DBdD-Kapitel 14

Zunae hatte keine große Mühe, die Küche zu finden. Obwohl die Gänge verwinkelt und recht einheitlich waren, konnte sie doch dem Duft folgen. Außerdem hatte Arcas ihr zumindest einmal kurz gezeigt, wo sie sich befand. Sie war sich jedoch sicher, dass sie die Küche nicht als solche erkannt hatte, denn sie fügte sich, mit der unscheinbaren Tür und der einfachen Umgebung, perfekt in die kahlen Gänge ein. Auf Dauer würde ihr das Probleme machen, da war sie sich sicher.
Zunae öffnete langsam die Tür, die ein wenig knirschte. Alles wirkte alt, aber gut gepflegt, weshalb Zunae etwas Sorgen hatte, wie die Qualität der Kücheneinrichtung war.
Als sie jedoch eintrat, legte sich diese Sorge wieder. Es war alles sauber und nichts war kaputt. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Was wohl den beiden jungen Männern zu verdanken war, die sich fleißig um die Sauberkeit kümmerten.
Es dauerte einen Moment, bis Zunae den Mann entdeckte, der vor einem großen Topf stand und mit einem großen Holz rührte. Seine Gestalt wirkte in der großen Küche verloren. So wie auch sie sich fühlte. Dabei war die Küche groß genug, dass eine ganze Horde an Angestellten hier arbeiten konnte. Wenn Zunae die Anzahl der einzelnen Arbeitsbereiche betrachtete, war das vermutlich auch einmal so gewesen. Brauchte die Burg nicht mehr so viele Angestellte? Versorgten sie hier auch den Harem oder hatte dieser sogar eine eigene Küche? Was für Zunae auf alle Fälle Sinn ergeben würde.
Alarmiert von dem Geräusch der Tür, drehte sich der Mann am Kochtopf um und musterte Zunae einen Moment. Dabei kniff er die Augen zusammen, weil er sie kaum erkannte. »Ah, guten Abend, meine Dame«, sagte er schließlich und fuhr sich durch seinen kurzen Bart. Seine blauen Augen waren warm und die Fältchen an seinen Mundwinkeln zeigten, dass er viel lächelte. Wie jetzt. Trotzdem lag in seinen Augen ein Schatten. Als hätte er viel durchgemacht und viele Nächte ohne Schlaf verbracht.
Kleinere Narben zogen sich über sein Gesicht und wurden zu seinen Händen hin immer größer. Es waren Spuren eines Mannes, der nicht immer nur gekocht hatte. »Womit kann ich behilflich sein?«, fragte er, als Zunae zögerlich eintrat. Er musterte sie eingehend und blieb an den Kleider händen, die sie trug. Sie waren so ungewöhnlich, dass er einen Moment brauchte, um sie einzuordnen.
Seine Augen waren nicht mehr die besten, doch als sie jetzt näherkam, erkannte er auch den dunklen Teint ihrer Haut, was ihn misstrauisch werden ließ.
Im Schloss gingen Gerüchte um, dass die südländische Frau Haut wie Karamell hatte und Kleider trug, wie es keine anständige Frau tun sollte.
Es schien, als wären sie wahr, was sofort seine Stimmung trübte. Sie war keine Haremsdame, wie er angenommen hatte!
»Ich wollte fragen …«, setzte Zunae an, kam jedoch nicht weit, denn der Koch schnitt ihr sofort das Wort ab.
»Eine Südländerin hat in meiner Küche nichts verloren«, schnauzte er sie an und deutete in einer deutlichen Geste auf die Tür, was dafür sorgte, dass Zunae stehenblieb.
Sie blickte ihn verwirrt an, denn sie verstand nicht, warum er plötzlich seine Meinung geändert hatte. Er war doch gerade noch so freundlich gewesen.
Kurz zögerte Zunae, weil sie überlegte, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Dann machte sie einen Schritt hinein. »König Yelir hat mir erlaubt, die Küche aufzusuchen«, sagte sie und versuchte, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
Die beiden Küchenjungen hielten inne. Der Kleinere, mit den kurzen, schwarzen Haaren, trat hastig zurück, als wolle er sich im Schatten der großen Töpfe verstecken. Der andere, größer in der Statur, blickte sie abwartend an. Wie ein Raubtier, das überlegte, ob sich ein Angriff lohnte. Was im starken Kontrast zu seinem eher zartem Gesicht stand.
