AdD2-Kapitel 3

Rhana starrte weiter nach unten und spürte ihr Herz dabei immer heftiger schlagen.
Sie wurde ignoriert.
Idris und Yuvan machten weiter, als wäre sie nicht dabei.
War das gut oder schlecht? Machte Idris das vielleicht, um sie nicht zu beunruhigen? Wollte er ihr so helfen?
Rhana griff sich an die Brust und spürte einen leichten Schmerz. Sie wollte nicht, dass Idris sie ignorierte. Gleichzeitig spürte sie aber auch, dass die Angst langsam nachließ, obwohl sie noch immer so stand, dass man sie sehen konnte, wenn man nach oben blickte.
Rhana hätte nicht erwartet, dass es ihr wirklich half, wenn man sie ignorierte, aber es funktionierte.
Sie konnte ihr Zittern unter Kontrolle bringen und nach etwa einer Stunde lehnte sie mit den Armen entspannt auf dem Geländer und beobachtete, wie beide ihre Stunde beendeten.
Am liebsten hätte sie noch weiter zugesehen, doch vermutlich würde Idris gleich mit Lotta üben. Ob diese ebenfalls eingeweiht war? Rhana wusste es nicht und wollte sich schon zurückziehen, als sie im Augenwinkel etwas wahrnahm.
Überrascht sah sie zur Seite, wo sich etwas in der Luft näherte.
Zuerst erkannte sie rote Haare, die in der Luft flatterten, bevor sie Soraya erkennen konnte.
Auf ihren Rücken prangten zwei große, fledermausartige Flügel, die Rhana sofort faszinierten. Sie hatte gewusst, dass Soraya ein Vampir war, doch bisher hatte sie es noch nie gesehen. Sie hatte immer so menschliche gewirkt.
Jetzt aber sauste sie wie ein Blitz durch die Luft. Schneller als sie die Drachen je hatte fliegen sehen.
Sie war so schnell, dass sich Rhana bereits Sorgen um ihre Landung machte. Allerdings glaubte sie, dass Soraya wusste, was sie tat.
Diese schoss auf den Übungsplatz zu und kurz vorher änderte sie ihre Flügelstellung. Allerdings reichte das nicht. Sie kam trotzdem so schnell an, dass sie sich nicht auf den Beinen halten konnte. Sie stolperte vorwärts, bevor sie zu Boden geworfen wurde.
Alles ging so schnell, dass nicht einmal Idris reagieren konnte.
Er bewegte sich zwar, war aber nicht schnell genug, um sie aufzufangen. Stattdessen konnte er ihr nur aufhelfen.
»Was machst du denn für Sachen?«, fragte er ganz überrascht, als sich Soraya schwer atmend auf die Beine setzte. Ihre Flügel zuckten, als würde sie zittern.
»Deine Eltern«, brachte sie hervor, wobei ein Teil des Satzes in ihren schweren Atemzügen unterging.
Selbst Rhana begriff, dass es etwas Wichtiges sein musste.
»Sie sind auf den Weg«, bemerkte Idris, wobei sich Rhana fragte, wann diese benachrichtigt worden waren. Hatten sie Soraya vielleicht schon bemerkt?
Unter einen der Torbögen, die in die privaten Bereiche der Akademie führten, kam Nae hervorgerannt. Ihr blaues Haar schimmerte kurz im Licht und für einen Moment hatte Rhana das Gefühl, es war mit Magie durchzogen.
Sie blinzelte und versuchte zu begreifen, was sie sah. Es war das erste Mal nach ihrer Wandlung, dass sie Nae sah und auf einmal wirkte sie ganz anders. Als wäre da ein Schimmer … nein ein Licht, das förmlich strahlte. Es umgab sie wie eine Aura aus Macht.
Ihre Haut hatte einen blauen Glanz und ihr Haar flackerte vor Magie, wie es bei keinem Mensch der Fall sein konnte.
Rhana zog die Luft ein und hielt sie an. Wie konnte das sein?
