DBdD-Kapitel 23

Nachdem sich Aaron zu seiner Familie und Yelir gesellt hatte, schwelgten sie in Erinnerungen. An vergangene Schlachten, Dummheiten, die Yelir und Aaron in der Kindheit getan hatten und viele andere Dinge, die typisch für junge Männer ihrer Zeit waren.
Yelir genoss es einfach nur zu entspannen, doch er spürte dennoch, dass Aaron etwas auf dem Herzen lag. Etwas, das er nicht vor seinen Eltern ansprechen konnte.
Yelir kannte die schwierige Beziehung seines Freundes zu seinem Mentor. Obwohl Aaron der Sohn von Astaron war, hatte dieser ihn doch immer auch wie einen Schüler von sich behandelt. Er hatte hohe Erwartungen an seinen Sohn, was auch der Grund war, warum Aaron das aktuelle Oberhaupt des Dorfes war.
»Ich würde dir gern mein Haus zeigen«, merkte Aaron irgendwann an. Yelir erkannte sofort, dass es ein Versuch war, mit ihm unter vier Augen zu sprechen.
»Das ist eine gute Idee«, bemerkte Missina, die ihnen eine Kleinigkeit zum Essen gemacht hatte, während sie sprachen.
Yelir war nicht aufgefallen, dass es mittlerweile schon sehr spät war, weshalb er sich nickend erhob.
»Gern. Danach muss ich mich auf den Rückweg machen«, sagte er und nahm Missina in den Arm. »Danke für eure Zeit«, sagte er und blickte zu Astaron. »Und für deine Ratschläge.«
Astaron lächelte und klopfte Yelir auf die Schulter. »Du wirst sicher einen guten Weg finden. Und vergiss nicht, dass du nicht alleine bist.«
Yelir nickte, bevor er Aaron nach draußen folgte.
Der Mann, der ein paar Jahre jünger war als Yelir, war den ganzen Weg über angespannt.
Es war für Yelir ein Schock gewesen, ihn zu sehen. Aaron war immer wild und ungestüm gewesen. Schon damals hatte er das schwarze Haar lang getragen, wie er es immer noch tat. Nur wirkte er sehr viel älter und hatte bereits Falten im Gesicht, was Yelir besorgte.
Als Yelir sich dem Haus näherte, wurde er nur noch besorgter. Es war nicht kaputt, aber sehr klein und alt. Er erkannte es als ehemaliges Haus eines Jägers, der nie eine Familie gehabt hatte und vor ein paar Jahren gestorben war.
Dass Aaron jetzt hier wohnte, obwohl er das Oberhaupt war, beunruhigte Yelir sehr.
Kaum war er eingetreten, machte Aaron die Tür hinter ihm zu und lehnte sich dagegen. »Ich brauche deine Hilfe«, brachte Aaron erschöpft und mit einer leichten Panik hervor. Er mied Yelirs Blick und zitterte. »Ich kann das einfach nicht. Ich bin ungeeignet, ein Dorf zu führen. Du musst etwas tun, sonst werden wir den Winter nicht überleben.«
Yelir brauchte einen Moment, um Aarons Worte zu verstehen.
Er trat auf ihn zu und legte ihn beide Hände auf die Schulter. Sein Blick ernst. »Erzähl mir genau, was los ist«, bat er, denn er nahm Aarons Sorge ernst. Er hatte gesehen, dass es dem Dorf nicht so gut ging, doch dass es so schlecht war, hatte er nicht erwartet.
Aaron atmete zitternd ein, während er gegen die Peinlichkeit seines Versagens ankämpfte. Er hatte das Gefühl, gleich weinen zu müssen, aber er wusste einfach nicht weiter. Yelir als sein Freund war der Einzige, an den er sich wenden konnte.
Also begann er langsam und zitternd zu erklären, wie es um die finanziellen Mittel des Dorfes stand und dass sie nicht einmal genug Geld hatten, um für den Winter Feuerholz zu besorgen.
Yelir führte Aaron zu einer gepolsterten Bank und machte es sich so bequem wie möglich, während er zuhörte.
Die Felder hatten keine guten Erträge und die Wälder in der Nähe waren zu weit weg, um Holz oder Fleisch zu bringen, das produktiv nutzbar war. Es war zu aufwändig, dieses herzubringen.
