spürte er, wie ein wenig Sorge von ihm abließ. Was vermutlich daran lag, dass er sich in Rachels Gegenwart wohlfühlte.
Sie waren schon lange Freunde und Idris schätzte diese Freundschaft. Wäre Giori nicht, wäre er vielleicht mit Rachel zusammengekommen, doch jetzt wo Rhana da war, hatte er nicht mehr das Gefühl, Rachel mit diesen Gefühlen zu sehen.
Er schätzte ihre Gegenwart und freute sich darüber, dass sie wieder da war, doch seine Liebe gehörte Rhana und nur ihr.
Rachel lachte ebenfalls leise, bevor sie Kisa dazu brachte, schneller zu fliegen. Immer darauf bedacht, möglichst ruhig zu bleiben, damit Rhana nicht erneut wach wurde.
Idris spürte die Flügelschläge des Drachen. Sie waren kräftig und präzise. Kisa hatte viel gelernt, seitdem er sie aufgezogen und an Rachel übergeben hatte. Beide bildeten eine Einheit, die gut passte. Rachel selbst hatte ebenfalls viel gelernt, saß ruhig im Satten und gab gute Anweisungen.
Ob Rhana wohl eines Tages auch so gut fliegen konnte? Auf ihm schien sie kein Problem zu haben, doch mit Kisa hatte es nie so ganz gepasst. Rhana hatte sich auf ihr nicht so wohl gefühlt, auch wenn sie es nie gezeigt hatte.
Idris Gedanken kreisten so sehr um Rhana, dass er überrascht war, als er plötzlich ein Kribbeln im Bauch spürte, weil Kisa zum Landeanflug ansetzte.
Ihm gelang es, nicht vor Überraschung nach Luft zu schnappen, doch er musste seinen Sitz leicht korrigieren. Zum Glück gelang es ihm, ohne Rhana zu wecken.
Sanft landete Kisa am Boden und zuerst rutschte Rachel hinab. »Gib mir Rhana. Ich bringe sie ins Bett«, bot sie an und streckte bereits ihre Hände aus.
Idris Blick verweilte auf ihr, bis Rachel die Hände wieder runternahm. Er hatte wirklich Angst, dass sie Rhana fallenließ, weshalb er mit ihr zusammen von Kisasa Rücken rutschte. Er hätte auch springen können, doch dann wäre sie vielleicht wach geworden.
Erst jetzt reichte sie Rhana an Rachel weiter, die ihre Tochter ohne Probleme in den Armen hielt. Dabei waren sie fast die gleiche Größe.
Rachel war von Natur aus sehr klein und zierlich, doch noch immer einen Kopf größer als Rhana nun.
Als Fee war Rhanas Körper mittlerweile anders gebaut, als der eines normalen Menschen. Darum war sie auch leichter. Trotzdem hatte Rachel Mühe, denn die Flügel waren immer wieder im Weg und sie wollte diese nicht verletzen.
Idris beobachtete, wie Rachel langsam voranschritt und dabei immer wieder Rhanas Position korrigierte.
Er schmunzelte und fragte sich, wie lange diese brauchen würde, um aufzuwachen. Allerdings konnte er das Bild nicht lange genießen, denn die Bilder, die Rhana ihm übermittelt hatten, drangen wieder in sein Bewusstsein. Er musste mit seiner Mutter sprechen und Bericht erstatten.
Idris wandte sich noch einmal um und betrachtete die Berge. Die Drachen von Yuvan und Giori waren bereits zurück. Er beeilte sich also, um das Zimmer seiner Mutter aufzusuchen.
Wie erwartet, traf er dort auf Giori und Yuvan, aber auch auf Luenara und Aaron, die er lange nicht mehr gesehen hatte.
Allerdings sah Idris davon ab, sie überschwänglich zu begrüßen, denn die Gesichter der Anwesenden waren ernst und er sah Aaron und Luenara an, dass sie erschöpft waren. Ihre Gesichter waren blass und die Augen blutunterlaufen. Ein deutliches Zeichen, dass sie keine leichte Zeit gehabt hatten. Auch die dumpfen Farben ihrer Flügel deuteten darauf hin, dass etwas geschehen sein musste.
»Du kommst genau richtig«, grüßte Nae mit ernstem Gesicht. »Das Siegel in der Kristallhöhle wurde ebenfalls gebrochen.«
Idris erstarrte in der Bewegung.
Wie war das möglich? Das Siegel in der Wüste war doch ebenfalls erst vor kurzem gebrochen wurden. Es sollte noch gar nicht möglich sein, ein weiteres Fragment in sich aufzunehmen.
