DBdD-Kapitel 29

Als das Schiff am Hafen ankam, ließ sich Yelir ein Pferd bringen. Dieses Mal machte er nicht den Fehler, zwei zu nehmen. Er wollte nicht riskieren, dass Zunae wieder eine Panikattake bekam und so schwang er sich hinter sie auf das Tier.
Ihre Habseligkeiten würden später zurück zur Burg gebracht werden. Er hatte nur den Bogen dabei, den er in ein Tuch gewickelt an seiner Hüfte transportierte. So sah er aus wie ein Schwert, da er auch nicht viel größer war. Noch war er nicht dazu gekommen, ihn genau zu betrachten, doch das würde er, sobald er zuhause war.
Während Yelir das Pferd durch die Stadt lenkte, entgingen ihm die Blicke einiger Bewohner nicht.
Ein Mann, der einen kleinen Handkarren zog, betrachtete sie musternd, während ein Händler sogar stehenblieb und sich zu seinem Diener umwandte. »Ist sie das?«, fragte er leise, doch Yelir hörte ihn sehr deutlich.
Der junge Mann, der die Habseligkeiten des Händlers trug, zuckte die Schultern, bevor er entgegnete: »Ihre Haut ist dunkler. Ihr Haar rot. Genau wie beschrieben.«
Das gefiel Yelir gar nicht, denn die Stimme war abwertend und herablassend. Aber warum?
»Ist das die Frau, die auf so dreiste Weise tötet?«, hörte Yelir eine andere Stimme, die er jedoch nicht direkt zuordnen konnte. Was er jedoch bemerkte, waren die Menschen, die ihnen den Weg frei machten. Nicht auf respektvolle Weise.
Yelirs Finger ballten sich um die Zügel des Pferdes. Was war in den zwei Wochen geschehen, in denen sie unterwegs waren?
Zunae strich sanft über Yelirs Arme, denn sie bemerkte das seltsame Verhalten der Leute durchaus. Sie konnte nur keine wirklichen Gespräche herausfiltern, denn es war viel zu viel los. Dafür spürte sie die seltsamen Blicke sehr gut auf sich ruhen. Verurteilend, anklagend und herablassend.
»Was ist denn los?«, fragte Zunae leise, denn sie fühlte sich zunehmend unwohler. Gerade, weil sie auch spürte, wie Yelir sich immer mehr anspannte.
»Hör nicht hin«, knurrte er, ohne zu wissen, dass Zunae gar nicht mitbekam, wie über sie gesprochen wurde.
Zuerst wollte sie nachfragen, doch dann spitzte sie die Ohren und lauschte. Es brachte jedoch nicht so viel. Ihre Magie wollte einfach nicht reagieren und die Geräusche filtern, was sie nur dem ungeborenen Kind zu verdanken haben konnte. Langsam musste sie sich wirklich etwas einfallen lassen. Es war zwar gut, da sie so vermutlich nicht in der Zeit springen würde, doch da sie sich immer auf ihre Magie verließ, wurde sie leichter angreifbar.




Yelir hingegen hörte sehr gut, was die Leute dazu zu sagen hatte und er versuchte sich, ihre Gesichter einzuprägen.
Als sie an einem Paar vorbei kamen, trug der Wind die Worte direkt zu ihm. »Und sie soll vom Katzengott gesegnet wurden sein? Da muss ein Fehler vorliegen. So eine feige Sch-«, bevor die Frau das Wort beenden konnte, zischte ihr Mann sie an und tadelte sie, dass sie solche Wörter überhaupt in den Mund nahm. Aber er widersprach ihr auch nicht.
Yelir spürte Wut in sich aufsteigen und gleichzeitig ein tiefes Grollen, das mit Magie verwoben war. Zuerst glaubte er, dass es seine Schuld war, weil er sich nicht zügele, bis ihm klar wurde, dass dieses Knurren und diese Macht nur von einem Wesen kommen konnte.
Chiaki kam aus dem Schatten vor Yelir und ließ sich ohne Probleme auf dem Hals des Pferdes nieder. »Was für Tratschtanten«, knurrte er hörbar verärgert.
»Was ist denn los, Chiaki?«, fragte Zunae, die ihre Hand von Yelir löste, um damit Chiaki sanft zu streicheln. Was dafür sorgte, dass sein Knurren schließlich zu einem genüsslichen Schnurren wurde.
»Es gehen Gerüchte über dich um«, murmelte er schließlich wiederwillig. Es war besser, wenn sie es wusste und sich darauf einstellen konnte.
»Das ist nichts Neues«, erwiderte Zunae schulterzuckend. Sie wollte sich nicht so viele Gedanken über die Art der Gerüchte machen. Stattdessen würde sie weiterhin ihren Planungen nachgehen und die Dinge umsetzen, die sie für wichtig hielt.
Yelir war sich nicht sicher, ob Zunaes Umgang mit diesen Gerüchten so gut war, doch ändern konnte er es im Moment sowieso nicht. Ob er ihr stattdessen sagen sollte, was man über sie sagte?
Dass sie hinterlistig war, Arcas auf eine heimtückische Art getötet hatte und dass sie den König verführte und verzaubert hatte?
Letzteres stimmte vermutlich, denn Yelir fühlte sich wirklich von ihr verführt und verzaubert, aber auf eine andere Art und Weise.
»Pass bitte trotzdem auf. Niemand weiß, wie schnell sich diese Dinge hochschaukeln«, murmelte Yelir, der gehofft hatte, das Auftreten des Katzengottes bei der Hochzeit und seine Akzeptanz, hätte dafür gesorgt, dass Zunae akzeptiert wurde. Allerdings waren nur die hochrangigen Fürsten und ihre Familien anwesend. Wie er gehört hatte, war das Auftauchen des Gottes zwar weitergetragen worden, doch das hieß nicht, dass jeder es glaubte.




