DBdD-Kapitel 68

»Bist du aufgeregt?«, fragte Yelir belustigt, der zunae gegenüber in der Kutsche saß.
Diese blickte die ganze Zeit nach draußen uns hatte Mühe, ruhig zu sitzen. »Natürlich. Du hast mich damit völlig überrumpelt«, gab sie zu, denn sie war überhaupt nicht vorbereitet.
Die Tage waren so seltsam gewesen, dass sie das Zeitgefühl verloren hatte und deshalb nicht mit einem so baldigen Aufbruch gerechnet hatte.
Ihr Ziel war der Tempel der Seelenkatzen. Der einzige in den ganzen Nordlanden. Kein Prt zum Beten wie bei ihnen, sondern ein Ort für Feiern wie eine Krönung oder eine Hochzeit.
Zunae konnte von Glück reden, dass sie Belle und Jane an ihrer Seite hatte. Beide hatten sich um das Kleid und auch ihre restlichen Dinge gekümmert. Sie waren ausreichend, um ein paar Nächte im Tempel zu verbringen. Dort würden auch die Feiern nach der Hochzeit stattfinden.
Dieser lag auf einem Hochplateau, das nur über einen schmalen, gewundenen Weg zu erreichen war.
Zunse bestaunte die Statuen, die links und rechts den Weg säumen. Manchmal in den Felsen geschlagen, manchmal aus einem Material, das so poliert war, dass es trotz der Schwärze zu funkeln schien.
Bisher hatte Zunse die Nordländer nicht als Künstler wahrgenommen, doch wer auch immer diese Figuren erschaffen hatte, war brillant.
Selbst Chiaki späte immer wieder neugierig aus dem Fenster, aber so, dass niemand ihn sehen konnte. Seine Aura war vollkommen unterdrückt und nicht einmal Yelir konnte mehr als einen einfachen Kater in ihm sehen.
»Sobald wir ankommen, kann ich sich etwas herumführen. Es sei denn, du willst dich ausruhen«, bot Yelir an, der beruhigt war, dass es ihr wieder besser ging. Degoni hatte ihre Angst so geschürt, dass sie ein Problem hatte, mit diesem allein zu sein. Dabei funktionierte ihre Magie wieder normal.
Chiaki hatte ihm erklärt, dass Zunaes Hasre immer dann blau wurden, wenn sie eine gewisse Menge an Magie durch ihren Körper floss. Um sich zu schützen, da ihr Körper diese noch nicht ganz aufhielt, musste sie diese in Zauber oder Beschwörung lenken.
So ganz hatte es Yelir nicht verstanden, doch nachdem er in ihrem Inneren dieses Wesen erblickt hatte, war ihm klar, dass Zunae keine gewöhnliche Magierin war. Er hoffte, dass sie ihm bald genug vertraute, um ihm auch noch die restlichen Geheimnisse anzuvertrauen. Aber er würde sie nicht drängen.




»Sind die Priester bei euch vom Seelenkater auserwählt?«, fragte Zunae, die sich nicht satt sehen konnte.
»Nein. Die Königsfamilie wählt sie. Es gab bei uns schon seit Generationen keine göttliche Erscheinung mehr«, bemerkte er und schielte zu Chiaki. Er hoffte sehr, dass sie das vielleicht bald änderte, doch vielleicht hatten sie sich mit dem Krieg auch die Gunst ihres Gottes verspielt.
Als sie schließlich das Plateau erreichten, baute sich einriesiges, offenes Gebäude aus schwarzem Stein vor ihnen auf.
Es war so poliert, dass es zu strahlen schien.
Ein Gefühl von Unveränderlichkeit und Ewigkeit schien in den Mauern mitzuschwingen.
Die Kutschen hielten und Yelir stieg aus, bevor er Zunae die Hand reichte.
Diese trat zögerlich in die unberührte Schneelandschaft, die einen noch stärkeren Kontrast zu dem Bauwerk aufbaute.
Die vielen, schmalen Türme wirkten wie Katzenklauen. Dieser Eindruck wurde noch durch die silbernen Dächer verstärkt, doch am imposantesten fand Zunae das Eingangstor.
Es war ein großer Rundbogen, der von zwei Katzenfiguren gehalten wurde. Ganz oben, als würde sie jeden Neuankömmling genau unter die Lupe nehmen, zwei glühende Katzenaugen aus Kristallen.
Yelir reichte ihr den Arm, bevor er sie langsam hindurch führte.
Zunae nahm die Männer wahr, die sich überall auf dem Gelände befanden.
Sie trugen Gewänder, die so schwarz waren wie die Nacht selbst. Nur feine Stickereien aus Silber, die in der Sonne schimmerten, ließen eine Form erahnen. Dir Kapuzen waren so tief in die Gesichter gezogen, dass sie nicht zu erkennen waren.
Für Zunae war das ein seltsamer Kontrast zu den Priestern der Rabenklippen, die in weiß gekleidet waren. In den Südlanden selbst gab es keine wirklichen Priester. Es gab viele Tempel und Altäre, die jedoch keinem gehörten und ein Allgemeingut waren. Dort konnte jeder beten, wie er es für richtig hielt.
Yelir führte sie den Gang entlang, bis sie den sternenförmigen Innenhof erreichten. Er war der zentrale Punkt des Geländes und der Boden war von jedem kleinsten Krümel Schnee befreit. Dadurch war der glattpolierte, schwarze Boden zu erkennen, der eine Vielzahl an eingearbeiteten Kristallen aufwies.
Zunaes Blick wanderte umher. Obwohl alles in schwarz gestaltet war, war es nicht dunkel. Stattdessen schien der Stein selbst das Licht zu reflektieren.




