DBdD-Kapitel 42

Obwohl sich Zunae noch nicht ganz erholt fühlte, machte sie sich doch auf den Weg, um in Kavalare nach dem Rechten zu sehen.
Sie hatte Aaron einen Brief mit Anleitungen und ein kleines Vermögen zukommen lassen. Damit sollte zuerst ein Lager gebaut und für den Winter gefüllt werden, bevor er die magischen Steine nutzte, um die Felder fruchtbarer zu machen und Gewächshäuser zu errichten.
Laut ihm lief es gut, doch Zunae wollte sich selbst überzeugen.
Sie blickte neben sich, wo Arcas ritt. Er war darüber, dass sie mit ihm nach Kavalare wollte, überrascht.
Allerdings hatte er die Anweisung von Yelir erhalten, dass sie die Stadt jederzeit aufsuchen durfte. Nur wusste er nicht warum und hatte keine Zeit gehabt, es zu hinterfragen.
Als die Felder in Sicht kamen, die unter einer sanften Schneedecke begraben waren, schwand Zunaes Zuversicht. Durch den Schnee, der immer wieder einsetzte, aber zum Glück noch nicht allzu lange liegenblieb, war sie schon davon ausgegangen, dass es schwer werden würde, doch dass sie gar keinen Fortschritt sah, ließ sie sogar daran zweifeln, dass Aaron ihre Gelder gut verwaltete.
Er hatte ihr geschrieben, dass sie Felder bearbeitet hätten. Ein Gewächshaus war sogar schon in Arbeit.
Allerdings sah sie auch nichts, als sie näher an die Häuser heranritt, die ebenfalls wie mit Puderzucker bedeckt in der Kühle des anbrechenden Winters verweilten.
Sie musste so nah heran, dass die ersten Häuser schon gut zu sehen waren, als sie die Neuerrungen erkannte.
Ein großes, recht zentrales Lagerhaus stach besonders heraus. Ihm sah man an, dass es neu war, denn das Dach beherbergte weniger Schnee als der Rest und das Holz aus dem es gebaut war, hatte eine hellere Farbe als die Häuser.
Das ließ Zunae erleichtert die Luft ausstoßen. »Was ist denn hier passiert?«, fragte Arcas überrascht, denn auch ihm fielen die Veränderungen auf.
Zunae schmunzelte, als sie sich weiter umsah. An einem Haus bemerkte sie etwas Seltsames, doch bevor sie sich ihm nähern konnte, kam bereits ein junger Mann auf sie zu.
Leroy hatte in den letzten Wochen zugenommen, weshalb Zunae ihn nicht sofort erkannte. »Lady Zunae«, grüßte er und vollführt eine Verneigung wie Zunae sie von ihm nie erwartet hätte. »Wenn wir gewusst hätten, dass Ihr kommt, hätten wir einen Empfang für Euch vorbereitet«, sagte er schnell, denn es war ihm unangenehm die Königin in derartigem Chaos zu empfangen.




Überall stapelten sich Baumaterialien und Arbeiter huschten umher.
Zunae lachte leise. »Das ist nicht nötig. Ich bin hier, um mir den Fortschritt mit eigenen Augen anzusehen.« Mit diesen Worten stieg sie vorsichtig von ihrem Pferd.
Sie spürte, dass sie noch nicht wieder ganz gesund war, denn der Ritt hatte sie einiges an Kraft gekostet.
Leroy, der Arcas an ihrer Seite komplett ausblendete, lächelte. »Ich werde sofort Aaron holen«, erwiderte er und stürzte los, als hinge sein Leben davon ab.
Zunae ließ das schmunzeln, denn sie erinnerte sich noch sehr gut daran, dass er ihr gegenüber skeptisch gewesen war. Allerdings war er einer der wenigen Bauern und so hatte er die Aufgabe erhalten, mit Aaron zu planen, wie sie am besten genug Nahrung produzierten, um zukünftig keine Probleme zu bekommen. Zunae fragte sich, wie sie dieses Problem gelöst hatten, denn es gab für große Felder zu wenig Hände.
»Was ist denn hier los?«, fragte Arcas verständnislos. Wieso wollte Leroy Aaron holen und wieso wusste er, wer Zunae war?
Diese nahm die Zügel ihres Pferdes und legte die letzten Meter bis zum Marktplatz laufend zurück. »Hat dir das Yelir nicht gesagt?«, fragte sie leise, aber auch überrascht. Wenn Arcas es wirklich nicht wusste, würde sie vielleicht auch nicht die ganze Wahrheit erzählen. »Ich lege mein Gold, das ich mitgebracht habe, in Kavalare an.«
Arcas glaubte, sich verhört zu haben. Sie legte ihr Geld an? Gab es deshalb ein neues Haus? Aber für was war es gut?
Gerade, als er fragen wollte, kam Aaron herbeigeeilt.
Arcas kannte ihn, denn als Yelirs Bruder war er ihm schon bei Kampfbesprechungen begegnet. Ihn hier zu treffen wunderte ihn auch nicht, denn er lebte in Kavalare und herrschte hier. »Lady Zunae«, grüßte er mit einer Verneigung, aber einem strahlenden Lächeln auf den Lippen.
»Fürst Aaron«, erwiderte sie und knickste elegant.
Arcas kam nicht umhin ihren Knicks zu bewundern. Er war sanft, elegant und doch nicht unterwerfend. Wie konnte sie mit dieser Geste noch immer so viel Selbstsicherheit ausstrahlen?
Aaron nahm Zunaes Hand und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Handrücken. »Es freut mich sehr zu sehen, dass es Euch wieder besser geht«, sagte er, wobei er sie noch immer besorgt musterte.