»Werde ich«, versichere Zunae, denn sie wusste, dass es durchaus möglich war, dass aus einfachen Gerüchten mehr wurde. Irgendjemand fühlte sich immer dazu berufen, etwas zu ändern. Das hatte sie an Arcas gesehen.
Dass Arcas der Grundstein für die Gerüchte war, machte Yelir misstrauisch. Er hoffte, dass in der Burg alles in Ordnung war, weshalb er sich beeilte, um die Kutschstation zu erreichen. Dort würden sie ihren Schlitten nehmen, denn noch immer lag eine gute Schicht Schnee.
Zunae frustrierte das, denn das ließ all ihre Bauprojekte förmlich auf Eis liegen. Daher überlegte sie schon jetzt, wie sie das Ganze am besten handhabte, sobald der Schnee getau war. Sie wollte so früh wie möglich anfangen. Vermutlich musste sie jedoch ein bisschen mehr Geld in die Hand nehmen, als gedacht. Wenn sie in den wenigen warmen Tagen, die wichtigsten Straßen gebaut haben wollte, brauchte sie viele Handwerker. Ob sie vielleicht sogar welche aus den Südlanden holen sollte? Würde man diese überhaupt akzeptieren?
Mit diesen Gedanken ließ sie Yelir den Schlitten fahren und besah sich die Landschaft. Diese war wirklich sehr schön und irgendwie beruhigend.
Zunae beobachtete, wie die unberührten Schneeschichten an ihnen vorbeizogen und sie langsam die Augen schließen ließ.
Yelir bemerkte das und schmunzelte, konzentrierte sich jedoch auf den Schlitten. Er wollte so schnell wie möglich zurück zu Burg und am liebsten keine Stopps einlegen, doch das würden die Pferde nicht schaffen. Kurz hatte er darüber nachgedacht, Zunae zu bitten, den Schlitten per Schattenfortbewegung zu bewegen, doch sie wirkte so erschöpft, dass er sie schlafen lassen wollte. Auch, wenn er sich Sorgen darum machte, dass sie sich erkältete. Der offene Schlitten war sicher nicht die beste, aber die schnellste Wahl gewesen.
Yelir konzentrierte sich wieder auf den Weg, als plötzlich Chiaki vor ihm auftauchte. Er huschte neben ihm aus dem Schatten und blieb auf dem Kutschbock sitzen, wo er sich langsam streckte.
»Du bist in letzter Zeit oft da, obwohl Zunae dich nicht ruft«, bemerkte Yelir, als wäre es nebensächlich, doch er machte sich Sorgen.
»Das hat … diverse Gründe«, sagte er ausweichend und gähnte. »Die meiste Zeit schlafe ich, wenn ich nicht gerufen werde, aber aktuell schlafe ich zu viel.«




Yelir versuchte seine Worte zu verstehen und entschied dann, dass es wohl schon irgendwie Sinn ergab. Er konnte sich immerhin nicht vorstellen, wie es war, in jemandes Seele zu schlafen.
Chiaki konnte sehr deutlich spüren, dass ihre Magie andere Bahnen zog und er wusste auch warum. Aber da Zunae Yelir noch nichts davon gesagt hatte, würde auch er nichts sagen. Stattdessen würde er die Magie nutzen, um Zunae zumindest ein wenig zu schützen. Was auch der Grund war, warum sich ein schimmernder Wärmeschild um die Kutsche legte.
Er schirmte das Licht der Sonne, die vom Schnee reflektiert wurde, ab und ließ ab und an kleine Sterne aufblitzen. Ohne dabei Yelir zu behindern.
»Geht es Zunae gut?«, fragte Yelir besorgt, dem durchaus aufgefallen war, dass sich seine Frau anders verhielt, seitdem sie wusste, dass sie in der Zeit sprang.
»Das alles nimmt sie sehr mit«, gab Chiaki zu, blickte aber immer wieder zu Zunae. »Besonders dieser eine Vorfall. Jetzt wo sie weiß, dass es keine Vision war … Sie macht sich Sorgen.«
»Warum spricht sie nicht mit mir darüber?«, fragte Yelir, dessen Hände sich fester um die Zügel krallten.
»Ich denke, um dich nicht zu beunruhigen. Sie weiß, dass du nichts tun kannst.«
Yelir verzog den Mund. »Kann ich wirklich nichts tun?«
»Wir können nur herumprobieren. Vielleicht gibt es ein Artefakt bei euch«, schlug Chiaki vor, der sich bereits bei den Raben umgesehen hatte. Allerdings war ihm dort nichts aufgefallen, dass Zunae bei ihrem Problem helfen konnte.
Yelir gab einen nachdenklichen Laut von sich und widmete sich wieder dem Weg.
Er dachte darüber nach, wie lange sie noch brauchte, als Chiaki auf seinen Schoß sprang. »Soll ich euch schneller ans Ziel bringen?«, fragte er belustigt, da er selbst müde von den weiten, unangenehmen Strecken war.
Yelir dachte an das, was er gesehen hatte, als er mit Zunae und Dainte gekommen war, um Degoni zu retten.
Das Bild, wie Dainte sich blass übergab, ging ihm nicht aus dem Kopf. »Sofern ich danach nicht genauso über den Büchen hänge wie Dainte«, murmelte Yelir, der Chiakis Hilfe aber auch nicht ablehnen wollte. Immerhin ging irgendwas vor sich, weshalb er schnell nach dem Rechten sehen wollte.

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