»Die Küche ist mein Revier«, erwiderte der Mann mit der weißen Kochschürze und zog so Zunaes Aufmerksamkeit wieder auf sich. Seine Hände fuhren in einer Geste über die schmutzigen Schürze, die Zunae als ruppig und verärgert interpretierte. Kaum hatte er seine Hände gesäubert, griff er nach einem Messer, das er vermutlich gerade noch genutzt hatte, um damit Fleisch zu schneiden. Die Klinge zuckte in ihre Richtung. Nicht schnell, doch mit einer deutlichen Aufforderung. Eine einfache Geste, von der er wusste, dass sie nordländischen Frauen genug Angst einjagte, damit sie sofort zurücktraten. Zunae war jedoch nicht so.
Sie hob eine Augenbraue. »Ich bin Gast hier. Denkst du nicht, du solltest etwas höflicher sein?«, fragte sie mit ruhiger Stimme, während sie sich innerlich kampfbereit machte. Sie wollte es zwar vermeiden, doch sie würde sich auf keinen Fall so behandeln lassen. Vielleicht waren die Gerüchte über die Nordländer doch wahr und sie waren Barbaren, was Zunae nicht daran hintern würde, es trotzdem zuerst mit Reden zu versuchen. Wenn er wüsste, wer gerade draußen stand und jedes Wort hören konnte.
Der Koch schnaubte abwertend. »Du besitzt wohl eher den Status eines Gefangenen«, erwiderte er abschätzig, was den stämmigeren Küchenjungen sogar leise lachen ließ, während der andere sich langsam Richtung Tür bewegte, als würde er versuchen, zu fliehen.
Überrascht hob Zunae ihre Arme in einer beruhigenden Geste, die jedoch auch ihre Handgelenke präsentierte. »Also ich sehe keine Ketten. Wie kommst du darauf, dass ich eine Gefangene bin?«, fragte sie sanft. »Wäre ich dann überhaupt in der Lage hierherzukommen?«
Der Koch knurrte leise und deutete mit dem kleinen Messer auf sie. »Führ dich hier nicht so auf. Hier herrscht das Recht des Stärkeren«, bemerkte er. Dann bewegte er sich. In einer Schnelligkeit, die Zunae zeigte, wie erfahren er im Kampf war. Das Messer hielt er fest im Griff, als er damit auf ihre Kehle zielte.
Ein überraschter Ausdruck huschte über Zunaes Gesicht, doch da sie sowieso die ganze Zeit mit einem Angriff rechnete, fiel es ihr nicht schwer, einen Ausfallschritt zu machen, dem Messer auszuweichen und es ihm mit einer gezielten Bewegung ihrer Handkante aus der Hand zu schlagen.
Ihr Handgelenk ächzte, als ihre Handkante seines schlug, doch obwohl sie keine Magie genutzt hatte, erzielte der Schlag die richtige Wirkung. Seine Finger öffneten sich und das Messer fiel scheppernd zu Boden. Der Koch machte einige weitere Schritte, bevor er sich fangen konnte und perplex zu Zunae herumwirbelte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es ihr gelingen würde, ihn zu entwaffnen.
Mit ihrem Fuß trat sie das Messer hinaus in den Flur, wo es an Yelir vorbei und an die Wand schlitterte.
Der Mann knurrte, doch bevor er sich überhaupt überlegen konnte, was er tun sollte, rammte Zunae ihm das Knie in den Magen. Ein Reflex, denn sie wollte nicht, dass er sie erneut angriff.
Yelir zog scharf die Luft ein, als das Messer über den Boden schlitterte. Sein Herz schlug schneller, als es klirrend an der Wand aufpralte. Damit hatte er nicht gerechnet. . Er war zwar ein Vetteran aus der Schlacht, doch er hatte sich persönlich um diesen Posten bemüht und versichert, dass er der südländischen Königin nichts tun würde. Jetzt jedoch, als er in die Küche trat, und bemerkte, wie er sich keuchend von Zunae zurückzog, sah das anders aus. Yelir war beruhigt, als er sah, dass sie nicht verletzt war. Gut, dass er Ryan das Artefakt abgenommen hatte, das dieser normalerweise trug. Damit hätte er einen unfairen Vorteil gehabt. Außerdem war ein magisches Artefakt, das Gifte absondern konnte, in der Küche nicht gerade gut aufgehoben.