Es war ihr drittes Treffen. Das erste Mal hatten sie gekämpft und das zweite Mal hatte sie die leeren Magiesteine der Dorfbewohner gekauft. Danach hatten sie sich nur noch per Brief unterhalten, doch sie hatten sich in diesen auch kennengelernt.
Während Zunae absichtlich ausschweifend und erklärend geschrieben hatte, war Aaron eher kurz angebunden, aber höflich. Erst mit der Zeit waren Aarons Briefe länger geworden. Als er bemerkt hatte, dass sich Zunae wirklich für die Lage der Menschen in Kavalare interessierte und ihre Worte nicht einfach nur Floskeln waren.
»Ich konnte es kaum erwarten zu sehen, wie die Bauarbeiten von statten gehen«, sagte sie mit einem Funkeln in den Augen.
Aaron erwiderte ihr Lächeln und deutete ihr an, ihm zu folgen.
Zunae wandte sich kurz an Arcas, dem sie deutete, dass sie sich umsehen wollte. Leider wusste sie nicht, was Yelir ihm befohlen hatte. Ob er sie nur herbringen oder auch hier bleiben sollte.
Er musterte Zunae einen kurzen Moment. Wenn es nach ihm ging, hätte er sie nicht allein gelassen, doch Yelir hatte entschieden, dass er sich nicht in ihre Angelegenheiten hängen sollte. Allerdings hatte er nie explizit entschieden, dass er sie nicht eine Weile begleiten durfte. »Ich würde mich ebenfalls gern umsehen, bevor ich zurückkehre und dich am Abend abhole«, sagte er, wobei er die Frage nicht direkt aussprach. Wenn Zunae es nicht wollte, hatte sie jetzt die Gelegenheit ihm das zu sagen.
Ob er sich davon jedoch abhalten ließ, konnte er noch nicht sagen. Er wollte verstehen, warum die Menschen aus Kavalare so höflich ihr gegenüber waren. Immerhin war sie eine Feindin aus den Südlanden und viele von ihnen hatten gegen sie gekämpft. Auch, wenn Arcas nicht mehr so viele alte Menschen sehen konnte. Nur Astaron und seine Frau, die vor dem neuen Gebäude standen und es musterten.
Zunae deutete Arcas, sie zu begleiten und folgte dann Aaron, der zielstrebig auf seine Eltern zuging.
»Das Lagerhaus sieht sehr gut aus«, bemerkte Zunae, die dieses eingängig musterte. Es erfüllte perfekt ihre Anforderungen und wurde durch die magischen Steine gekühlt. So würde das Essen lange Zeit lagerbar sein.
»Lady Zunae«, grüßte Missina, die ihr ein strahlendes Lächeln schenkte.




