DBdD-Kapitel 3

Nach dem Gespräch mit Ilan betrat Zunae ihr Arbeitszimmer für öffentliche Empfänge, während sie ihre Schulter massierte. Als sie dafür den Arm hob, spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrem Arm. Sie biss die Zähne fest zusammen und rollte ihre Gelenke, um sich zu lockern. Der Gedanke, den ganzen Tag sitzen zu müssen, machte sie unruhig. Sie konnte es kaum erwarten, sich am Abend körperlich zu betätigen, um ihre Verspannungen zu vertreiben. Immerhin war sie auch eine Kriegerin und musste in Form bleiben.
»Guten Morgen«, grüßte eine sanfte Stimme und zog Zunaes Aufmerksam zu einem Regal voller Dokumente, vor dem ihre Schwester stand. Ihr zartes rosafarbenes Haar war zu einem Knoten gebunden, aus dem mehrere Strähnen hingen und Zunae zeigten, dass Aidina bereits einen langen Morgen hinter sich hatte.
Ein sanftes Lächeln erstrahlte auf Aidinas Lippen, als sie Zunae erblickte und für einen Moment hielt sie damit inne, die Briefe zu sortieren.
»Guten Morgen«, erwiderte Zunae mit einem müden Lächeln. Sie hatte zwar erwartet, dass ihre Schwestern schon an der Arbeit waren, doch Aidina war normalerweise nicht in ihrem Büro anzutreffen, was Zunae ein unangenehmes Kribbeln den Rücken hinab rieseln ließ. Zum Glück hatte Zunae die letzten Briefe der Nordlande vernichtet. Sonst käme sie in Erklärungsnot. Warum sortierte Aidina ihre Briefe und nicht Nuya? War das wieder ihre Art abzuschätzen, ob sie Hilfe von einem Heiler brauchte?
Darum beobachtete sie diese auch, als sie zu ihrem Schreibtisch ging, auf dem sich Dokumente stapelten. Alles Anfragen ihres Volkes. Nach Wichtigkeit sortiert.
»Ilan hat mir gesagt, dass du mitgenommen aussiehst«, setzte Aidina zögerlich an, denn sie kannte Zunae und ihre Abneigung gegen Heilungen. Sie nahm sie nur in Anspruch, wenn es wirklich nicht anders ging.
Zunae stieß die Luft aus, verbarg aber ihre Anspannung hinter einem neutralen Gesicht. Natürlich hatte er das. Damit hätte sie rechnen können. Ilan war einfach übervorsichtig und als Heilerin sprang Aidina auch jedes Mal darauf an.
»Eine Vision«, erwiderte Zunae lediglich und griff nach dem Dokument ganz oben. Eigentlich wollte sie sich mit der Arbeit beschäftigen, doch der durchdringende Blick aus rosafarbenen Augen ließ sie schließlich wieder aufsehen.




Unter ihren Schwestern hatte Zunae die Gabe, die am stärksten den Körper und Geist beanspruchte. Entsprechend machten sich ihre Schwestern oft Sorgen. Aidina war da keine Ausnahme. Ihr Blick wanderte musternd über Zunaes Körper und blieb an der Verspannung an ihrer Schulter hängen. Sie hatte die Ursache bereits gefunden.
»Du solltest dich nach deiner Arbeit massieren lassen«, sagte sie, während sie die Probleme an Zunaes Körper genau analysierte. Es war, als würden diese für sie leuchten. Daher entgingen ihr auch die Verspannungen und die damit einhergehenden Kopfschmerzen nicht.
Als Zunae ihren Mund öffnete, um etwas zu sagen, kam Aidina ihr zuvor. »Ich bereite dir einen entspannenden Tee und dann die Öle vor«, sagte sie, um dafür zu sorgen, dass ihre Schwester nicht auf die Idee kam, abzulehnen. Sie würde nie etwas ablehnen, wofür sich andere viel Aufwand gemacht hatten.
Aidina erkannte, als Zunae unwillig den Mund verzog, dass sie gewonnen hatte, weshalb sie leicht lächelte.
Zunae brummte leise und senkte dann den Blick auf die Dokumente. Wenn Aidina das machen wollte, dann musste sie das akzeptieren. Außerdem konnte sie das Stechen in ihrem Kopf nicht leugnen. Die Buchstaben auf dem Pergament verschwammen immer wieder, als hätte jemand Wasser darüber gegossen, sodass das Blinzeln irgendwann auch nicht mehr half.
Gerade, als sie den Brief beendet hatte, der um ein Darlehen für eine Weberei bat, wurde ihr ein Tee vor die Nase geschoben.
Der Dampf trug den Duft beruhigender Kräuter mit sich. Zunae atmete tief ein und spürte, wie sich die Anspannung in ihren Schultern etwas entspannte.
Allerdings war dafür jetzt nicht die Zeit. Sie hatte Arbeit zu erledigen.
Also nahm sie einen Schluck, bevor sie sich an ihre Dokumente setzte. Den wachsamen Blick ihrer Schwester dabei immer in ihrem Rücken.
Zunae verlor sich in der Arbeit und spürte so kaum, wie die Zeit verging.
Aidina füllte ihren Tee regelmäßig nach, während Belle ihr immer wieder Kleinigkeiten servierte.
Der Stapel an Papieren wurde kleiner, doch bevor sie das Ende erreichte, wurde die Tür aufgerissen und eine junge Frau mit auffällig blauen Haaren stürmte herein. Gefolgt von einer eleganten, aber sehr kalt wirkenden Dame.




