DBdD-Kapitel 30

Als Zunae sich aus der Wanne erhob, fühlte sie sich sauber, aber nicht so entspannt, wie sie sich erhofft hatte. Das Lavendel im Wasser hatte ihren Geist zwar etwas beruhigt, doch neben der Vision, die sie immer noch nicht verstand, beschäftigte sie sich mit dem Treffen, das anstand. Noch hatte sie eine gute viertel Stunde, bevor Yelir sie erwartete. Trotzdem wollte sie ihm keinen Grund geben, nach ihr zu sehen. Im Nachhinein betrachtet war es ihr peinlich, wie sie sich verhalten hatte. Sie musste sich daran erinnern, dass sie hier nicht zu Hause war und diese Art der Schwäche nicht zeigen durfte. Daher entschied sie sich auch, sich besonders für diesen Anlass zu kleiden. Sie wollte zwar nicht auffallen, aber zeigen, dass sie nicht war, wie die anderen.
Belle brachte ihr ein grünes Kleid, dessen Stoff schimmerte wie Perlmutt. Ein sehr seltener und sehr teurer Stoff, den Zunae liebte.
Es schmiegte sich perfekt an ihre Rundungen, zeigte aber nicht so viel Haut, wie ihre anderen Kleider. Sowohl Dekolleté und Arme waren bedeckt.
Der Rock war lang, doch unauffällig an den Seiten geschlitzt, sodass sie Beinfreiheit hatte, wenn sie es brauchte.
Als Belle gerade die letzten Reste ihrer roten Haare zu einer kleinen Krone aufsteckte, öffnete sich die Tür und Yelir trat ein. Sein Blick war vorsichtig, als erwartete er, dass sie noch immer nackt in der Badewanne war, doch als er sah, dass dem nicht so war, entspannte er sich. »Du bist spät«, erklärte er, wobei er Belle ansah, die noch immer hinter Zunae stand.
Diese erhob sich langsam und wandte sich zu Yelir um. »Entschuldige, ich bin so weit«, erwiderte sie.
Yelirs Augen weiteten sich, als er die zarte Gestalt entdeckte. Er brauchte einen Moment, um Zunae zu erkennen. Sie wirkte ganz anders als zuvor. Die offenen Haare und die verspielten Kleider hatten sie immer sehr jung wirken lassen. Jetzt aber wirkte sie edel, elegant und viel ernster.
Yelir räusperte sich, während er sich fragte, ob das die Art war, wie sie offiziell ihrem Volk gegenübertrat. Es würde passen und er fand ihre Erscheinung sehr ansprechend. Sowohl als Mann, als auch als König. Ihre Ausstrahlung hatte etwas sehr Erhabenes.
Yelir fragte sich, ob er vielleicht nicht passend genug angezogen war, bevor er diesen Gedanken schnell wieder verwarf. Es waren die Nordlande. Edel und elegant waren nicht so wichtig wie Stärke und kämpferisches Geschick. In beiden hatte er sich oft genug bewiesen.




