DAdD-Kapitel 31

Aufgeregt huschte Rhana durch die Tunnel der Akademie. Kaza hielt sie dabei fest in den Armen, damit sie nicht wegrennen konnte. Ihr Schock schien vorbei, denn sie wollte schon wieder losstürmen und die Umgebung erkunden. Was Rhana auf eine gewisse Art und Weise beruhigte, aber auch besorgte. Da sie noch keine Leine hatte, konnte es schwierig werden, auf die Drachin aufzupassen. Rhana wollte nicht, dass Kaza wieder ins Wasser fiel oder ihr ähnliches passierte.
An einer Kreuzung zwischen den Tunneln blieb Rhana stehen. Sie versuchte ihren Atem zu beruhigen und zu lauschen. Irgendwie hatte sie Angst, dass sie Lewin über den Weg lief. Er war gestern einfach gegangen und heute Morgen beim Frühstück hatte er sie keines Blickes gewürdigt. Was an sich gut war, doch Rhana schätzte, dass er nur keinen Aufstand machen wollte, solange Idris oder Lir anwesend waren, denn auch der Lehrer hatte heute Morgen mitgegessen.
Da sie nichts hören konnte, setzte sie ihren Weg fort und trat wenig später hinaus auf dem Landeplatz, wo sie das letzte Mal Freya geputzt hatte. Dieses Mal war die Drachin jedoch nicht da. Dafür stand dort ein anderer Drache, der irgendwie Kaza ähnelte, nur viel größer war.
Die Schuppen hatten etwas Sandartiges und immer wieder huschte ein blauer Schimmer unter den Schuppen entlang, während die tiefen Augen direkt auf Rhana blickten.
In der Nähe dieses Drachens, der einen sehr edlen Eindruck machte und dessen Anwesenheit Rhana einen Schauer über den Rücken jagte, stand Idris, der mit Nae redete.
Sofort glitt Rhanas Blick auf seine Hände. Die Bandagen waren weg, doch dafür erkannte sie nun Lederhandschuhe.
Rhana blieb stehen, um die beiden zu beobachten.
Nae sprach auf Idris ein, doch Rhana konnte nicht hören, was gesagt wurde. Dazu waren sie zu weit weg und der Wind, der ihr um die Ohren pfiff, zu stark.
Idris nickte und wirkte auf Rhana irgendwie unterwürfig. Was vermutlich daran lag, dass Nae die Direktorin war. Diese sah schließlich auf und schenkte Rhana ein Lächeln, bevor sie diese zu sich winkte.
Schnell kam Rhana der Aufforderung nach, denn sie wollte die Direktorin nicht warten lassen.
»Guten Morgen, Rhana«, sagte Nae mit einem Lächeln, das auf Rhana müde wirkte. »Hast du gut geschlafen und dich erholt?«
Rhana nickte leicht, denn sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte. »Habe ich. Danke der Nachfrage«, sagte sie schließlich, um nicht unhöflich zu sein.
Nae lächelte, bevor sie zu Idris sah. »Heute wird Idris dir das Fliegen auf einem Drachen beibringen«, erklärte sie, was Rhana schon wusste. »Ich stelle dir Kisa zur Verfügung. Sie ist gut geübt und für Anfänger geeignet«, versicherte sie, was Rhana nicht unbedingt überraschte. Allerdings kam ihr der Name der Drachin bekannt vor. War sie nicht sogar der Drache von Nae?
Rhana spürte ihr Herz aufgeregt klopfen, als ihr klar wurde, dass die Direktorin ihren Drachen mit ihr teilte. Was für eine Ehre das war, konnte sie kaum begreifen.
Was sollte sie tun? Sich dafür bedanken? Irgendwas sagen?
Rhana spürte die Überforderung mit der Situation, die jedoch zum Glück von Idris unterbrochen wurde.
»Lass uns am besten gleich anfangen«, sagte er und deutete Rhana, ihm zu der Drachin zu folgen.
Diese blickte noch einmal kurz zu Nae, lächelte vorsichtig und bedankte sich, bevor sie Idris folgte. Sie verstand nicht genau warum, doch seine Gegenwart half ihr immer. Es fühlte sich gut an, in seiner Nähe zu sein.
»Wie Nae schon sagte: Das hier ist Kira. Vermutlich ist sie sogar die leibliche Mutter von Kaza«, erklärte er, als die Drachin ihren Kopf neigte, um an Kaza zu schnuppern.
»Kazas Mutter?«, fragte Rhana überrascht. »Woher weißt du das?«, wollte sie wissen, denn es kam ihr komisch vor, dass Idris das genau sagen konnte. Ähnlichkeiten hatten sie schon irgendwie, doch wenn Kisa ein Sanddrache war wie Kaza war das sicherlich nicht verwunderlich.
