DAdD-Kapitel 40

Als Rhana mit Idris nach draußen ging, spürte sie Nervosität in sich aufsteigen. Vor allem, als sie auf Freya kletterten und eine Klippe hinabglitten.
Idris war auf die dumme Idee gekommen, dass Rhana ihr Artefakt mit Magie auffüllen sollte und dann nutzen. Dazu brauchten sie aber mehr als einfach nur Felsen. Sie brauchten Pflanzen und davon wohl nicht wenig.
Rhana hatte eigentlich erwartet, dass Idris sie weit vom Gebirge weg brachte. Zu irgendeinem Wald. Doch das war nicht der Fall. Stattdessen landete er sogar recht nah. Bei einem See, der Rhana bekannt vorkam. War das nicht dieser magische See?
»Mit dem Wasser solltest du dein Artefakt aufladen können«, bemerkte Idris, der sich von Freya gleiten ließ.
Rhana folgte ihm zögerlich.
Obwohl sie noch gar nicht so oft geflogen war, hatte sie mittlerweile das Gefühl, sich daran gewöhnt zu haben. Es war auch nur ein kurzer Flug gewesen, weshalb ihre Beine nur leicht schmerzten, als sie am Boden ankam. Sie brauchte keine zwei Schritte, da war der Schmerz auch schon wieder weg.
»Sicher, das ich das tun sollte?«, fragte Rhana, die diesen Ort hier wunderschön fand. Was, wenn sie mit ihrem Artefakt etwas kaputt machte?
»Es ist der perfekte Ort dafür«, versicherte Idris, der ihr die Hand reichte, damit sie leichter an den See herankommen konnte. Die Stelle, die er ausgesucht hatte, hatte einen recht steilen, steinigen Abhang, der sie vom See trennte. Sie musste also ein bisschen klettern, um an ihr Ziel zu gelangen.
Vorsichtig ließ sich Rhana nach unten helfen und trat dann an das Wasser heran. Noch immer fühlte sie sich unwohl damit, doch sie hockte sich langsam an das Wasser. »Wird es mir schaden, wenn ich es berühre?«, fragte sie, unsicher, ob sie als Mensch dieses überhaupt anfassen sollte.
Idris lachte leise. »Warum sollte es dir schaden?«, wollte er wissen. »Wir könnten theoretisch darin baden«, bemerkte er, als würde er ernsthaft darüber nachdenken, das jetzt zu tun. So, wie er das Wasser anstarrte, glaubte Rhana fast, dass er gleich hineinsprang. Ihr war dazu allerdings viel zu kalt.
Seitdem sie hier war, hatte sie das Gefühl sich nur in der Nacht vor dem Kamin aufzuwärmen und am Tag diese Wärme wieder zu verlieren.
Rhana musterte das Wasser skeptisch. »Dazu ist es doch viel zu kalt«, bemerkte sie, ging aber dem Drang nach, ihren Finger hineinzustecken.
Kälte empfing ihre Haut, die sie schaudern ließ. Sie hatte recht: Es war zu kalt. Gleichzeitig fühlte es sich auch irgendwie gut an.
»Das sagst du. Dabei ist es aktuell recht warm«, erwiderte Idris, der sich ein Stück von Rhana wegdrehte. Diese bemerkte trotzdem, wie er seinen Handschuh auszog, um seine Hand ins Wasser zu halten.
Dabei sah sie, dass diese irgendwie seltsam aussah. Dunkler, als sie seine Haut in Erinnerung hatte. Jedoch war er so gedreht, dass es Rhana deutlich zeigte, dass er nicht wollte, dass sie es sah. Darum sagte sie dazu nichts. Wenn Idris verletzt war oder Probleme hatte, würde er sich schon darum kümmern.
»Gut, dann lade ich mal mein Artefakt auf«, meinte sie und zog die Nadel aus ihren Haaren.
Idris zog seine Hand zurück und zog sich den Handschuh wieder an. Dass seine Hand noch nass war und er trotzdem den Lederhandschuh anzog, zeigte Rhana, dass wirklich etwas sein musste. Sie versuchte jedoch, sich auf anderes zu konzentrieren.
