DBdD-Kapitel 19

Tage vergingen, in denen sich Zunae in Yelirs Zimmer ausruhte, die Dokumente studierte und sich Pläne zurechtlegte, wie sie ihr Geld investieren konnte. Das Problem war nur, dass sie nicht sonderlich weit kam, denn sie kannte die wirtschaftliche Lage der Umgebung nicht.
Obwohl sie, dank Yelir, einen Plan gemacht hatte, wie sie an neue Bedienstete kam, war alles andere nur Spekulation.
Yelir hatte ihr versprochen, dass er den Dienstbasar besuchen würde. Dort kamen ein paar Mal im Monat die Arbeitssuchenden der Umgebung zusammen und präsentierten ihr Können. Es wäre also leichter, nach Männern zu suchen, die Zunaes Kriterien entsprachen. Allerdings erst, wenn es ihr wieder besser ging. Was auch der Grund war, warum sich Zunae jeden Tag Zeit nahm, um durch das Zimmer zu laufen und leichte Übungen für ihren Kreislauf zu machen. Sie hoffte, dass sie Yelir vielleicht begleiten durfte, doch eigentlich rechnete sie nicht damit.
Nur dank ihrer Bemühungen erholte sie sich schneller, sodass sie bald schon das Gefühl hatte, wieder normal laufen zu können, ohne zusammenzubrechen.
Selbst Dainte bestätigte, dass es ihr besser ging. Er löste sogar den Verband an ihrer Hand. Dort sah man nichts, was auf das Mal hindeuten würde, weshalb Zunae auch nicht verstand, warum sich diese so seltsam anfühlte. Noch immer krampfte sie ab und an, was sie Dainte und Yelir jedoch verschwieg. Sie wollte nicht riskieren, als beschädigt zu gelten und zurückgeschickt zu werden.
Obwohl es ihr besser ging, bestand Yelir doch darauf, dass sie im Zimmer blieb. Was dafür sorgte, dass ihr langweilig wurde.
Yelir besuchte sie zwar jeden Abend, um mit ihr zu essen und auch der Kater kam regelmäßig, um ihr Gesellschaft zu leisten, doch nur dank Arcas, der ihr einige Bücher über die Geschichte der Nordlande brachte, hatte sie etwas, um sich zu beschäftigen.
Am zehnten Tag ihrer unfreiwilligen Bettruhe, wurde es Zunae zu viel.
Sie schlug die Decke zur Seite und erhob sich aus dem Bett, um zum Fenster zu gehen. Dieses schloss sie, damit der Kater nicht hineinkommen und sie stören konnte. Sogar die Vorhänge zog sie zu.
Zunae wollte nicht einfach nur herumsitzen und warten. Sie hatte andere Pläne.
Obwohl sie ursprünglich nicht geplant hatte, die Kraft ihres Artefaktes zu nutzen, bestand nun doch die Notwendigkeit dazu. Sie brauchte dringend ein weiteres paar Augen und Ohren, um die Umgebung kennenzulernen.
Als sie sich versichert hatte, dass auf den Gängen niemand war, begab sie sich zum Bett.
In einer sanften Geste legte sie die Hand um ihren Kettenanhänger, woraufhin eine der Blumen sich löste und langsam schwebend auf die Decke niederfiel.
Licht breitete sich aus und wurde größer, bis ein schwarzer Kater zum Vorschein kam. Er zeigte seine spitzen Reißzähne und die Flügelchen auf seinem Rücken, während er sich genüsslich streckte und dabei Geräusche von sich gab, die Zunae lächeln ließen. Er war einfach viel zu süß.
Sanft fuhr Zunae mit ihren Fingern durch das überaus weiche, seidige Fell, bevor sie ihn hochhob und ihr Gesicht darin vergrub.
Dadurch, dass seit Tagen ein Kater zu ihr kam, hatte sich das Bedürfnis entwickelt, ihn zu knuddeln. Nur war der getigerte Kater wesentlich scheuer als Chiaki und so musste dieser nun herhalten.
Der Kater ließ es zu und gab ein zufriedenes Schnurren von sich, bevor er Zunae eine Pfote an die Nase legte und ihre Wange ableckte.
Ein Kichern verließ ihre Lippen, bevor sie Chiaki wieder auf das Bett setzte. »Ich habe eine wichtige Aufgabe für dich«, sagte sie ernst, was das Ohr des Tieres zucken ließ. Seine großen, gelben Augen dabei direkt auf Zunae gerichtet. Er hörte zu. »Du musst dir die Umgebung anschauen. Die Dörfer und Städte. Finde heraus, was die Bevölkerung braucht und wo es sich lohnt, zu investieren«, wies sie Chiaki an.
Sie hatte vollstes Vertrauen in ihn. Er hatte schon oft für sie solche Aufgaben erfüllt, weshalb sie wusste, dass es keine weiteren Anweisungen bedurfte.
»Wenn du raus gehst, pass auf, dass dich dieser Kater nicht sieht«, wies sie an. Sie wusste nicht, ob die Raenacs mit Tieren kommunizieren konnten, aber sie wollte auf Nummer sichergehen und kein Risiko eingehen.
Chiaki nickte, denn er verstand durchaus.
Ohne, dass Zunae etwas sagen musste, verschwand der schwarze Kater in seinem eigenen Schatten.
Zunae schmunzelte und trat zum Fenster, um die Vorhänge wieder zu öffnen.
Davor stand ein Kater, der das Fenster wütend anstarrte.
Das ließ Zunae lachen. »Entschuldige, habe ich dich ausgesperrt?«, fragte sie und öffnete das Fenster, als wäre nichts weiter dabei.
Der Kater fauchte, bevor er einfach vom Fensterbrett sprang und verschwand.