Idris zuckte die Schultern. »Nicht so wichtig. Jedenfalls ist Kisa sehr gut mit Anfängern vertraut.«
Rhana kniff die Augen zusammen. Er wich schon wieder aus. Als hätte er etwas gesagt, was er gar nicht sagen wollte und nun wusste er nicht, wie er es erklären sollte. Oder er wusste, dass er eigentlich nicht mehr sagen durfte.
Rhana konnte nicht sagen, was es war, doch das sorgte bei ihr für Neugier.
Sie blickte die Drachin hinauf. Kira war größer als Freya und Rhana fühlte sich von ihrer Aura etwas erdrückt, aber auch fasziniert.
»Ach, hier«, meinte Idris plötzlich und reichte ihr mehrere Lederbänder.
Rhana runzelte die Stirn, als sie es entgegennahm. Erst dann bemerkte sie, dass die Bänder zusammenhingen und vernäht waren.
Als sie es langsam auseinander faltete, erkannte sie den Zweck. Es war die Leine für Kaza.
»Danke, aber du hättest dich nicht so beeilen müssen«, sagte sie, denn sie hatte das Gefühl ihn auszunutzen.
Idris winkte ab. »Komm, lass uns probieren, ob es Kaza passt«, schlug er vor und nahm Kaza aus Rhanas Armen, um sie am Boden abzusetzen.
Dann erklärte er Rhana, wie sie das Geschirr umlegen musste. Es war nicht so einfach, würde aber dafür sorgen, dass Kaza sich gut bewegen konnte, gleichzeitig aber durch eine Leine mit Rhana verbunden war. So hatte sie einen Radius, den Rhana bestimmen konnte. Auch gab es die Möglichkeit sich Kaza auf den Rücken zu schnallen, was sehr praktisch war.
Idris half ihr, damit sie Kaza auf ihren Rücken schnallen konnte, denn das war fürs Fliegen sehr praktisch. Auch schien Kaza es zu genießen. Sie konnte ihre Flügel ausstrecken und herumschauen. Fast wie ein Kind, das in einem Tuch auf den Rücken seiner Mutter gebunden war.
Diese Vorstellung gefiel Rhana sehr gut und hinterließ ein angenehmes Gefühl in ihrer Brust. Kinder. Eine Sache die sie in Zukunft unbedingt haben wollte. Das wusste sie schon jetzt, doch noch war sie viel zu jung und mit Lewin … das stand in den Sternen.
»Sieht gut aus«, bemerkte Idris, der sie nun musterte. »Sitzt es gut, oder tut es weh?«, fragte er und zupfte vorsichtig an den Lederbändern, die Rhana über die Schultern und am Bauch entlanggingen.
»Fühlt sich gut an«, sagte sie, denn es kratzte nicht oder rieb. Auch hatte sie kaum das Gefühl Kazas Gewicht zu spüren.
Rhana bewegte sich ein bisschen, um zu testen, ob sie das Geschirr behinderte, doch sie spürte es kaum. Idris war wirklich sehr bewandert darin, solche Dinge herzustellen.
»Wie kommt es eigentlich, dass du derart gut darin bist, solche Lederarbeiten zu machen?«, fragte Rhana, die über das weiche Leder fuhr. Sie hatte nicht ganz mitbekommen, wie teuer es war, doch billig war es definitiv nicht gewesen.
»Jeder braucht eine Freizeitbeschäftigung«, bemerkte er schulterzuckend. Er klang erneut so, als wäre nichts dabei. Rhana hatte irgendwie das Gefühl, dass er Dinge, die ihn betrafen, gern herabspielte. Ob er sich nicht als wichtig genug erachtete?
»Es ist jedenfalls sehr gute Handarbeit. Du hast wirklich Talent dafür. Wärst du kein Drachenreiter, wärst du vermutlich ein guter Lederer«, sagte sie und fuhr mit den Fingern über die Lederbänder.
»Eher Schneider. Stoffe liegen mir mehr«, bemerkte er schmunzelnd.
Rhana blickte überrascht zu ihm auf. »Schneider? Ist das der Grund, warum du in Kavalare auch Stoffe mitgenommen hast?«, wollte sie wissen, denn das war ihr nicht entgangen.
Verwirrt war sie nur darüber, dass er sie aufgefordert hatte, sich Kleidung für die Berge auszusuchen. Es waren nicht viele, doch zu einer neuen Hose und einen Oberteil, das sie warmhielt, hatte sie sich überreden lassen.