»Bist du verletzt?«, fragte Nae, die sich sofort zu Soraya hockte und ihre Hände hob. Die Schrammen auf Sorayas Körper heilten in sekundenschnelle und ihr Atem wurde auch ruhiger.
Naes Heilmagie war wirklich ein Phänomen, das Rhana vermutlich nie verstehen würde.
»Die Seher«, setzte Soraya an und schüttelte dann kurz den Kopf, als würde sie sich sammeln müssen. »Sie haben ein schlechtes Omen erhalten. Feuer in der Wüste. Brechende Ketten und ein Bulle.«
Rhana spürte, wie sich sofort die Atmosphäre änderte.
Während Yuvan eher verwirrt war, spannten sich Idris und seine Mutter an. Die Magie um Nae begann zu flackern.
»Was ist passiert?«, fragte Lir, der seiner Frau ein wenig langsamer gefolgt war und nun elegant und unaufgeregt den Platz betrat.
Für Rhana fühlte er sich wie ein Ruhepol innerhalb eines aufkommenden Sturms an.
Nae erhob sich und wandte sich zu Lir um. Ihr Blick war ernst und ihre Haut hatte eine ungesunde Blässe angenommen. »Eines der Siegel ist gebrochen«, brachte sie mit leiser Stimme hervor. »Vermutlich das in der Wüste von Savrana.«
Als Rhana den Namen ihrer Heimat hörte, zog sie überrascht die Luft ein. Wie hatte Nae aus den wirren Worten Sorayas so etwas schließen können?
»Du meinst das Siegel, um das sich Giori und Rachel gekümmert haben?«, fragte Lir.
Die Erwähnung ihrer Eltern ließ Rhana aufhorchen und sie beugte sich weiter über die Mauer. Was war mit ihren Eltern? Was hatten sie mit einem Siegel zu tun?
Naes Augen wanderten zu ihr nach oben und für einen Moment trafen sich ihre Blicke.
Rhana spürte ihr Herz immer schneller schlagen, weil sie das Gefühl hatte, sie hätte nicht hören sollen, was sie gehört hatte.
Lir folgte Naes Blick, musterte sie kurz und runzelte dann die Stirn.
»Was ist?«, fragte Idris angespannt, der den Blick seiner Mutter folgte. Allerdings ging er an Rhana vorbei, als würde er sie nicht sehen. »Um Rhana müsst ihr euch keine Sorgen machen. Sie versteckt sich immer noch«, bemerkte er mit einer Spur Ärger und Enttäuschung.
Lir runzelte erneut die Stirn und blickte dann von Rhana zu Idris und wieder zurück. »Darüber werden wir sprechen müssen«, bemerkte er und blickte dann zu seinem Sohn. »Du solltest Rhana holen. Es ist wichtig, dass sie hört, um was es geht«, sagte er, was Rhana ein wenig erleichterte. Man würde sie nicht ausschließen, auch wenn Idris Reaktionen eine gewisse Unruhe in ihr zurückholten.
Idris ballte die Fäuste. »Sie will ihr Zimmer nicht verlassen«, bemerkte er durch zusammengebissene Zähne. »Und ich werde sie sicher nicht zwingen.« Mit diesen Worten stürmte er an seinem Vater vorbei und verschwand in der Akademie.
Rhana verstand nicht, was hier vor sich ging und wie sie Lirs fragenden Blick zu Nae entnehmen konnte, wusste auch dieser nicht, was los war.
Ohne groß darüber nachzudenken, wandte sich Rhana vom Geländer des Balkons ab, rannte in ihr Zimmer und zur Tür hinaus. Sie musste unbedingt mit Nae und Lir sprechen.
Wenn sie ihre Eltern wirklich kannten und diese vielleicht sogar Drachenreiter waren, wussten sie vielleicht, was damals passiert war.
Die Angst war vergessen, als sie hinaus in den Flur stürtzte und losrannte, obwohl sie nicht einmal wusste, wo genau sie eigentlich hin musste.
























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