DBdD-Kapitel 9

»Du bist ziemlich spät«, bemerkte Charlet, als Ariel endlich in den Harem zurückkehrte.
»Lady Charlet«, stieß Ariel überrascht hervor und knickste sofort. Sie hatte nicht erwartet, dass die Königsmutter auf sie warten würde. Erst recht nicht in den offiziellen Fluren des Harems. »Ist etwas vorgefallen?«, fragte Ariel sofort, da sie den Grund nicht verstand, dass Charlet sie persönlich abholte.
Charlet stieß erleichtert die Luft aus. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, gestand sie leise. Nach der Hochzeit war sie erst einmal mit zur Burg gereist, um die Lage zu betrachten, doch sonderlich wohl fühlte sie sich hier nicht. »Ich dachte schon, die südländische Königin hätte dir etwas getan.«
Ariel schüttelte leicht den Kopf. »Ich habe den Abend mit Lord Yelir verbracht«, erklärte sie. Sie verstand, warum Charlet nicht viel von Zunae hielt, doch deshalb war sie nicht gleich gefährlich.
»Mit Yelir? So lange?«, fragte Charlet, denn das Abendmahl war bereits vorbei und sie wusste sehr genau, dass er dieses immer mit seiner Frau verbrachte. Warum also heute nicht?
Charlet deutete Ariel an, ihr zu folgen, denn sie wollte nicht im Flur mit ihr sprechen.
Ariel, die sich eigentlich nur zurückziehen wollte, weil sie sich ausgelaugt fühlte, nickte und folgte Charlet in einen kleinen, gemütlichen Raum. Hier standen einige Teller mit diversen Gerichten. Ein großes Stück Schweinerippe mit scharfer Honigsoße, dazu eine große Schüssel mit knackigem Gemüse und eine kleine Schüssel Reis.
Ariel wusste, dass Charlet Reis nicht so gern aß, doch um zu sparen, wurde aktuell sehr viel davon serviert. Es gab zwar auch Kartoffeln und Nudeln, doch viel weniger als zuvor. Zumindest hatte Charlet das Ariel erzählt.
Für Ariel war die Auswahl immer noch reichlich und eigentlich viel zu viel, doch Charlet war wesentlich mehr gewohnt.
Ihrer Meinung nach hatten auch die Qualität der Nahrungsmittel abgelassen, doch das konnte Ariel erst recht nicht einschätzen.
Als sie sich niedergelassen hatte, schon Charlet ihr einen Teller hin. Eine Aufforderung, dass sie essen sollte. Dabei hatte Yelir darauf geachtet, dass sie aß. Er hatte das Essen extra zu sich ins Büro liefern lassen. Für seine Frau hatte er lediglich einen kurzen Brief an das Dienstmädchen gegeben.




Ariel war manchmal noch immer verwirrt, dass ausgerechnet zwei junge Frauen die wichtigsten Positionen in der Burg innehatten, doch wie es schien, funktionierte alles.
»Wie kommt es, dass du Zeit mit Yelir verbracht hast?«, fragte Charlet neugierig und griff nach einem Kaffee, der ebenfalls bereit stand. In den Nordlanden war es schon lange Tradition, eher Kaffee zu trinken, weshalb Charlet damit aufgewachsen war. Nur die alte Königin, Yelirs Mutter, hatte Tee getrunken und alle damit angesteckt. Tee war zwar nicht ansatzweise so teuer wie Kaffee, schmeckt ein Charlets Augen aber auch nach nichts.
»Er hat mich zu sich gerufen, weil er wissen wollte, was ich seiner Frau beibringe«, erklärte Ariel, die nicht ganz verstand, warum auf einmal auch Charlet so neugierig war.
Diese rümpfte die Nase. »Ich bezweifle, dass man eine Südländerin auch nur irgendwas über die Nordlande beibringen kann«, sagte sie herablassend.
Seitdem Zunae ihren Sohn getötet hatte, war der Hass in ihr nur noch mehr gewachsen. Sie konnte ihn kaum zurückhalten, geschweige denn verstecken.
»Für mich machte es den Eindruck, dass Lord Yelir zwar möchte, dass sie die Dinge verstehen lernt, aber nicht bereit ist, sie ihr selbst beizubringen«, versuchte Ariel ihre Empfindungen während der letzten Stunden in Worte zu fassen.
Er war überraschend interessiert in dem gewesen, was sie zu sagen hatte. Als hätte er sich absichtlich unwissend gestellt, nur um zu sehen, wie sie die Dinge formulierte und welche Inhaltsgehalt diese hatten. Oder aber, um das Gespräch am Laufen zu halten. Ariel konnte es schwer einschätzen.
Charlet rümpfte die Nase. »Vielleicht hat er endlich verstanden, was er sich da ins Bett geholt hat«, bemerkte sie. Für sie gab es als Grund nur die Hochzeitsnacht. Es gab keine Informationen darüber, doch beide waren mehrere Tage nicht außerhalb ihrer Räume gewesen. Das sollte ein gutes Zeichen sein, doch auf dem Rückweg hatte Zunae sehr niedergeschlagen gewirkt und Yelir hatte sich keine Ruhe gegönnt. Irgendwas musste da also vorgefallen sein.
Charlet hoffte sehr, dass das dazu führte, dass er endlich Zunaes wahres Gesicht gesehen hatte und sich nun von ihr fernhielt.
»Ich hatte mehr das Gefühl, dass es weniger um seine Frau ging«, murmelte Ariel, die ein wenig rot um die Nase wurde.




