DBdD-Kapitel 36
Als Yelir sich an diesem Abend zum Abendessen zurückzog, spürte die Verspannungen in seinen Schultern.
Er betrat den kleinen Raum, in dem er gern mit Zunae aß und stellte fest, dass diese noch gar nicht zurück war.
Gerade, als er begann, sich Sorgen zu machen, öffnete sie die Tür und kam in den Raum gestolpert. Ihre Frisur war unordentlich und ihr Kleid hatte einige Flecken, doch dass sie sich beeilt hatte, sagte ihm eher ihr hektischer Atem. »Tut mir leid, bin etwas spät«, sagte sie und schnappte nach Atem.
Yelir trat sofort auf sie zu und nahm sie sanft in den Arm. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er, denn das passte so gar nicht zu ihr.
»Ja, ich hab mich mit der Zeit etwas vertan«, gestand sie, wobei sie rot im Gesicht wurde. »Darum konnte ich mich auch noch nicht umziehen.«
»Alles in Ordnung. Setz dich, du musst Hunger haben«, bemerkte Yelir, denn er hatte sie viel beobachtet. Sie war sehr viel über den Innenhof gelaufen und hatte zwischendrin recht gehetzt gewirkt.
Da er selbst am Schreibtisch gesessen hatte, fühlte er sich zumindest nicht körperlich erschöpft.
»Ich sollte …«, setzte Zunae an, doch Yelir schob sie zum Stuhl.
»Das kannst du dann noch machen«, sagte er entschieden. Außerdem gab es eine Schüssel mit Wasser, in der sie sich die Hände waschen konnte, bevor Belle das Essen brachte.
Heute gab es frische Gemüsesuppe, die einen köstlichen Duft verströmte und ein sehr gutes Essen für die kalte Jahreszeit war.
Allerdings hatte Yelir noch ein wenig mehr bestellt, denn er wollte, dass Zunae genug aß. Eine Suppe am Abend reichte ihm nicht. Gerade, weil er genau wusste, dass ihre Magie ihren Körper sehr in Mitleidenschaft zog.
Belle kam also ein bisschen später erneut herein und präsentierte eine Reispfanne.
Zunae hinterfragte den zweiten Gang nicht, sondern aß genüsslich, während Yelir Belle erneut zunickte. Ihm war aufgefallen, dass Zunae während der Zeit bei den Raben zu wenig gegessen hatte, weshalb er für heute sogar noch kleine Pasteten bestellt hatte. Eigentlich waren Süßspeisen für besondere Anlässe geplant, da sie recht teuer in der Herstellung waren, doch er wusste sehr gut, dass Zunae sie mochte.
»Ist heute ein besonderer Tag?«, fragte Zunae, als Belle mit dem Nachtisch kam. Normalerweise waren die Abendessen zwar immer sehr lecker, aber nicht so reichlich, da Yelir selbst nicht besonders viel aß. Heute hatte er jedoch auch recht viel gegessen, auch wenn seine Portionen kleiner waren als Zunae. Etwas, worauf er immer geachtet hatte. Seine Magie fraß seinen Körper nicht derart auf.
»Ich dachte, wir feiern unsere Heimkehr«, bemerkte Yelir schmunzelnd.
Zunae lächelte ihn an und widmete sich dann ihren Kuchen.
Yelir beobachtete sie dabei, während seine Gedanken darum kreisten, dass sie so viel Arbeit hatte. Manchmal hatte er das Gefühl, ihr zu viel aufzuhaltsen. Sie kümmerte sich nicht nur um die Burg, sondern auch um viele wirtschaftliche Belangen. Der Berg an Briefen hatte es ihm nur noch einmal verdeutlicht.
Wenn er die Meckerbriefe der Fürsten nicht beachtete, dann war ihr Stapel an Briefen sogar größer als seiner.
Nichts, weshalb er Eifersucht verspürte, doch Sorge.
Yelir beobachtete, wie genüsslich Zunae aß. Ihr Lächeln ließ ihn sich entspannen. »Wie war dein Tag heute? Ging alles gut?«, fragte er, da er wissen wollte, wie sie es geschafft hatte, so auszusehen, wie sie aussah. Er empfand ihren Aufzug als sehr sympathisch, da es zeigte, dass sie sich für schwere Arbeit nicht zu fein war. Allerdings fragte er sich auch, was sie getan hatte, um sich so dreckig zu machen. Fast so, als wäre sie in irgendeine dreckige Ecke gekrochen.
»Ja, es war super. Ich habe dabei geholfen, einige Räume zu säubern, die ich gern als Schulungsräume nutzen würde«, erklärte sie gut gelaunt, während sie sich die Obst-Sahne-Torte schmecken ließ.
»Du hast geholfen, sauber zu machen?«, fragte er überrascht, denn damit hatte er nicht gerechnet.
Zunae lachte leise. »Ja. Ich habe etwas Magie genutzt, auch wenn die Windmagie vielleicht nicht die beste Wahl war«, gab sie zu und schob sich eine lose Strähne hinter ihr Ohr.
Yelir versuchte sich das vorzustellen und spürte ein wenig Eifersucht in sich aufsteigen, dass er nicht dabei war. Er hätte es gern gesehen.