Zunae blickte ihm verwirrt hinterher, wurde aber von einem Klopfen aus ihren Gedanken gerissen.
Überrascht, was Belle schon wieder hier wollte, drehte sie sich um, doch es war Degoni, der eintrat.
Überrascht ihn hier zu sehen, machte sie einen Schritt zurück. Seine eisblauen Augen fixierten sie verärgert und er trat ohne zu fragen ein.
Dann sah er sich um, als würde er etwas suchen. »Was hast du hier getrieben?«, fragte er zähneknirschend. »Die Vorhänge waren zu.«
»Oh«, stieß Zunae hervor, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass es Degoni auffallen würde.
Schnell überlegte sie sich eine Ausrede, denn sie hatte nicht erwartet, dass jemand sie darauf ansprechen würde. »Ich wollte mich eigentlich umziehen«, erklärte sie schnell. »Dann habe ich aber den Kater gehört, der regelmäßig vorbeikommt und wollte ihn reinlassen«, fügte sie hinzu, wobei sie Degoni fixierte.
Dieser war nicht so ganz überzeugt davon, doch er konnte im Zimmer nichts finden. Nur ein wenig Magie, die zirkulierte, doch das war normal, seitdem Zunae hier schlief.
»Dann zieh dir etwas an«, wies er sie forsch an. »Wir gehen raus. Dainte sagt, du brauchst frische Luft.«
Als Zunae das hörte, strahlte sie Degoni an. Frische Luft war eine wunderbare Vorstellung. Eventuell würde er ihr sogar ein wenig die Umgebung zeigen. Wenn sie lieb fragte, konnten sie vielleicht sogar ausreiten.
»Ich mache mich sofort fertig«, sagte sie überschwänglich und trat auf die Kleidertruhe zu. Da es sich noch immer um Yelirs Zimmer handelte, hatte Belle ihr nur eine kleine Truhe mit den wichtigsten Dingen fertig gemacht.
Sie öffnete diese mit geschickten Handgriffen und holte ein Kleid hervor. Zunae war so vorfreudig, dass sie völlig vergaß, dass Degoni noch im Raum war, weshalb sie bereits begann, ihr Nachtkleid auszuziehen.
Erst, als sie Degoni leise fluchen hörte, wandte sie sich überrascht zu ihm um. Nicht mehr als das Kleid vor ihrem nackten Körper haltend.
Degoni starrte sie einen Moment an, bevor er den Blick abwandte und schnellen Schrittes hinausging.
War sie wirklich so unaufmerksam oder störte es sie nicht, dass er sie halbnackt gesehen hatte? Er verstand diese Frau einfach nicht.
Degoni wartete vor der Tür, die sich nur wenig später öffnete.
Überrascht, dass Zunae sich ohne Dienstmädchen und so schnell umgezogen hatte, blickte er zu ihr.
Er konnte seine Überraschung nicht verbergen, als er bemerkte, dass sie ihre Haare zu einem Zopf gebunden hatte, der perfekt zu dem einfachen Kleid passte, das sie trug. Hätte er sie so kennengelernt, hätte er sie nie für eine Königin gehalten. Zwar für eine Adlige, weil sie noch immer diese selbstsichere Ausstrahlung hatte, aber mehr für eine Kämpferin.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Zunae unsicher, die sich bewusst für schlichtere Kleidung entschieden hatte. Je nachdem, wohin sie gingen, wollte sie nicht so sehr auffallen, doch Degonis Musterung verunsicherte sie. Vielleicht hatte sie die falsche Kleidung gewählt.
Degoni räusperte sich. »Nein«, sagte er schließlich. »Komm«, forderte er und wandte sich um, um durch die Gänge zu laufen.
Zunae folgte ihm mit langsamen Schritten, was dazu führte, dass Degoni bald sehr weit vorn lief. Sie machte sich jedoch keine Sorgen darum, ihn zu verlieren und ließ sich nicht hetzen. Ihr Körper konnte noch nicht wieder so schnell, was Degoni sicher auch wusste. Zunae bemerkte auch, dass dieser immer mal wieder langsamer wurde oder sogar stehen blieb, damit sie etwas zu ihm aufschließen konnte.
Zunae versuchte, herauszufinden, wo er sie hinbrachte, doch sie verlor schon bald die Orientierung. Sie würde niemals allein zurückfinden, was sie etwas frustrierte. Diese Burg war ein einziges Labyrinth aus immer gleichen Gängen, weshalb Zunae auch verwundert war, als Degoni schließlich durch eine Tür trat, die hinaus in einen Innenhof führte.
Er war klein, doch dafür gemütlich. Mit einer Wiese, auf der ein einzelner, großer Baum stand, der Schatten spendete. An den Rändern der Steinmauern, die zur Burg gehörten, wuchsen ein paar wenige Blumen. Ansonsten gab es lediglich eine Bank.
»Was wollen wir hier?«, fragte sie unschlüssig. Es gab nicht wirklich etwas zu sehen oder zu tun, wenn sie von der Schaukel absah, die an den Baum gebunden war.
»Frische Luft«, erwiderte Degoni brummend, bevor er sich wieder abwandte. »Ich hole dich in zwei Stunden wieder ab.« Mit diesen Worten verschwand er wieder durch die Tür und ließ Zunae zurück.
Sie konnte nicht anders, als die Tür anzustarren. Das hatte sie sich aber definitiv anders vorgestellt!
Huch, das ist aber unverschämt. „Frische Luft“ und dann stehen lassen? Die arme Zunae …
Ich mag es, wie du schreibst, es lässt mich nicht los und ich freue mich immer, wenn ich die Zeit finde, um weiterzulesen.