Wie immer kam Kali mit hektischen Bewegungen in den Raum geplatzt. Ihre Stimme ein aufgeregtes Echo. »Zunae«, rief sie aufgebracht. »Da kam ein Brief«, stieß sie keuchend hervor, während Nuya stumm einen Stuhl zurückzog und sich niederließ. Dabei waren ihre eisblauen Augen die ganze Zeit auf Kali gerichtet.
Zunae stieß ein Seufzen aus. Ihre Kopfschmerzen hatten sich gerade etwas gelegt, wurden jetzt aber neu entfacht.
Sanft griff Zunae nach den Händen ihrer Schwester, um sie etwas zu zügeln. »Kali. Atme erstmal durch«, bat sie, denn Kali war überaus aufgeregt. Selbst für ihre Verhältnisse. Was sie noch anstrengender machte.
Kali riss ihren Mund auf, schloss ihn aber wieder, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie fuhr sich fahrig durch die Haare, als würde sie das Bild dadurch besser verstehen. Allerdings fühlte sie sich noch immer, als wäre sie in einem Traum.
»Da ist ein Kristallvogel mit einem Brief gelandet«, rief Kali überfordert aus, weil sie ihren eigenen Augen nicht traute.
Schon als Kind hatte sie alle Bücher über diese Vögel verschlungen und sie stundenlang gemalt. Nie war sie auch nur auf den Gedanken gekommen, die Vögel aus den Nordlanden einmal zu sehen. Dass sie einen in Echt und von Nahem gesehen hatte, ließ sie verzückt zurück, sodass sie ihre Freude teilen wollte.
»Er ist also heute schon gekommen«, murmelte Zunae, die aufgrund ihrer Vision damit gerechnet hatte. Nur nicht so bald. Normalerweise lagen ihre Visionen weiter in der Zukunft.
»Natürlich wusstest du davon«, bemerkte Nuya, die bisher still zugesehen hatte. »Dann weißt du sicher auch schon, was in dem Brief steht.«
Zunae schüttelte den Kopf. Sie ahnte es, doch die Unruhe, die diese Briefe sonst auslöste, blieb aus. Stattdessen blieben ihre Visionen aus, als würden sie ihre stumme Zustimmung geben. Auch der Weg, wie der Brief zu ihnen gefunden hatte, war anders. Kein Bote, sondern ein Kristallvogel. Es würde sich aber erst zeigen, sobald sie den Brief berührte, ob erneut Hintergedanken im Spiel waren.
Nuya neigte dazu ihre Visionen zu überschätzen, weshalb sie ihr manchmal unbeabsichtigt Details vorenthielt, weil sie glaubte, Zunae wüsste sie bereits.
»Nein. Das weiß ich nicht«, erwiderte Zunae. Die Vision war zu kurz gewesen. Nur ein Hinweis darauf, dass ein großes Ereignis bevorstand, das keinen faden Beigeschmack bei ihr hinterließ.