Ihr Blick wanderte nach oben, wo sich eine Kuppel befand, die im Moment wie ein Sonnenschutz wirkte.
Die Hochzeit würde in der Nacht stattfinden und Fackel oder Feuer waren in dem Tempel verboten. Zunae fragte sich, wie für Licht gesorgt werden würde.
»Das ist der Sternenhof«, erklärte Yelir mit leiser Stimme. »Hier wird die Hochheit stattfinden.«
Yelir deutete auf die Mitte, die etwas erhöht war. Dort thront ein kleiner, steinernen Altar. Fast unscheinbar, wären da nicht die kleinen Figuren, die den Sockel schmückten.
Ein kurzes Funkeln zog zunaes Aufmerksamkeit auf eine Figur, die hinter dem Altar stand. Sie musste sehr genau hinsehen, um die schwarze Katze zu erkennen, die hinauf in den Himmel blickte. Selbst mit ihren funkelnden Tigeraugen wirkte sie überraschend echt und majestätisch. Gleichzeitig erinnerte sie Zunae an etwas. Eine Erinnerung, die jedoch keine klaren Formen annehmen wollte. Als würde etwas in ihr sich dagegen wehren.
»Das ist die Figur unseres Göttertiers«, flüsterte Yelir ehrfürchtig. »Der Ort, an dem wir die Opfergaben nach der Zeremonie niederlegen.«
Zunae nickte stumm. Jedes Wort erschien ihr, als würde es die Ruhe dieses Ortes stören.
Yelir schlug eine andere Richtung ein und führte Zunae schließlich durch einen der vielen Gänge, die man kaum erkannte.
Neben dem Zentrum gab es viele Zimmer für Gäste. Irgendwo in diesem riesigen Komplex gab es auch Arbeitsbereiche für die Priester, doch bis auf das Bad und den Innenhof hatte auch Yelir nicht viel davon je gesehen. Er war hier nur Gast. Wenn auch ein besonderer.
Als Abkömmlinge der Seelenkatze bekam auch seine Familie viel Respekt der Priester, die sie als Kinder Gottes sahen. Immerhin waren sie mit Magie gesegnet.
Schließlich führte Yelir sie in die Räume, in denen sie schlafen würden.
Wandgemälde und ein aufgemalter Sternenhimmel empfingen sie, doch ansonsten war der Raum recht karg möbliert. Ein Bett, ein Schrank und ein Tisch. Alles, was sie für ihren Aufenthalt brauchen würden.
Um sich für die Trauung am nächsten Abend fertig zu machen, hatten sie eigene Zimmer. Dort würden Belle und Jane auch ihr Kleid lagern.
Sie war wirklich stolz darauf, denn Anui hatte sich damit selbst übertroffen. Es war ihr Plan ein Statement zu setzen und das würde sie ganz sicher tun.