Vorsichtig schob sie die Haarnadel ins Wasser und sah überrascht zu, wie das Blau der Blüten langsam intensiver wurde. »Es funktioniert«, hauchte sie begeistert, denn noch konnte sie keine Nebenwirkungen erkennen. Das Wasser blieb sauber und klar.
»Das sieht gut aus«, bemerkte Idris zufrieden und blickte mit Rhana zusammen auf das Wasser.
Es verging einige Zeit, in der Rhana beobachtete, wie die Blätter der Blume nach und nach blau wurden.
»Das sollte reichen«, meinte Idris schließlich und Rhana zog die Haarspange zurück, um sie zu betrachten. Sie sah wunderschön aus.
»Und was jetzt?«, fragte Rhana, die noch immer nicht verstand, was ihr Artefakt konnte, außer Magie aufnehmen.
»Jetzt, wo die Haarnadel voller Magie ist, halte sie vor dich, als würdest du damit etwas abwehren wollen«, wies Idris sie an, der Rhana dabei genau beobachtete.
Diese wusste nicht ganz, was er meinte, streckte aber ihren Arm aus. Die Nadel hielt sie in der Hand.
Da nichts geschah, fühlte sie sich ein wenig dumm, weshalb sie hilfesuchend zu Idris schielte.
Sofort erhielt sie die nächste Anweisung: »Und jetzt stell dir vor, wie dich ein Schild aus Magie umhüllt und schützt.«
Ein Schild aus Magie? Wie sollte sie sich das vorstellen?
Rhana hatte keine Ahnung, was Idris von ihr erwartete, weshalb sie die Augen schloss. Dann stellte sie sich vor, wie der blaue Schimmer der Blume sie einnahm.
»Genau, das ist es«, rief Idris begeistert.
Als Rhana ihre Augen aufschlug stellte sie überrascht fest, dass sie tatsächlich von einem ganz dünnen, blauen Schimmer umgeben war. Allerdings sah es mehr aus wie eine wabbernde, dünne Wand, die sie auch nicht ganz umschloss. »Ist das so richtig?«, fragte Rhana, denn wie ein Schutzschild sah es nicht unbedingt aus.
»Du bist auf dem besten Weg«, strahlte er und schien noch immer total begeistert. Fast so, als hätte er selbst nicht erwartet, dass es funktionierte.
Rhana runzelte die Stirn. »Für mich sieht das nicht aus wie ein Schild«, gestand sie, denn die Wand löste sich auch schon wieder auf.
»Es ist eine kontrollierte Manifestation der Magie in der Haarnadel«, erklärte Idris gut gelaunt. »Solltest du in Schwierigkeiten sein, wird das Schild dich schützen, aber du bist auch in der Lage, es abhängig von dir selbst zu nutzen.«
Rhana musste zugeben, dass sie kein Wort verstand. Deshalb blickte sie Idris auch ein wenig überfordert an.
Dieser lächelte, hob einen Stein vom Boden auf und warf ihn auf sie.
Erschrocken quietschte Rhana auf, doch der Stein kam nicht weit. Er krachte gegen irgendwas, das Rhana nicht sehen konnte und zersplitterte.
Nach Luft schnappend starrte sie Idris an. »Du wolltest mich mit einem Stein abschießen«, bemerkte sie, während ihr Herz bis zu ihrem Hals schlug.
Hatte Lewin vielleicht doch recht und er wollte ihr schaden?
»Hast du gesehen? Das Schild reagiert, ohne, dass du es aktivieren musst«, bemerkte er, als wäre nichts dabei.
Rhana hingegen wurde zunehmend unsicherer. »Aber …«, setzte sie noch immer ein wenig geschockt an.
»Keine Sorge, ich hab nicht auf dich gezielt«, versicherte Idris, der nicht klang, als würde es ihm leid tun.
Rhana hingegen spürte einen unangenehmen Schauer über ihren Rücken wandern. Was, wenn ihr Artefakt nicht funktioniert hätte? Hätte der Stein sie dann getroffen?