Nachdenklich hielt Yelir ihr einen Arm hin. Eine Geste, die er bei seinem Vater und Charlet ab und an gesehen hatte. Er selbst hatte sie noch nie einer Frau gegenüber vollführt, doch gerade empfand er es als passend.
Überraschung huschte über Zunaes Gesicht, bevor sie die Geste annahm und sich unterhakte. Sie hatte, wenn sie ehrlich war, nicht damit gerechnet, dass er das tun würde. Zu Hause symbolisierte diese Geste, ein gewisse Art von Unterstützung. War das hier auch so? Konnte sie mit Yelirs Hilfe bei der Auswahl rechnen?
Yelir hatte keine Ahnung, was diese Geste bei ihnen bedeutete. Das hatte ihn bisher nie interessiert, doch es fühlte sich richtig an, Zunae so zu begleiten, weil sie im Auftrag der Burg unterwegs war.
Er führte sie so sogar bis in den kleinen Raum, den er hergerichtet hatte, damit sie die Bewerber sehen konnte.
Es gab nur einen Schreibtisch mit zwei Stühlen. Zu einem führte Yelir sie und zog ihn ihr sogar zurück.
Überrascht blickte Zunae zu ihm auf. »Bleibst du nicht hier?«, fragte sie, denn es war verwirrend, dass nur zwei Stühle vorhanden waren.
»Doch, ich bleibe hier, aber ich werde es dir überlassen«, erklärte er und positionierte sich neben ihr. Er würde stehenbleiben, um Zunae im Fall der Fälle zu verteidigen. Den Rest konnte sie machen. Zudem konnte er sie so auch überwachen und vielleicht etwas lernen. Auch, wenn er letzteres nicht zugeben würde. Niemand würde es verstehen.
Nicht einmal Lacrew glaubte, dass man etwas von den Südländern lernen konnte.
Zunae blickte zu Yelir nach oben. Es verlieh ihr ein Gefühl, dass sie seltsamerweise beruhigte. Sie war es von Ilan gewohnt, dass er so hinter ihr stand, um auf sie zu achten oder ihren Gegenüber einzuschüchtern.
Dass sie dieses Gefühl nun auch hatte, wenn Yelir so bei ihr stand, machte Zunae etwas nervös. Sie wusste nicht, ob es gut oder schlecht war. Auf alle Fälle wusste sie, dass sie aufpassen musste. Es wäre dumm sich zu sehr zu entspannen und fallen zu lassen. Immerhin war es nicht Ilan, sondern Yelir. Ihre Beziehung war … seltsam. Geschäftlich wäre eine gute Bezeichnung dafür.
Zunae versuchte sich, von dem Gefühl loszureißen und auf die Aufgabe zu konzentrieren, die vor ihr lag.




Welche Arten von Menschen würden vor sie treten und würde sie für jeden Posten jemanden finden?
Als der erste Mann eintrat, wunderte sich Zunae nicht. Es war ein junger Mann. Vielleicht gerade alt genug geworden, um Arbeit zu finden.
Er hatte die Brust rausgestreckt und versuchte selbstsicher zu wirken, doch Zunae konnte ihm ansehen, dass da Angst war. Sie fragte sich nur wovor er diese Angst hatte.
Sein brauner Blick wanderte kurz durch den Raum, bevor er auf Zunae hängenblieb. Ein Schauer rann ihm über den Rücken und er kämpfte dagegen, die Angst zu verstecken.
Das war also die Königin aus den Südlanden. Sie wirkte nicht gefährlich, doch sein Vater, ein Veteran auf dem Schlachtfeld, hatte ihm beigebracht, dass er die Südländer nicht unterschätzen durfte. Da änderte auch das Artefakt, das sie sichtbar um ihren Hals trug, nichts.
Allerdings war König Yelir anwesend. Er stand erhaben und sichtbar gefährlich neben ihr. Ein Raubtier ohne Leine.
Seine grünen Augen waren auf den Jungen gerichtet, der sich dadurch jedoch nur sicherer fühlte. Vor seinem König hatte er Respekt, keine Angst.
»Eure Hoheit«, sagte er und verneigte sich, wie es ihm beigebracht wurde. Allerdings richtete er das Wort bewusst an Yelir, nicht an die Frau. »Mein Name ist Elias Reawin«, stellte er sich vor.
Zunae musterte den Jungen, welcher seine braunen Haare auf eine Weise trug, wie sie für die Nordlande üblich unter Jungen zu sein schien. Sehr kurz und so, dass sie nicht störten. So kannte es Zunae auch von den Kriegern, denen sie entgegengetreten war. Allerdings war Elias keiner von ihnen. Dazu war er zu vorsichtig und ängstlich.
Dass er ihren Blick mied, aber mit Yelir keine Probleme hatte, sagte ihr mehr über ihn, als Elias vermutlich bewusst war.
»Elias. Wie alt bist du?«, wollte Zunae wissen. Sie konnte sehen, wie der Junge zusammenzuckte, da er nicht erwartet hatte, dass sie es war, welche die Fragen stellte.
Zunae hatte es einfach getan, ohne mit Yelir abzusprechen, ob das in Ordnung war. Er hatte ihr die Auswahl der Diener übertragen, also würde sie tun, was getan werden musste.
»V-Vierzehn«, stammelte er überfordert. Wie sollte er denn mit ihr umgehen? War er vielleicht zu unhöflich? Warum wollte sie das wissen?




