DBdD-Kapitel 26

»Was genau wollen wir hier?«, fragte Yelir, als Chiaki ihn zu einer Höhle führte, die vollgestopft mit Dingen war.
Langsam schritt er durch die Regale, wobei er sich in seiner kleinen Katzenform nicht gerade wohl fühlte. Normalerweise nahm er diese nur ungern an, denn noch war er nicht in der Lage, seine Größe nach Belieben zu verändern. Nicht so wie Degoni, der auch zu einem riesigen Tiger werden konnte.
Yelir selbst war ein dunkelbrauner Kater, der kaum größer war als Chiaki. Dabei war dieser schon recht klein.
»Das ist die Artefaktkammer der Raben«, teilte Chiaki ihm mit, während seine Krallen auf dem Boden leise Klackergeräusche machten.
»Die Artefaktkammer?«, fragte Yelir atemlos, als ihm bewusst wurde, dass Chiaki ihn ins Allerheiligste der Rabenklippen geführt hatte. Hier lagerten nicht nur die Artefakte der Raben, sondern auch einige aus anderen Regionen. »Warum sind wir hier?«
»Damit du dich ein wenig umsehen kannst. Vielleicht finden wir auch etwas, um Zunae zu helfen«, erklärte Chiaki, der die ganze Zeit in der Luft schnupperte.
»Warum hilfst du ihr?«, wollte Yelir wissen, denn das interessierte ihn schon eine Weile. Als Seelenkater war er weit von Zunae, die eine Drachengeborene war, entfernt.
Chiaki blieb stehen. »Eine Freundin bat mich darum«, sagte er, wobei Yelir glaubte, Trauer in seiner Stimme mitschwingen zu hören. »Ich habe ihr versprochen, Zunae zu beschützen, bis sich ihre Bestimmung erfüllt.«
Yelir runzelte die Stirn. Er sprach von einer Freundin, also konnte nicht Sisenem derjenige sein, der ihn darum gebeten hatte. »Was für eine Bestimmung?«, fragte Yelir weiter, der hoffte, Chiaki würde weiterhin offen mit ihm sprechen.
Doch der Kater schüttelte den Kopf. »Ich habe bereits genug gesagt. Es ist noch nicht an der Zeit, dass du weißt, was ich damit meine.« Seine Worte waren endgültig und Yelir kämpfte den Drang nieder, weiter zu fragen.
Es fühle sich noch immer sehr surreal an, mit Chiaki zu sprechen, als wäre er ein normaler Kater, auch wenn seine Erscheinung es einfacher machte. Trotzdem erinnerte sich Yelir immer an diese majestätische Gestalt und die Macht, die in ihm wohnte. Er war wahrlich ein Gott.
Chiaki schnupperte erneut in der Luft. »Hier entlang«, sagte er schließlich und setzte sich wieder in Bewegung.