Nuya musterte ihre Schwester, bevor sie ihr widerwillig den Brief reichte. Sie hatte ihn nicht einmal Kali lesen lassen. Der Inhalt war zu unerwartet. Was auch daran lag, dass Zunae bisher alle anderen Briefe abgefangen hatte. Es war das erste Mal, dass ihre Schwestern überhaupt mitbekamen, dass ein solcher ankam. Dabei war das hier nicht der erste.
Als Zunae den kleinen Zettel, den man kaum einen Brief nennen konnte, ausrollte und las, wurden ihre Augen immer größer. Der Inhalt war ähnlich wie die Male zuvor, doch keine Vision drängte sich in ihr Bewusstsein. Es blieb alles ruhig. Also kein Hinterhalt? Wäre einer geplant, hätte sie es sehen müssen.
Ihre Haut wurde bleich, während sich ihre Finger um das Pergament verkrampfte und ihr Atem flacher wurde. Sie spürte, wie sich ein beklemmendes Gefühl in ihr breit machte. Es war so weit. Das war der finale Brief, der das Schicksal ins Rollen bringen würde.
Sie griff den Brief fester, während sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Zunae spürte nicht die Freude, die ein Frieden mit sich bringen sollte. Stattdessen die Anspannung eines unausweichlichen Abschieds.
»Die Nordlande haben einen neuen Hochzeitskandidaten gewählt, verkündete sie, auch wenn ihre Stimme nicht so fest klang, wie sie es gern hätte.
Stille füllte den Raum aus, während alle Augenpaare auf Zunae gerichtet waren. »Wie ist dein Gefühl?«, fragte Aidina vorsichtig, obwohl sie die Antwort nicht wissen wollte.
»Dieses Mal ist es der Richtige«, flüsterte Zunae, während sie zusah, wie ihre Schwestern erbleichten.
Aidinas Finger krallten sich um den Tisch, auf dem sie sich abstützte. Langsam und ungläubig, als hätte sie sich verhört, schüttelte sie den Kopf. »So bald schon? Ich dachte, wir hätten noch ein paar Jahre.«
Das hatte Zunae auch gedacht. Sie hatte damit gerechnet, noch mehr Briefe zu erhalten, die nicht ernst gemeint waren und einen Hinterhalt enthielten. Aber wie es schien, hatte sie sich da vertan.
Eigentlich hatte sie nicht darauf geachtet, ob es Zeichen dafür gab, wann es so weit war. Sie hatte sich damit nicht stressen wollen. Aber jetzt kam es doch sehr plötzlich.
»Es wurde noch nicht entschieden, wer geht«, bemerkte Nuya, die angespannt aussah und Zunae mit ihrem Blick förmlich erdolchte.




Das ließ sie leicht lächeln. Beruhigend und doch traurig. »Das wurde bereits entschieden«, sagte sie und erhielt erneut alle Blicke. Zunae schaffte es nicht, diese zu erwidern, als sie hinten dran setzte: »Ich werde gehen.«
Aidina und Kali gaben mit einem empörten Laut ihr Missfallen kund, während Nuya schwieg.
»Das geht nicht«, pikierte sich Kali, mit Verzweiflung und Panik in der Stimme. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie nicht wollte, dass Zunae ging. »Du bist die Königin. Du kannst nicht gehen. Ich sollte gehen«, sagte sie aufgebracht, auch wenn sie eigentlich nicht wollte. Sie hatte Angst vor den Nordländern, weil sie auf dem Schlachtfeld an der Front zu viele von ihnen getötet hatte. Trotzdem war es in ihren Augen besser, wenn Zunae zu Hause blieb. Sie musste doch ihr Reich wieder aufbauen.
»Nuya, sag doch auch was«, bat Aidina, als Zunae stumm blieb und ihr keine guten Argumente einfielen. Auch sie wollte nicht, dass ihre Schwester ging, doch eine wirkliche Alternative hatte sie nicht.
»Mir ist das klar, seitdem ich mehr und mehr deiner Aufgaben übernehme«, bemerkte sie betont langsam, während ihr Blick über die Dokumente wanderte, als würde sie sich damit ablenken wollen. Zunae hörte jedoch die Enttäuschung, die darin mitschwang.
»So ist es das Beste«, erwiderte Zunae ernst, die gar nicht erst versuchte, ihre Schwestern zu beruhigen. Sie selbst versteckte das Zittern ihrer Hände und kämpfte gegen das Ziehen in ihrem Magen an. Die Nordlande waren eine fremde Gegend. Ein unbekanntes Territorium mit Gefahren, die Zunae kaum einschätzen konnte. Ihr Herz schlug unangenehm in ihrer Brust, doch sie kontrollierte ihren Atem, der sie nicht verriet.
Zunae hatte diesen Entschluss zwar aufgrund ihrer Visionen gefasst, doch sie konnte ihn auch erklären. Sie würde man nicht so leicht erkennen, auch wenn sie in der Schlacht durchaus eine Rolle gespielt hatte.
Eigentlich hatte sich Zunae auf eine Diskussion eingestellt, doch es war Nuya, die sie überraschte. »Ich denke auch«, stimmte sie unerwartet zu.
Sie hatte sich bereits dazu entschieden, dass sie diejenige sein würde, welche den Prinzen der Nordlande heiratete. Auch sie wollte ihre kleinen Geschwister beschützen, weshalb sie Zunaes Entscheidung nachvollziehen konnte.