»Hast du bereits Erfahrung in der Küche?«, wollte sie wissen, denn das war die Stelle, auf die sich Elias beworben hatte.
Elias Blick huschte zu Yelir, der ihn jedoch nur anblickte und nicht zuckte. Er überließ es Zunae zu fragen, denn die Diener mussten mit ihr klarkommen. Das war etwas, das er für sich entschieden hatte. Eine Szene wie in der Küche durfte auf keinen Fall erneut passieren. Diese Burg musste sicher sein.
»Ich koche zu Hause«, sagte er unsicher, ob es die Antwort war, die sie wollte.
»Hast du das Kochen von deinen Eltern gelernt?«, fragte Zunae weiter, die schon aus Reflex nach seiner Mutter fragen wollte. Allerdings erinnerte sie sich rechtzeitig daran, dass die Dinge hier etwas anders liefen.
Elias streckte stolz seine Brust raus, doch so ganz half es nicht, seine Unsicherheit zu verstecken. »Das habe ich. Seitdem ich laufen und mit einem Messer umgehen kann, hat mein Vater mir das Kochen beigebracht«, sagte er hörbar stolz darauf, so früh angefangen zu haben.
Zunae lächelte sanft. »Du weißt sicher, dass ich eine Südländerin bin. Ich komme mit der Schärfe der Gewürze eurer Kultur nicht so gut klar. Wärst du in der Lage, auch neue Gerichte zu lernen oder alte anzupassen?«, fragte sie, wobei sie seine Reaktion genau beobachtete. Es würde ihr zeigen, ob er gewillt war, für sie einen kleinen Umweg zu gehen.
Zuerst wirkte Elias überrascht, bevor er nachdenklich aussah. »Ich denke, das sollte kein Problem sein«, meinte er dann, denn er probierte sehr gern in der Küche herum. »Wenn Ihr mir sagt, was Ihr gern esst, werde ich sicher etwas daraus zubereiten können«, fügte er dann hinzu und blickte sie fragend an.
Zunae erwiderte seinen Blick mit einem Lächeln. »Ich habe zwei Kammerzofen mit mir mitgebracht. Wäre es für dich in Ordnung, wenn sie dir einige Gerichte meiner Heimat beibringen?«, wollte sie wissen, da sie annahm, dass es Probleme geben würde, wenn ein Mann unter einer Frau lernte.
Allerdings hatte sie sich verschätzt, denn Elias Augen funkelten aufgeregt. »Es wäre mir eine große Freude, Gerichte aus den Südlanden kennenzulernen«, platzte es aus ihm heraus, während er gedanklich schon bei den ganzen Möglichkeiten war, die sich ihm boten.




Seine Freude Essen zu kochen hatte sich schon sehr früh gezeigt, doch zu Hause war er immer sehr limitiert gewesen. Gerichte mussten einfach und nahrhaft sein. Es gab nur selten die Gewürze, die er brauchte und er musste mit dem arbeiten, was es gerade gab. Wenn er jedoch in der Burg arbeitete, so träumte er, würde Geld für die Gerichte keine Rolle spielen und er konnte experimentieren, wie er wollte.
In dem Moment, als Zunae Elias Augen funkeln sah, war ihre Entscheidung getroffen. »In diesem Fall würde es mich sehr freuen, wenn du dich ab sofort um die Küche kümmern würdest«, sagte sie, bevor sie eine kleine Glocke betätigte, die auf ihrem Tisch stand.
Sofort kam Belle in den Raum und knickste leicht. »Lady«, grüßte sie und wandte sich dann an Yelir. »Eure Hoheit.«
Yelir nickte als Zeichen, dass auch er einverstanden war.
Elias, der nicht damit gerechnet hatte, dass alles so schnell gehen würde, blickte verwirrt von Zunae zu Belle. Was sollte er jetzt tun?
»Das ist Belle. Sie wird dir zeigen, wo du wohnen wirst und auch die Küche«, erklärte Zunae, denn die meisten Anwerber waren bereits mit ihren Sachen angereist und hofften, dass sie hierbleiben konnten.
Elias sprang auf und verneigte sich tief. »Vielen Dank«, sagte er, während sein Herz vor Aufregung heftig in seiner Brust schlug. Er konnte es kaum erwarten, endlich anzufangen.

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