»Einen so dreisten Angriff in meiner Burg kann ich nicht dulden«, sagte er ernst. Ein Kampf war für ihn in Ordnung, solange beide Seiten darauf vorbereitet waren, doch so wie er die Situation interpretierte, war es ein heimtückischer Angriff. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, was gewesen wäre, hätte der Angriff Erfolg gehabt. Wäre Zunae in seinen Wänden auf diese Art gestorben, hätte er nicht verhindern können, dass Gerüchte in die Südlande drangen. Und er wollte gar nicht darüber nachdenken, was diese mit Misha taten.
Yelir sah, wie ihre Hand rot anlief und dann dunkler wurde. Ein blauer Fleck breitete sich aus, der ihre sonst so reine Haut beschmutzte. Sie hielt die Hand locker, als wolle sie den Schmerz ignorieren, doch die Spannung in ihren Schultern verriet sie. Es weckte in ihm den Drang, sie zu beschützen, als wäre sie eine der seinen.
Zunae ballte die schmerzende Hand zur Faust, um das Zittern zu verbergen. Sie spürte das dumpfe Pochen bis in ihren Ellenbogen. Ein einziger Schlag hatte gereicht und schon setzte ihr Körper ihr Grenzen.
»Eure Hoheit«, stieß Ryan überrascht hervor. Seine geweiteten Augen waren auf seinen König gerichtet, den er nicht hier erwartet hatte. »Sie ist nur ein Eindringling«, stellte Ryan sichtlich verärgert klar. Er hatte die Entscheidung seines Königs nie verstanden. Seiner Meinung nach waren sie kurz davor gewesen, gegen die Südlande zu gewinnen. Dann hätten sie Fuß hinter den Bergen setzen und sich dort ein neues, fruchtbares Territorium erobern können. Das alles wurde nun mit dieser Hochzeit zunichte gemacht. Etwas, was Ryan nicht dulden konnte. »Eine Gefahr.«
»Sie ist der Garant für Frieden«, erwiderte Yelir, der Ryan nicht aus den Augen ließ. Als Krieger war er eine größere Gefahr. Die beiden Jungen hatten erst mit dem Training zum Krieger begonnen, weshalb die Gefahr von ihnen eher gering war. Daher beging Yelir auch den Fehler, sie nicht weiter zu beachten.
»Frieden«, schnaubte Ryan abwertend. »Wer braucht das schon?«
Yelir hatte zwar damit gerechnet, dass es Krieger gab, die auf ihre alten Tage lieber auf dem Schlachtfeld sterben wollten, doch warum hatte er sich dann gemeldet?
Das langsame, selbstgefällige Lächeln, das sich auf Ryans Lippen legte, ließ Yelirs Nacken kribbeln. Es war kein Zeichen von Reue, sondern kalt Berechnung. Sofort drehte er sich zu Zunae, in der Annahme, jemand wollte sie angreifen, nur um zu registrieren, dass er das Ziel war.
Obwohl er den kleinen, unscheinbaren Silberaufsatz auf den Finger des Angreifers sah, der auf ihn zustürmte, als würde er ihn kratzen wollen, hatte Yelir doch nicht die Zeit, richtig zu reagieren. Das Artefakt, das die Form eines verlängerten, silbernen Fingernagels hatte, schimmerte im Licht der Ofenfeuer unheilvoll. Yelir kannte es. Ein Artefakt, das auf dem Schlachtfeld schon viele Leben gekostet, aber genauso viele gerettet hatte. Er war sich zwar nicht sicher, wie es funktionierte, doch Yelir wusste, dass es in der Lage war, auf magische Weise alle Arten von Pflanzensäften, ob heilend oder vergiftend, abzusondern.
Yelirs Gedanken rasten, während er seinen Körper nicht schnell genug bewegen konnte.
Sein Blick fiel auf den silbernen Aufsatz. Das war unmöglich. Wie kam der Junge an Ryans Artefakt? Wieso konnte er es nutzen? Ein schimmerndes Blitzen flackerte auf und blendete ihn. Yelir wurde klar, dass er nicht mehr ausweichen konnte.
Ein einfacher, kleiner Kratzer mit dem Artefakt würde ausreichen, um ihn zu vergiften.
Ein roter Schleier huschte durch sein Sichtfeld. Ein Aufprall. Der Junge flog durch die Luft, als wäre er federleicht. Ein überraschtes Keuchen verließ seine Lippen, als er hart zu Boden krachte und gegen die Wand stieß.