»Dann lasst uns alles vorbereiten«, entschied Zunae, die einfach nur allein sein wollte. Es gab viel, über das sie nachdenken musste. Außerdem hatte sie Angst vor einem Gespräch, das sie nun nicht mehr aufschieben konnte.
Nuya warf ihr einen letzten Blick zu, bevor sie Kali packte und mit sich nach draußen zog.
»Kann ich noch etwas für dich tun?«, fragte Aidina vorsichtig, die den Wink jedoch verstand. Trotzdem blickte sie Zunae einen Moment zögernd an. Deren Mine blieb jedoch zuerst unverändert. Sie war nicht gewillt, ihre Meinung zu ändern.
»Nein«, erwiderte diese, doch ihr Blick wanderte suchend über den Boden, bevor sie die Schultern straffte und all ihren Mut zusammennahm. »Oder doch. Bring bitte Ilan zu mir.«
Aidina zögerte, bevor sie langsam nickte. Es gefiel ihr nicht, dass Zunae mit Ilan sprechen wollte, doch sie verstand, dass es nötig war. Also machte sie sich auf den Weg, um ihn zu holen.
Mit einem letzten Blick auf Zunae verschwand auch sie aus dem Raum, sodass Ruhe einkehrte.
Erschöpft seufzend ließ sich Zunae auf den Diwan fallen, bevor sie ihr Gesicht in ihren Händen vergrub und versuchte, die aufkommenden Tränen zurückzudrängen. Nun war es also soweit. Die Zeit war schneller vergangen, als sie erwartet hatte.
Sie hatte es bisher verdrängt, doch nun prasselte alles auf sie ein, sodass ihr Herz heftig in ihrer Brust schlug. Die Träume hätten sie vorwarnen können, doch sie hatte die Zeichen nicht gesehen. Wollte sie nicht sehen.
Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken, weshalb sie aufsah und sich schnell die Tränen aus den Augen wischte. Es war nicht gut, wenn es Anzeichen darauf gab, dass sie ihre Entscheidung bereute. Sie musste stark sein, denn niemand durfte versuchen, sie daran zu hindern. Das könnte den Untergang ihrer Liebsten herbeiführen und allein die Vorstellung, der Drache aus ihren Träumen könnte ihr Land heimsuchen, stärkte ihre Entschlossenheit.
»Komm rein«, sagte sie, bevor sie sich leise räusperte, da ihre Worte kaum verständlich waren. Da Ilan auch nicht reagierte, weil er sie nicht gehört hatte, wiederholte sie ihre Aufforderung. Dieses Mal fester, was zur Folge hatte, dass Ilan eintrat.
Er war müde und seine zerzausten Haare waren ein Hinweis darauf, dass er geschlafen hatte. Auch trug er keine Rüstung, sondern ein einfaches Leinenhemd und eine schwarze Leinenhose, die er bequem fand.