»Du siehst genauso überrascht aus, wie wir«, bemerkte Lir, der seinen Sohn musterte.
Idris schüttelte jedoch den Kopf, als ihm etwas klar wurde. »Nein. Eigentlich nicht. Das Siegel in der Wüste wurde von Lewin gebrochen. Nicht von Tyrelle«, erklärte er, was dazu führte, dass die Anwesenden, die Lewin kannten, erstarrten.
»Lewin?«, fragte Yuvan, der zuerst seine Stimme wiederfand, während Luenara und Aaron schwiegen.
Idris wusste, dass beide Lewin gar nicht kannten und auch nicht viel über die neuen Drachenreiter. »Sollte er nicht bei dem Umfall gestorben sein?«
Idris ballte die Faust und spürte, wie seine Wut ihn für einen kleinen Moment übermannte.
Seine Gefühle reichten aus, damit seine Magie freigesetzt wurde und im Zimmer um sich schlug.
Nae warf sofort einen schützenden Schild um Giori, Yuvan und die beiden Feen, bis sich Idris wieder fing.
Lir warf ihm einen tadelnden Blick zu, zeigte aber Überraschung, als er an Idris wütenden Blick erkannte, welche starken Gefühle er unterdrückte. »Es war kein Unfall. Lewin hat Rhana von den Klippen gestoßen und dann ihr Blut genutzt, um das Siegel in der Wüste von Savrana zu brechen«, brachte er irgendwie durch zusammengebissene Zähne hervor.
Yuvan wurde bei Idris Äußerung ganz blass, während Lirs Gesichtszüge erstarrten.
»Ist das der Grund, warum Rhana sich nicht mehr an ihn erinnern kann?«, fragte Nae, wobei ihre Stimme überraschend sanft und leise klang. Fast so, als würde sie Idris damit beruhigen wollen.
Dieser spürte zwar, wie er seine Wut langsam wieder unter Kontrolle bekam, wusste aber auch, dass jede falsche Frage sie wieder hervorrufen könnte.
»Ich nehme es an. Sie hat in der Wüste etwas entdeckt, dass ihre Magie dazu gebracht hat, völlig durchzudrehen. Dabei hat sie sich unbewusst daran erinnert, wie Lewin sie von der Klippe gestoßen hat«, erklärte Idris mit einem tiefen Knurren, während in seinen Gedanken auch die Worte, wie Idris zu ihr gesagt hatte, widerhallten. Nicht nur sein grinsenden Gesicht, auch die Schadenfreude in seiner Stimme ließen ihn fast wieder die Beherrschung verlieren. Er würde dieses Monster töten!
»Woher weißt du, was sie gedacht hat?«, fragte Yuvan. Er hielt sich recht gut, doch seine Stimme zitterte. Stellte er die Frage, um das Thema zu wechseln oder umzulenken? Das war wirklich mutig. Kein Wunder, er gehörte immerhin zur Familie.
Idris blickte jedoch nicht zu ihm, sondern sammelte seine Ruhe langsam wieder, sodass Nae das Schutzschild wieder auflösen konnte.
»Wenn ein Gott ein magisches Wesen schafft, sind sie auf die ein oder andere Weise miteinander verbunden«, erklärte Lir mit ruhiger Stimme und blickte dabei Yuvan an.
Dieser runzelte die Stirn, als würde er nicht sofort verstehen, was damit gemeint war und Idris wollte es nicht weiter ausführen.
Zum Glück setzte Nae ein und half ihm dabei. »Wenn Lewin am zweiten Siegel war, muss es wirklich Tyrelle gewesen sein«, bemerkte sie, was Lir frustriert die Fäuste ballen ließ.
»Er hat schon wieder die Fürsten der Nordlande manipuliert, um ihn zu helfen«, brachte er hervor.
Idris verstand ihn gut, denn es war nicht das erste Mal, dass Tyrelle über die Fürsten versucht hatte, an sein Ziel zu geraten.
»Lewin ist ein Südländer. Niemand ist vor Verrat sicher«, erwiderte Nae, als würde sie Lir beruhigen wollen. »Wir müssen seinen Komplizen befragen. Gut, dass du ihn gefangen hast, Yuvan.«
Idris drehte sich um. Für eine Befragung hatte er keine Geduld. Seine Wut war ein lebendiges Ding, das unbedingt raus gelassen werden wollte.
So konnte er nicht zu Rhana, denn dann würde er sie erschrecken. Er musste also erst einmal wieder zur Ruhe kommen, weshalb er den Raum verließ und sich noch auf den Weg zum Landeplatz in einen Drachen verwandelte, um in den Himmel zu schießen.
































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