Um Zunaes Körper knisterte Magie, die ihn verstärkte, während sie den Jungen böse ansah. »Da unterhalten sich Erwachsene«, tadelte sie ihn, weil sie sich der Gefahr des Artefaktes gar nicht bewusst war. Auch nicht, dass der brennende Schmerz, den sie an ihrer Handfläche spürte, von eben jenem Kratzer ausging, den das Artefakt beim Gegenangriff dort hinterlassen hatte.
Erst, als sie spürte, wie ein Kribbeln von ihrer Hand ausging, wurde ihr klar, dass es nicht einfach nur ein Messerersatz war. Das Silber, das sie für eine Art scharfe Kralle gehalten hatte, war gefährlicher als angenommen. Verdammt, sie hätte es kommen sehen müssen!
Innerlich fluchend ballte sie ihre Hand zur Faust, während sie die Magie, die in ihr zirkulierte, in diese Region schickte. Sie vertraute darauf, dass diese sie schützen würde. Egal, was das Brennen dort auslöste.
Diesen Moment, in dem auch Yelir unaufmerksam war, nutzte Ryan. Mit einem neuen Messer in der Hand, stürzte er sich auf Yelir. »Einen König wie dich braucht niemand«, rief er aus, mit dem Ziel, ihm das Messer in den Hals zu rammen. Sein Blick wild, als wäre er gar kein Mensch mehr.
Mit einem Ausfallschritt wich er aus und packte sein Handgelenk. Ein Kribbeln ging durch die Luft und Ryans Körper erstarrte. Mit einem weiteren Angriff hatte er sein Leben verwirkt.
Yelirs grüne Augen glühten wütend. »Erst versuchst du meine zukünftige Braut zu verletzen, widerspricht deinem König und jetzt auch noch das«, knurrte er in Rage. »Das ist Hochverrat.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, spannte sich die Luft an. Unsichtbare Finger schlossen sich um Ryans Herz und drückten zu.
Blut floss aus seinem Mund und als Yelir seine Hand löste, krachte Ryan zu Boden, wo er reglos liegen blieb.
Wutentbrannt wandte sich Yelir an den Jungen, der sich gerade völlig verwirrt wieder aufrappelte und dabei Zunae mit großen, ungläubigen Augen ansah. Wie konnte es sein, dass er Ryans Artefakt trug und auch benutzen konnte?
»Degoni!«, rief Yelir hinaus in den Gang, während er die Tür blockierte und den Jungen nicht aus den Augen ließ. Der andere hatte das Richtige getan und war weggerannt, weshalb er sich nicht mehr um diesen kümmerte.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis Yelirs Bruder auch schon alarmiert angerannt kam und in die Küche stürmte. Er verstand die Situation sofort und blickte fragend zu Yelir, welcher auf den Jungen deutete. »Nimm ihn fest und verhör ihn. Ich will wissen, was genau hier vor sich geht«, befahl Yelir kalt. Ein Angriff seiner Leute mitten in der Burg konnte er nicht dulden. Einen solchen Verrat konnte er nicht dulden.
Degoni nickte und machte sich daran, den Jungen festzunehmen, während dieser sich versuchte zu wehren und die Schuld auf Ryan zu schieben. Allerdings ignorierte Degoni sein Verhalten und zog ihn mit sich hinaus in den Flur, um ihn einzusperren.
Zunae nahm die Worte nur gedämpft wahr. Das Kribbeln in ihrer Hand wurde zu einem Stechen, das ihren Arm hinauf floss. Es brannte sich immer tiefer, stieß gegen ihre pulsierende Magie, doch ließ sich nicht aufhalten.
So sehr, dass diese bereits aus ihrem Körper trat und Yelir alarmierte.
Als dieser zu ihr sah, schnappte er nach Luft, während Zunae gegen die Krämpfe in ihrer Hand ankämpfte. Er konnte das Knistern in der Luft, das ihre Magie verursachte, sehen. Noch nie hatte er gehört, dass das möglich war.
Als das Stechen schließlich Zunaes Brustkorb erreichte, öffnete sie die Augen und blickte hilfesuchend zu Yelir. Bevor sie jedoch einen Ton hervorbringen konnte, gaben ihre Beine nach und sie sackte zu Boden.
Sie hatte keine Vision gehabt. Warum? Weil sie nicht das Ziel war? Würde sie sterben, ohne dass ihre Gabe sie gewarnt hatte? Was war nur los mit ihr?
Hi, ich weiß, hier gibt es eigentlich noch nichts zu schreiben. Außer vielleicht: Wieso steht auf dem Cover nicht der Titel? 🙈