»Warum rufst du mich zu dir?«, fragte er träge und gähnte sogar. Immerhin hatte er sich erst vor wenigen Stunden hingelegt und bisher kaum geschlafen.
Zunae tat es leid, doch es war besser, wenn er es jetzt erfuhr und nicht, während die anderen die ersten Vorbereitungen trafen.
»Setz dich bitte«, bat sie angespannt und mied seinen Blick.
Ilan blinzelte müde und musterte Zunae eingängig. Wenn sie so angespannt war, dann musste es sehr wichtig sein, weshalb er sich langsam niederließ und damit kämpfte, wieder wach zu werden, um ihr auch folgen zu können.
Zunae rang mit sich, bevor sie tief Luft holte. »Die Sache mit dem Schiff muss warten«, setzte sie vorsichtig an. Ihre Finger spielten unruhig mit ihren Haaren, denn sie hatte Angst vor Ilans Reaktion. »Die Nordlande haben der Heirat zugestimmt. Wir werden klären müssen, wo und wie der Austausch stattfinden soll.«
Diese Offenbarung ließ ein unangenehmes Kribbeln über seinen Rücken wandern. Die Müdigkeit war vergessen und die Anspannung kehrte zurück. Er richtete seine Augen auf Zunae, die seinen Blick auswich. Sein Atem stockte, denn sie war sichtlich nervös, er fragte sich nur, warum.
»Wer wird in die Nordlande einheiraten?«, fragte er angespannt, während sich Angst in ihm breit machte. Bisher hatte er immer angenommen, dass es Aidina werden würde, da sie die Ruhigste war und die Südlande nicht so sehr schwächen würde. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher.
Bisher hatte er es immer als unmöglich erachtet, dass Zunae gehen würde. Sie war die Königin der Südlande und unersetzbar. Allerdings … war das der einzige Grund, mit dem sich Ilan ihre Anspannung erklären könnte.
Zunaes Mund wurde trocken, denn es noch einmal auszusprechen, war schwerer, als sie erwartet hatte. »Ich«, erwiderte sie leise flüsternd.
Ilan sprang auf und stürzte auf Zunae zu, bevor er ihr die Hände auf die Schultern legte. »Was soll das heißen?«, fragte er und schüttelte sie heftig durch. Wie kam sie nur auf die Idee, dass sie das tun sollte? Sie war die Königin der Südlande! Sie konnte nicht gehen. Er wollte nicht, dass sie ging!
»Das, was ich gesagt habe«, brachte Zunae nur flüsternd hervor, denn sie spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog und zu brechen drohte. Sie erkannte die Tränen in Ilans Augen, doch sie wollte diese Schmerzen nicht zulassen. Wie schön wäre es, wenn sie eine Zukunft mit ihm haben könnte. Wenn sie überhaupt eine Zukunft hätte.




Vielleicht hätte sie ihm keine Hoffnung machen sollen, doch nun war es zu spät.
Sie legte Ilan vorsichtig eine Hand auf die Brust, um ihn zu beruhigen. »Du bist mir wichtig, das weißt du, aber ich muss das tun«, sagte sie, wobei sie versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen.
»Wieso? Wieso ausgerechnet du? Kann nicht Aidina gehen?«, fragte er hoffnungsvoll und gleichzeitig panisch. Er wollte nicht aufgeben. Ein Leben ohne seine Königin konnte er sich einfach nicht vorstellen.
»Weil es nicht anders geht«, erwiderte Zunae angespannt und ernst. Ihre Visionen waren zu deutlich.
Ilans Schultern sackten herab und sein Blick glitt ins Leere. »Dann nimm mich mit«, bat er mit gebrochener Stimme und einem Blick, der Zunaes Herz schmerzen ließ. Er hatte eingesehen, dass er Zunae nicht von ihrer Entscheidung abhalten konnte. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog sie das durch. Egal gegen welche äußeren Einwirkungen. Es gab niemanden, der sie von ihren Entscheidungen abhalten konnte, wenn sie sich einmal entschieden hatte.
Wie gern hätte sie eine andere Lösung, aber wenn sie wollte, dass er am Leben blieb, dann durfte sie das nicht zulassen.
Zunae hob ihre Hand und legte sie Ilan auf die Wange. »Das geht nicht«, flüsterte sie entschuldigend, erwiderte seinen Blick jedoch nicht. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Die Vision seines Todes war zu lange her, hatte sich aber in ihre Gedanken gebrannt. Sie konnte es einfach nicht ertragen, dann ließ sie ihn lieber hier zurück. In Sicherheit.

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