»Die Reise war erschöpfend. Möchtest du mit mir in die heißen Quellen?«, fragte Yelir, der das Bad des Tempels als eines der schönsten ansah, die er je besucht hatte. Diese Schönheit wollte er mit Zunae teilen.
»Zusammen baden?«, fragte Zunae und wurde ein wenig rot um die Nase. Sie würden immerhin morgen Abend heiraten. Es sollte also nichts dabei sein, wenn sie sich bereits nackt sahen, oder?
Yelir räusperte sich leise und mit ein wenig Verlegenheit. Eigentlich waren diese Quellen den Männern vorbehalten, doch als König hatte er zwei Stunden, in denen es nur ihm und seiner Familie gehörte. Wen er dorthin einlud, war seine Sache und heute hatte er sich für Zunae entschieden. »Wenn du nicht möchtest, kann ich das verstehen«, sagte er, da er gar nicht daran gedacht hatte, dass sie beim Baden nackt sein würden. Allerdings hatte er mittlerweile so viel von Zunae gesehen, dass er ihren Körper bereits recht gut kannte. Sie hatte ihn bisher aber noch nie gesehen, wie die Natur ihn schuf. Es wäre also sicherlich keine schlechte Erfahrung. Vor allem, da sie nach der Hochzeit sowieso das Bett miteinander teilen würden.
Wenn Zunae ehrlich war, wunderte sie sich schon die ganze Zeit über Yelirs Zurückhaltung. Das war sie von den Männern ihres Reiches nicht gewohnt. Dabei gab sie sich Mühe, zu zeigen, dass sie gegen seine Zuneigung nicht abgeneigt war. Sie spürte diese nagende Angst, wenn sie jemand berührte, bei Yelir nicht. Stattdessen fühlte sie sich in seinen Armen sehr wohl.
»Ich möchte sehr gern«, erwiderte Zunae mit einem Lächeln. War das vielleicht Yelirs Hinweis, dass auch er mehr wollte?
Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, sie an seiner Seite zu haben. Ihre Hand zu halten, sie manchmal in den Arm zu nehmen und mit ihr zu lachen. Aber nie war mehr passiert.
Bei ihnen war es nicht verboten, Körperkontakt vor der Hochzeit zu haben, doch Yelir wollte ihr nicht das Gefühl geben, gedrängt zu werden. Erst recht nicht, seitdem er wusste, was sie in ihren Visionen sah.
Die rituelle Reinigung gehörte vor der Hochzeit dazu, doch das hieß nicht, dass sie diese zusammen vollziehen mussten. Oder in Gegenwart eines Priesters. Es konnte auch ein ganz privates Bad werden. Wie das Paar es wollte und Yelir wollte Zeit mit Zunae verbringen. Sie dabei beobachten, wie sie staunend alles Neue in sich aufsog. Was auch der Grund war, warum er sich zu einem Lächeln hinreißen ließ, als sie annahm.




Yelir nahm Zunaes Hand und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Knöchel. »Dann werde ich dich in einer Stunde abholen. Ich möchte vorher noch etwas mit den Priestern besprechen«, erklärte er und hoffte, sie fragte nicht nach. Wenn sie darum bat, mitzukommen, würde er ihr diese Bitte nicht abschlagen können, dabei wollte er sie doch überraschen. Nicht nur mit einem besonderen Ambiente beim Baden, auch mit einem weiteren Schritt, der für die Nordlande alles andere als zu erwarten war. Damit würde sich Yelir sicher nicht nur Freunde machen, doch damit konnte er leben.
»Bis später«, erwiderte Zunae lächelnd, die sich langsam auf das Bett sinken ließ. Sie freute sich schon sehr auf ein entspannendes Bad, würde aber zuerst ihre Kleider vorbereiten müssen. Außerdem wusste sie nicht, ob sie Belle und Jane mit dem Rest betrauen konnte. Diese waren noch dabei die Sachen einzuräumen und alles vorzubereiten. Vermutlich halfen ihnen die Priester, wie es Yelir gesagt hatte.
Hier war alles so neu und anders, als sie erwartet hatte. Die Blicke der Priester waren neugierig und weniger abgeneigt, obwohl sie genau das erwartet hatte. Trotzdem hatte sie Sorge, dass sie einen Hinterhalt fürchten mussten und jede Stunde ohne Yelir war ihr nicht geheuer. Sie konnte ihn jedoch nicht von seinen Pflichten abhalten und wenn sie ehrlich mit sich selbst war, war sie erleichtert darüber, sich jetzt ausruhen zu können und sich um nichts weiter zu kümmern.

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