»Unter anderem, ja«, erwiderte er und wirkte dann plötzlich nachdenklich. »Aber wenn es stimmt, was ich erfahren habe … werden wir vermutlich mehr Stoff brauchen«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Rhana.
Schon wieder dieses Gemurmel zu sich selbst, was sie neugierig machte. Was meinte er nur damit und sollte sie nachfragen?
Würde sie eine Antwort erhalten, wenn sie es tat? Vermutlich nicht. Rhana würde darauf warten müssen, dass sich Idris erneut versprach und ihr mehr offenbarte, als er wollte. Solange würde sie sich ihre eigene Meinung über seine Murmelleien bilden.
»Jedenfalls«, sagte er schließlich blickte sie musternd an, bevor er nickte. »Dieses Mal bist du warm genug angezogen«, entschied er. Dabei klang er zufrieden.
»Jetzt weiß ich auch, auf was ich mich einlasse«, erwiderte Rhana, die nicht so genau wusste, was sie in so einer Situation sagen sollte. Idris sprach generell immer recht seltsame, wenn auch interessante, Themen an.
»Dann lass uns mit dem Unterricht loslegen«, entschied er schließlich und wandte sich zu Kisa um. »Wärst du so lieb, dich etwas hinzulegen, damit Rhana besser aufsteigen kann?«, fragte er, woraufhin die Drachin Rhana eingängig musterte. Fast so, als würde sie entscheiden, ob Rhana es wert war.
Schließlich legte sie den Kopf nach unten, beobachtete Rhana dabei aber sehr genau.
»Danke«, lächelte Rhana, die nicht gewusst hätte, wie sie sonst auf den Drachen gekommen wäre. Allerdings bemerkte sie auch, dass Kisa einen Sattel trug, der ihr nicht gleich aufgefallen war, weil er dieselbe Sandfarbe hatte, wie ihre Schuppen.
Rhanas Augen wanderten über die Drachin, während sie versuchte, herauszufinden, wie sie am besten aufsteigen konnte, ohne ihr weh zu tun.
Vorsichtig griff sie so hoch sie konnte und schaffte es, einen Teil vom Sattel zu greifen, an dem sie sich hochziehen konnte.
Als sie sich in den Sattel schwang, bemerkte sie, wie weich das Leder war. Es passte sich perfekt an und sie saß super gemütlich, was sie nicht erwartet hatte. Ihre Füße passten auch perfekt in die Schlaufen, die am Sattel befestigt waren.
Idris war damals ohne Sattel geflogen. Sollte sie nicht also lieber auch ohne üben? War ein Sattel nicht zu einfach?
»Das machst du gut«, bemerkte Idris, der sie von unten beobachtete.
Rhana spürte, dass sein Lob ihr Röte in die Wangen trieb. Es fühlte sich gut an, von ihm gelobt zu werden, doch sie wusste nicht warum. Eigentlich hatte sie sich die Mühe nicht gemacht, dass er ihr so etwas sagte, sondern lediglich, weil sie Kisa nicht weh tun wollte.
»Danke«, stammelte sie, während sie sich zurechtsetzte. Dabei entdeckte sie sogar Zügel, die Kisa um den Kopf gingen. Wie bei einem Kamel.
»Weißt du, wie man die Zügel hält?«, fragte Idris, der an Kisa herantrat und langsam zu Rhana nach oben kletterte. Dabei legte er eine Kraft an den Tag, die Rhana nur bewundern konnte.
Ihr war es nur gelungen den Sattel zu erreichen, indem sie ihre Füße gegen Kisas Schuppen gedrückt hatte. Idris hingegen zog sich einfach mit den Armen zu ihr hoch, ohne Kisa großartig zu berühren.
»Ich weiß nicht. Nur von Kamelen«, erklärte Rhana, die nach hinten zu Idris gedreht war. Dieser ließ sich hinter dem Sattel auf Kisa sinken, bevor er an ihr vorbeigriff.
Rhana spürte seine Wärme, die ihr durch den letzten Flug bekannt war. Dieses Mal saß er aber weiter entfernt, sodass sie seine Brust nicht spüren konnte.
Jetzt, als er sich vorbeugte, streifte sein Atem ihre Haut. Sofort drehte sich Rhana nach vorn, denn Idris nahm ihr die Zügel aus der Hand, um ihr zu zeigen, wie sie diese zu halten hatte.
Allerdings konnte sich Rhana kaum darauf konzentrieren, was er ihr zeigte, denn sein warmer Atem an ihrer Haut und seine Berührungen, auch wenn es nur durch Lederhandschuhe war, brachte ihr Herz zum schneller Schlagen. Wieso auf einmal? Das letzte Mal war es doch auch nicht so.
Rhana wusste überhaupt nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte.
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