Astaron sagte nichts, sondern machte nur eine leichte Verneigung zur Begrüßung.
»Wir haben den Bau des Lagerhauses priorisiert und erst vor ein paar Tagen konnten wir einigen reisenden Händlern einige Waren abkaufen«, erklärte Aaron, der ihr die Tür öffnete.
Es war kalt im Inneren, weshalb Zunae ihren schweren Umhang fester um sich zog. Sie wollte nicht gleich wieder krank werden, weshalb sie ihre Magie in den Stoff fließen ließ, der daraufhin warm wurde.
»Denkst du das reicht für den Winter?«, fragte sie, während sie die einzelnen, zum größten Teil noch leeren Lagergestelle betrachtete.
»Ja. Die Anzahl der Dorfbewohner ist so weit gesunken, dass diese Menge schon ausreicht«, bemerkte er, wobei seine Stimme eine Mischung aus Erleichterung, Freude, aber auch Trauer aufwies.
Zunae nickte und kontrollierte, ob wirklich alles da war. Es gab Getreide, das sie zum Backen nutzen konnten, Feldfrüchte, die sich gut lagern ließen und auch ein wenig Fleisch, das tiefgefroren in besonderen Bereichen lagerte. Außerdem gab es auch noch Felle und Leder, für warme Kleidung.
»Das ist sehr gut«, sagte sie schließlich, auch wenn es ihr lieber wäre, wenn sie das ein oder andere mehr hätten.
Allerdings war Aaron sehr darauf bedacht, nicht zu viel Geld auszugeben. Trotzdem hatte er versucht, all ihre Wünsche umzusetzen, auch wenn er einige davon nicht verstand.
»Wie läuft es mit den Gewächshäusern?«, fragte sie, als sie endlich wieder hinaus gingen. Draußen war es plötzlich nicht mehr ganz so kalt und Zunae begrüßte die Sonne, indem sie ihr Gesicht kurz in diese drehte, um es zu wärmen.
Zum Glück war heute ein Tag, der nicht bewölkt war. Eine Seltenheit im nahenden Winter.
»Wir sind nicht in der Lage mit so wenigen Bewohnern die großen Felder zu bewirtschaften«, erklärte Aaron, der sie zu einem Wohnhaus führte. »Darum haben wir entschieden, dass es sinnvoller wäre, mehrere kleine Gewächshäuser direkt an den Häusern zu installieren, sodass jede Familie ihren eigenen, kleinen Garten haben kann, um sich selbst zu versorgen«, erklärte er, wobei er angespannt versuchte, Zunae nicht anzusehen. »Im Verhältnis zu den großen Gewächshäuser ist es nur wenig teurer«, fügte er hinzu, denn er machte sich etwas Sorgen darum, wie sie die Dinge sah.




Zunae stieß ein nachdenkliches Geräusch aus, als sie das Gebilde an dem Haus entdeckte. Dann legte sie nachdenklich den Kopf schief. »Für den Anbau von Essen ist das vielleicht wirklich die bessere Idee«, erwiderte sie, denn mit wenig Händen würde das Getreide auf den Feldern am Ende nur verrotten oder Banditen anziehen.
Aaron atmete erleichtert aus. Er hatte damit gerechnet, dass sie nicht begeistert sein würde, doch sie schien seinen Punkt zu verstehen.
»Ich zeige Euch …«, setzte Aaron an, als ein schriller Schrei durch das Dorf zog.
Aaron kam gar nicht auf die Idee, weiter zu sprechen. Sofort wandte er sich um, als Zunae auch schon an ihm vorbeirannte und in Richtung des Schreis sprintete. Aaron und auch Arcas folgten sofort.
Entsetzt hielt Zunae inne, als sie einen Mann erkannte, der in Tücher gehüllt war und im Arm eine junge Frau hielt. An ihrer Kehle ein Messer, um sie zu bedrohen.
»Rückt die Steine raus, dann passiert ihr nichts«, sagte er mit einem Unterton, der Zunae einen Schauer über den Rücken wandern ließ.
Er war nicht allein. In seiner Nähe standen mehrere Männer, die ebenfalls in Tücher gehüllt waren und damit recht einheitlich wirkten.
Banditen.
»Lass mich los«, jammerte Luenara, die Tochter des Schmieds.
Allerdings ließ sich der Mann davon nicht beirren. Im Gegenteil. Er schmunzelte und beugte sich zu ihrem Gesicht, wo er mit der Zunge über ihre Wange leckte. »Ich mag es, wenn sich die Frauen wehren«, flüsterte er süßlich. Seine Absichten klar.
Zunae ballte die Hand zur Faust. Was sollte sie tun, um Luenara zu helfen? Ein falscher Schritt und sie würde sterben.

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