Charlet blickte überrascht auf. »Wie meinst du das?«, fragte sie, denn ganz folgen konnte sie Ariel nicht.
Diese befeuchtete sich nervös die Lippen. Ihr Herz schlug bei der Erinnerung an die Zeit mit Yelir schneller. »Er hat mir das Gefühl gegeben, dass er einen Vorwand brauchte«, gestand sie zögerlich.
Charlet runzelte die Stirn. Sie konnte Ariel noch immer nicht folgen, was sie etwas mürrisch machte. »Drück dich deutlicher aus. Ein Vorwand wofür?«, fragte sie barscher als beabsichtigt.
Ariel zuckte leicht. »Um Zeit mit mir zu verbringen«, flüsterte Ariel, die Charlet jedoch nicht ansehen konnte.
Diese riss die Augen auf, bevor sie das Gehörte abwägte.
Yelir, der Zeit mit Ariel verbringen wollte?
Ariel, eine junge Frau aus gutem Hause, doch noch wichtiger war, dass sie eine Nordländerin war. »Willst du damit sagen, dass er Interesse an dir hat?«, fragte Charlet skeptisch.
Ariel war eine Schönheit, das konnte sie nicht leugnen. Allerdings war sie kaum anders als die Nordländerinnen, die Yelir in der Vergangenheit abgelehnt hatte.
Warum also zeigte er plötzlich Interesse an Ariel? Weil sie so schlau war und in politische Angelegenheiten involviert? Das war etwas, das ihr ein Alleinstellungsmerkmal gab. Vielleicht testete er gerade aus, wie gut sie an seiner Seite sein konnte?
Soweit Charlet wusste, hatte Yelir schon sehr früh durchscheinen lassen, dass er eine Frau wollte, die an seiner Seite stand. Diese musste sich natürlich politisch auskennen, um keine Fehler zu machen.
Ariel war viel besser darin, die Königin der Nordlande zu sein. Sie würde nicht all die Fettnäpfchen mitnehmen, in die Zunae bereits voll Freude gesprungen war.
Charlet war noch immer schockiert darüber, dass sie diese wirklich mit den Männern hatte trinken sehen. Wie konnte sie so etwas nur tun? Alkohol sollte für eine Frau Tabu sein. Das gehörte sich einfach nicht.
»Zumindest hatte ich das Gefühl«, erwiderte Ariel zögerlich. Für sie war es schwer einzuschätzen, was Charlet wirklich von dieser Sache hielt.
»Hast du etwa vor, die erste Frau seines Harems zu werden?«, fragte Charlet, die nicht ganz verstand, war Ariel für Ambitionen hatte.
»Ich wäre gern seine Zweitfrau«, gestand Ariel, die sich unter Charlets musternden Blick sehr unwohl fühlte.




Ariel als Zweitfrau. Das war gar keine schlechte Option. Eine weitere Schachfigur, die sie an Yelirs Seite positionieren konnte.
»Das ist keine schlechte Idee«, erwiderte Charlet, wobei sie sich Mühe gab, einen sanften Gesichtsausdruck aufzusetzen. Sie kannte Ariels Gefühle für Yelir nicht, doch ihre Ambitionen passten zu Charlets Zielen. »Du würdest auch viel besser zu ihm passen. Eine Frau, die ihm den Rücken stärkt und nicht noch mehr Arbeit macht«, bemerkte Charlet, die ihre Worte mit Bedacht wählte. Ariel gegen die Südländerin aufzubringen würde sicherlich ein paar Dinge ins Rollen bringen. Was sie dann damit anstellte, würde sie sehen. Zuerst einmal würde sie Ariel deutlich machen, dass sie bereit war, diese zu unterstützen. Als Zweitfrau hätte sie auch eine gewisse Macht, doch was wichtiger war: Sie würde Zunaes Macht damit schwächen.

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