»Versuchen wir etwas anderes«, meinte Idris, der auf eine nahe, kleine Blume deutete. »Versuch den Schild deines Artefakts um die Blume zu legen«, wies er an.
Rhana, die ihre Gefühle noch immer nicht ganz unter Kontrolle hatte, nickte. Langsam zog sie die Haarnadel und richtete sie auf die Pflanze.
Idris hatte gesagt, sie solle sich ein Schild vorstellen. Diese wabbernde, blaue Schicht, welche die Blume umgeben sollte.
Obwohl Rhana es versuchte, fiel es ihr überraschend schwer. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu Idris und den Steinwurf. Sie durfte sich nicht durch Lewins Worte so verunsichern lassen. Idris hatte schon genug Zeit gehabt, ihr etwas zu tun. Außerdem hatte er nichts davon.
Zudem schien die Haarnadel sie in ein Schild zu hüllen, sobald jemand ihr etwas tun wollte. Zumindest glaubte sie, dass diese so funktionierte.
»Das wird nichts«, murmelte Rhana, die nicht wirklich einen Unterschied spürte.
Idris nahm erneut einen kleinen Stein, den er kurz in der Hand hoch und runter warf, bevor er die Blume fixierte.
Erst, als der Stein auf die Blume zuraste und von etwas abgelenkt wurde, erkannte Rhana das sanfte Schimmern, das diese umgab.
Ihr Schild?
Hatte sie es geschafft?
Freude ergriff Rhana. Sie war in der Lage Schilde um andere Personen zu legen? Das war wunderbar.
»Mit ein bisschen Übung wirst du in der Lage sein, das Schild schnell von einer zur nächsten Person zu verlagern«, erklärte Idris, der erneut einen Stein griff. Dieses Mal zielte er jedoch auf eine andere Blume.
Rhana verstand sofort, was sie tun sollte, doch sie war nicht schnell genug. Der Stein traf ein Blütenblatt und erst, als er vorbei war, erschien ihr leichtes Schild.
Frustriert verzog sie die Lippen. Das konnte sie besser, da war sie sich sicher.
»Nochmal«, sagte sie, als sich Idris schon zu weiteren Steinen hinabbeugte. Rhana erkannte dabei, dass seine Hand seltsam zuckte, als er einen Stein aufhob, doch sie tat es ab.
Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, die Blumen zu schützen, die Idris mit den Steinen abschoss. Er war sehr gut darin, zu treffen. Zudem waren die Steine sehr schnell, sodass es Rhana nicht immer gelang. Trotzdem war es eine gute Übung.
Idris holte gerade aus, um erneut zu werfen, da hörte sie ihn leise zischen.
Als Rhana ihren Blick zu ihm wandte, bemerkte sie, dass seine Hand unkontrolliert zuckte und der Stein zu Boden fiel.
Sofort schnappte sie nach Luft und lief auf Idris zu. »Hast du dich verletzt? War das zu viel?«, fragte sie und wollte nach seiner Hand greifen, doch Idris zog sie zurück.
»Es ist nichts«, versicherte er mit angespannter Stimme.
Rhana glaubte ihm nicht. Sie hörte ganz deutlich die Schmerzen, die in seinen Worten mitschwang.
Vorsichtig legte sie ihm eine Hand auf den Rücken. »Wir sollten zurück gehen«, sagte sie sanft. »Lass Direktorin Nae das ansehen.«
Idris schüttelte leicht den Kopf. »Es wird gleich besser«, meinte er beruhigend.
»Nein«, sagte Rhana entschieden, denn mit solchen Sachen war nicht zu spaßen. »Wir gehen jetzt zurück«, entschied sie und schob Idris sogar Richtung Freya.
Ihr war klar, dass sie ihn kaum hätte bewegen können, wenn er nicht gewollt hätte. Da er aber mitmachte, kamen sie bei Freya an und beide stiegen auf.
Rhana kam nicht umhin, sich Sorgen um Idris zu machen. War er vielleicht schon länger krank?
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