Dazu kam, dass viele Ältere, die sich damit auskannten, das Wissen nicht richtig weitergegeben hatte. Es gab keinen Schmied mehr im Dorf, was dafür sorgte, dass die wenigen Pferde nicht richtig genutzt werden konnten. Der Bäcker hatte kein Geld für Weizen. Die Wege dieses zu besorgen waren zu weit, weil es nicht gut bei ihnen wuchs und dazu kam ein Mangel an Wasser.
Probleme, die sich über die Jahre hinweg gesammelt und verstärkt hatten, weil weder Astaron, noch sein Vorgänger sich damit befasst hatten. Durch die Arbeit für das Schloss war genug Geld da, um diese Dinge zu besorgen.
Yelir lauschte den verzweifelten Worten seines Freundes, wusste aber auch nicht, was er tun sollte. Er war ein Krieger, kein Politiker und erst recht kein Händler oder Bauer. Das einzige, was ihm einfiel war, die Leute hier am Hof anzustellen. Ob Zunae sie vielleicht als Diener einstellen würde? Aber würden die Leute hier das wollen und würde das etwas bringen?
Als Yelir an Zunae dachte, fühlte er sich unwohl.
Astaron meinte, er solle ihre Fähigkeit nutzen und sie prüfen. Aber war die Idee gut.
»Ich hätte einen Vorschlag«, sagte Yelir, bevor er richtig darüber nachdachte. »Es wäre … ein Versuch. Wenn es nicht klappt, werde ich mich einmischen, aber vielleicht …« Er brach ab, da er diese Forderung für dumm hielt. Sie war nicht durchdacht und nur eine Eingebung, die vermutlich nicht auf Gegenliebe stoßen würde.
Aaron schluckte seine Tränen hinab, als er Yelir anblickte. Das Blau seiner Augen war dunkel und doch hoffnungsvoll. »Was für ein Versuch?«, fragte er angespannt, straffte aber die Schultern.
Yelir, der sich schon in diese Lage geredet hatte, entschied sich, es durchzuziehen. »Ich könnte jemand anderen zum Oberhaupt des Dorfes machen. Jemand, der Geld hat«, sagte er langsam.
Aaron blickte ihn ernst und erleichtert an. »Das wäre wohl das Beste«, sagte er, denn für ihn stand sein Dorf an erster Stelle. Er hatte nie Oberhaupt werden wollen und hätte nie gedacht, dass er sich so leicht seiner Verantwortung entziehen konnte.
»Du müsstest aber helfen«, sagte Yelir schließlich ernst. »Weil diese Sache auch gleichzeitig ein Vertrauenstest ist.«
Nun wurde Aaron doch skeptisch und musterte Yelir. Dieser hatte schon als Kind immer die verrücktesten Ideen, weshalb er vorsichtig war. Gleichzeitig packte ihn jedoch die Neugier.
»Über wen reden wir denn hier überhaupt?«, fragte Aaron neugierig, da er auch nicht vorhatte sein Dorf einem machthungrigen Adligen zu überlassen, der es nur rettete, um danach das Letzte aus den Bewohnern herauszupressen.
Yelir fürchtete sich ein wenig vor der Reaktion, als er leise Luft holte. Mehr als ablehnen konnte Aaron nicht, auch wenn Yelir glaubte, dass er verzweifelt genug war, um zuzustimmen.
»Es geht um meine zukünftige Frau. Eine Südländerin. Genau genommen die ehemalige Königin der Südlande.«
Aarons Gesichtszüge entgleisten, als er Yelir ansah. Er hatte mit etwas Verrücktem gerechnet, doch er hatte nicht erwartet, dass Yelir selbst verrückt geworden war.
»Wie stellst du dir das vor?«, platzte es ungläubig aus ihm heraus, also begann Yelir von seiner Idee zu erzählen. Selbst unschlüssig, ob diese gut war, oder er wirklich so verzweifelt war, dass er die Dinge nicht mehr klar sehen konnte. Allerdings fiel ihm auf die Schnelle auch keine andere Lösung ein. Nur fühlte er sich auch schlecht, dass er die Probleme zu Zunae schob. Noch war sie nicht Königin in seinem Land und selbst dann wäre es eigentlich nicht ihre Aufgabe. Allerdings schwirrte in seinem Kopf herum, dass er sie wie einen Mann behandeln und ihre Fähigkeiten nutzen sollte. Also musste sie ihm irgendwie zeigen, was sie konnte.
Hoffentlich ging das am Ende auch gut und er ruinierte damit nicht das Leben seiner Liebsten. Allerdings war er es gewohnt, Opfer zu bringen. Und manchmal ging es nicht ohne. Nur hoffte er, dass es am Ende den Preis wert war.
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