Zunae blickte zu Yelir, der nachdenklich aussah. Sie hatte damit gerechnet, dass er meckern würde, weil sie zu viel Magie genutzt hatte oder weil sie diese niederen Aufgaben gemacht hatte. So kannte sie es von zuhause, doch Yelir schwieg in diesem Punkt.
»Wie war dein Tag?«, fragte sie neugierig, was Yelir schließlich seufzen ließ.
»In Ordnung. Viele Briefe. Ich habe Ariel gebeten, mir die Briefe zu öffnen, weil ich sonst nicht weit gekommen wäre, aber selbst damit konnte ich nicht einmal die Hälfte von ihnen sichten«, entgegnete er mürrisch, während er einen Schluck Kaffee trank. Er war dünner als der, den Ariel ihm gebracht hatte, doch er schmeckte Yelir dennoch, obwohl er sehr genau wusste, dass er am Abend keinen mehr trinken sollte.
»Ariel hat dir geholfen?«, fragte Zunae überrascht und ein wenig skeptisch. Sie erinnerte sich noch an die letzten Male, als Yelir mit ihr allein gewesen war, weshalb sie sofort Eifersucht spürte, von der sie jedoch wusste, dass sie unbegründet war.
»Ja. Sie war da, um mir Kaffee zu bringen, aber ich überlege, ob ich mir jemand anderen suche, der mir dabei hilft, damit es schneller geht. Degoni liest nicht sonderlich gern, er fällt also weg.«
»Ich kann dir helfen«, bemerkte Zunae sofort, da sie gern Zeit mit Yelir verbringen wollte.
Dieser dachte jedoch an die Briefe, die er aussortiert hatte. Er schätzte ihr Angebot, wollte aber nicht, dass sie sich mit diesen Idioten herumschlagen musste. »Du hast doch selbst sehr viel zu tun«, sagte er schließlich.
Zunae konnte leider nicht widersprechen, denn er hatte Recht. »Und was ist mit deinem Vater? Du sagtest, er wäre hier, um zu helfen«, bemerkte sie und blickte Yelir fragend an.
Dieser hatte schon wieder verdrängt, dass sein Vater da war, weil er eigentlich nicht über die Sache mit dem Artefakt nachdenken wollte. Allerdings hatte jeder Brief eines Fürsten dafür gesorgt, dass er daran erinnert wurde. Er hatte nie darüber nachgedacht, doch festgestellt, dass es recht viele Fürsten gab. Unter anderem auch, weil sie ihren Titel als Fürst behielten, selbst wenn sie abgelöst wurden.
Es gab nur einen Fürsten von Ladvaran, doch die Männer, die früher als solche verwaltet hatten und noch lebten, durften alle den Fürstentitel tragen. Daher gab es viel mehr Fürsten als Städte, die von einem verwaltet wurden.
Eine Tatsache, die Yelir ein bisschen die Strukturen hinterfragen ließ. Aber tun konnte er im Moment nicht viel, zumal sie weitaus wichtigere Baustellen hatten.
»Das ist eine gute Idee«, stimmte er schließlich zu. Lacrew konnte er vertrauen und er wäre in der Lage, ihm dabei zu helfen, die ganzen Briefe zu sortieren. Zu zweit würde es definitiv leichter sein. Sollte es jedoch so bleiben und die Flut an Briefen nicht abnehmen, würde er einen dauerhaften Posten einstellen müsste, der die Briefe für ihn sortierte. Sonst würde er schon damit zu viel Zeit verschwenden.
Als Zunae schließlich abgegessen hatte, erhob sie sich, um sich zu strecken und ihren vollen Magen zu reiben. »Das hat gut getan«, bemerkte sie zufrieden, was Yelir schmunzeln ließ. Er hatte mit seinem Verdacht also recht gehabt.
»Komm, legen wir uns hin«, sagte er, bevor er Zunae richtig Zimmer führte.
Während diese im Bad verschwand, stellte er die Kerze auf, die Ariel ihm gegeben hatte. So wie Yelir es verstanden hatte, war diese von Dainte und sollte beim Schlafen helfen. Etwas, das er wirklich gut gebrauchen konnte.
Er stellte sie auf den Steinsockel des Kamins und zündete sie an. Der Duft von Kräutern beruhigte ihn und während er sich umzog, genoss er ihn durchaus.
»Was riecht denn hier so gut?«, fragte Zunae, die schnuppernd ins Zimmer kam.
»Eine Kräuterkerze von Dainte«, erklärte Yelir der die Decke zurückschlug, damit Zunae sich hinlegen konnte. »Damit wir besser schlafen.«
»Das ist aber lieb«, erwiderte sie und gähne herzhaft, bevor sie sich unter die Decke kuschelte.
Yelir gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Gute Nacht«, flüsterte er.
»Gute Nacht«, murmelte sie als Antwort, bevor sie sich an ihn schmiegte und fast sofort einschlief.
Yelir wünschte sich, ihm wäre das auch gegönnt, weshalb er die Augen schloss und den Geruch der Kerze seine Wirkung tun ließ.






























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