Yelir tapste ihm langsam hinterher, während er sich neugierig umsah. So viele Artefake hatte er noch nie gesehen. Es waren weit mehr als in der Kammer seiner Familie. Was vielleicht daran lag, dass unter den Raben niemand wirklich ein Artefakt nutzte. Sie verließen sich, so wurde ihm zumindest gesagt, auf die Vampire, die ihnen unterstellt waren.
Yelir wusste, dass in der früheren Zeit die Göttertiere die Fähigkeit hatten, magische Wesen zum Schutz ihrer Abkömmlinge zu erschaffen. Nur waren die Vampire, Hexen und Harpyien die einzigen, die noch überlebt hatten. Von den Feen, welche die Drachen erschufen oder den Engeln, die angeblich die Seelenkatzen erschaffen konnten, gab es keine Spur mehr.
Yelir blieb stehen, als er das Gefühl hatte, von einer warmen Hand gestreichelt zu werden.
Sein Fell stellte sich auf und er sah sich skeptisch um.
Niemand war zu sehen und bis auf Chiaki, der etwas vor ihm lief, waren sie allein.
Yelir wollte weiter laufen, als er erneut dieses seltsame Gefühl hatte. Dieses Mal jedoch mit einem leichten Ziehen, was ihn stutzig machte. War es das, was man spürte, sobald ein Artefakt einen rief? Yelir kannte das Gefühl nicht, weshalb er neugierig wurde und sich in die Richtung drehte, in die er gezogen wurde.
Als er langsam darauf zusteuerte, blieb auch Chiaki stehen. Zuerst sah er ihm aufmerksam nach, bevor er langsam hinterhertrottete.
Yelir versuchte dem Gefühl zu folgen, was jedoch gar nicht so einfach war.
Die Regale waren so angeordnet, das er schon bald die Orientierung verloren hatte.
Chiaki folgte stumm, aber neugierig. Er ahnte, wohin er auf den Weg war, doch damit hatte er nicht gerechnet.
Schließlich kamen sie in einen Bereich, wo die Artefakte alle auf einen Haufen geworfen worden waren.
»Was ist das hier?«, fragte Yelir, der unruhig von einer Pfote auf die andere trat. Er spürte das Ziehen noch immer.
»Kaputte oder fehlerhafte Artefakte«, erklärte Chiaki. »Normalerweise holen sie niemanden mehr zu sich.«
Yelir stieß die Luft aus. Das war doch fabelhaft. Natürlich musste das einzige Artefakt, das ihn je gerufen hatte, kaputt oder fehlerhaft sein. Hatte er denn nie Glück.
»Kann ich es trotzdem … probieren?«, wollte Yelir wissen, der keine Ahnung hatte, ob es eine gute Idee war, es überhaupt in Erwägung zu ziehen.




Chiaki zögerte einen Moment. »Zeig mir zuerst, welches Artefakt dich ruft«, sagte er, denn so konnte er herausfinden, wie schlimm der Schaden war. Wenn er gefährlich für Yelir oder Zunae werden konnte, würde er auf keinen Fall zustimmen.
Yelir blickte auf den Berg, bevor er ein Seufzen von sich gab und so nah ging, dass er die ersten Artefakte erreichen konnte. Jetzt musste er sich nur noch zu dem vorgraben, das ihn rief.
Vorsichtig zog er eines der Artefakte zur Seite und hoffte, dass nichts zusammenbrach. Der Haufen war einfach viel zu groß.
Langsam und vorsichtig arbeitete sich Yelir vor.
Chiaki hatte sich mittlerweile an die Seite gesetzt, putzte seine Pfote, beobachtete aber trotzdem sehr genau, was Yelir tat.
Irgendwann packte Yelir ein Artefakt mit den Zähnen, um es wegzuziehen, doch stattdessen spürte er sofort einen Schauer, der über seinen Rücken jagte. Es fühlte sich gut an.
Er zog es aus dem Berg hervor und legte es vor Chiaki. »Das ist es«, sagte er, wobei er den Bogen neugierig betrachtete. Er war aus dunklem Holz mit silbernen Verzierungen, die aussahen, als hätte ein Kind sich darauf verewigt.
Die Sehne war kaum zu erkennen, doch definitiv vorhanden.
Alles in allem traf der Bogen nicht gerade seinen Geschmack, doch es war ein Artefakt, das ihn rief. Mehr wollte er nicht.
Chiaki betrachtete den Bogen, bevor er laut auflachte.
Yelir blickte ihn verständnislos an. »Was ist daran so lustig?«, fragte er zögerlich. War der Bogen vielleicht so kaputt, dass er nicht mehr nutzbar war?
Chiaki versuchte sich wieder zu fangen, doch es gelang ihm nicht sofort. »Wenn du ihn Nae zeigst, wirst du es verstehen«, brachte er lachend hervor. »Du kannst ihn nutzen, wenn er wirklich der ist, der dich ruft.«
Etwas an dieser ganzen Sache gefiel Yelir nicht, doch er spürte, dass dieser Bogen zu ihm gehörte.
Eine interessante Wahl, denn eigentlich war er kein Fernkämpfer. Ein Schwert wäre ihm lieber. Aber wenn das Artefakt ihn erwählte, konnte er auch nichts tun.

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