Mirani-Kapitel 27


~Mirani~
Erschöpft von all den Gesprächen, ließ ich mich auf einer Sitzbank an der Seite nieder. Der Tisch war noch nicht eröffnet und mein Hunger wurde mit jedem Moment schlimmer. Mein Magen knurrte bereits, doch die anderen waren noch immer in Gesprächen vertieft. Ich war nur ein Gast und hatte nichts zu sagen, also blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten. Allerdings wurde mir wieder einmal klar, wie anders die Dämmerwüste doch im Vergleich zu meiner Heimat war. Bei uns wäre das dem Gast gegenüber sehr unhöflich gewesen. Wie es wohl in Vaters Reich war?
»Soll ich dir etwas zum Trinken besorgen?«, fragte Asher, der an meiner Seite blieb. So, wie die Alphas auf eine Omega wie mich heruntersahen, taten sie es auch bei Asher. Ich verstand nur nicht warum. Als geborener Alpha sollte er über ihnen allen stehen.
Ich nickte, denn es war sehr warm in diesem Raum. Nicht so heiß wie in der Wüste, aber für mich, die kühlere Temperaturen gewohnt war, sehr anstrengend. Darum fühlte ich mich auch so ausgelaugt.
Als Asher ging, schloss ich meine Augen und lehnte mich zurück. Mein Kleid war zum Glück recht luftig und der sanfte Nieselregen half mir etwas, doch es war nichts im Vergleich zu meinem Nebel. Ich vermisste ihn, zusammen mit dem Duft des Grases, der Bäume und des Mooses.
»Geht es dir nicht gut?«, erklang eine Stimme, die mich zucken ließ.
Sofort öffnete ich meine Augen und starrte Nael an, der direkt vor mir stand und mich anlächelte.
»Es ist zu warm«, erwiderte ich, denn das war kein Geheimnis. Außerdem war ich nicht so unhöflich wie er.
Nael lachte. Es gab mir das Gefühl, dass er mich auslachte, auch wenn er das nicht direkt tat. »Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, sich an die Wärme zu gewöhnen«, sagte er, wobei ich immer noch das Gefühl hatte, er machte sich über mich lustig. Wäre er ein Gentleman, würde er mir, wie Asher, etwas zu trinken anbieten. Aber das Gegenteil war der Fall. Ich war ihm völlig egal.
Er streckte seine Hand auffordernd in meine Richtung. »Möchtest du mit mir tanzen?«, fragte er noch immer lächelnd. Ich spürte, dass es eigentlich nur eine richtige Antwort auf diese Frage gab. Seine Aura legte sich leicht um mich und sorgte dafür, dass ich mich gedrängt fühlte. Dabei ignorierte er offenbar, dass ich erschöpft war. Mich bei dieser Hitze zu bewegen, kam gar nicht in Frage.
»Danke, aber es ist zu heiß«, erwiderte ich und versuchte meine Lippen zu einem Lächeln zu verziehen. So richtig wollte es mir jedoch nicht gelingen. Seine Arroganz rieb an meinen Nerven.
Naels Lippen verzogen sich kaum merklich. »Bist du dir sicher, dass du ablehnen willst?«, fragte er fast schon unschuldig, doch die Drohung in seinen Worten war deutlich. Was war nur mit dieser Familie los? Warum glaubten sie alle, sie würden aufgrund ihres Status das Recht haben, mich derart zu behandeln? Hätte ich das gewusst, hätte ich abgelehnt, überhaupt hierherzukommen.
»Ich möchte wirklich nicht«, wiederholte ich, wobei ich ihn anlächelte. Es war lächerlich, dass ich es wirklich noch einmal sagen musste. Verstand er nicht, dass ich nicht wollte?
»Das kann ich nicht zulassen«, sagte er und streckte seine Hand nach mir aus.
Sofort wich ich zur Seite aus. Hinter mir war nur die Wand, die meine Bewegungsfreiheit einschränkte.
Sein Griff ging ins Leere, doch mein Herz begann, heftig zu schlagen. Ich wollte nicht, dass er mich berührte. Seine Vergangenheit interessierte mich nicht. Sicherlich war sie voller unschöner Begebenheiten, die ich gar nicht erst in mein Leben lassen wollte.
Ein Knurren verließ seine Lippen und sein Blick wurde wütend. »Wie kannst du, einfache Omega, es wagen, mich, einen Beta, abzulehnen?«, fragte er, wobei sein Körper vor Verärgerung bebte.
Ich konnte ihn einfach nicht ernst nehmen. Ihm war sein Status wirklich so zu Kopf gestiegen, dass er anscheinend dachte, dass jeder sich ihm unterwerfen würde, der nicht als Alpha geboren war. Wie lächerlich.
Nicht einmal Alphas besaßen diese Macht. Die Chemie musste stimmen und das war bei uns definitiv nicht der Fall. Schon allein, weil ich nicht zu seinem Rudel gehörte.
Als er erneut nach mir greifen wollte, schob sich Asher vor mich und hielt seine Hand auf. Seine Finger schlossen sich fest um Naels Armgelenk. Ich konnte sehen, wie seine Knöchel weiß hervortraten und Nael den Mund verzog. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst sie nicht anfassen?«, knurrte Asher, wobei seine Aura an Intensität zunahm. Bei ihm würde es mir vermutlich schwerfallen, zu widersprechen, wenn er sie bei mir nutzte. Eine Erkenntnis, die mich wirklich überraschte.
»Ich habe sie nur zum Tanzen aufgefordert«, sagte Nael unschuldig.
Ich versuchte nicht zu seufzen. Dachten sie denn, die Regel, dass sie mich nicht anfassen sollten, war dazu da, um mich zu schützen? Oder gingen sie davon aus, dass es nicht stimmte, weil Asher mich berühren konnte? Ich konnte es nicht sagen, doch sie nahmen mich offensichtlich nicht ernst. Nicht einmal meine Gabe.
»Du hast schon wieder versucht, sie anzufassen«, knurrte Asher, der Nael mit einer Bewegung von sich schob, bevor er sich zu mir wandte. »Bist du in Ordnung?«, fragte er, wobei seine Stimme ein wenig sanfter wurde.
Ich nickte, während ich aus dem Augenwinkel Rashid bemerkt. Er kam direkt auf uns zu.
»Asher. Du sollst aufhören, deinen kleinen Bruder zu ärgern«, sagte er harsch.
»Er beachtet die Regeln nicht«, erwiderte Asher, der sich vor mir aufbaute, um mich zu schützen.
Rashid blickte ihn wütend an. »Hör auf, dich wegen einer Omega so aufzuführen. Ist doch egal, wenn er sie berührt«, sagte er, wobei eine ähnliche Verärgerung in seiner Stimme mitschwang.
Ihre Auren rieben sich aneinander und verursachten bei mir eine Gänsehaut.
»Hört auf zu streiten«, tadelte die laute Stimme Rhaems und nur widerwillig wandte sich Rashid ab.
Nael warf mir noch einen Blick zu, den ich nur schwer deuten konnte. Er war nicht direkt wütend, verursachte aber einen kalten Schauer, der über meinen Rücken wanderte. Wie ein Raubtier, das seine Beute gewählt hatte.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Es machte mich unglaublich wütend, wie herablassend sie andere behandelten. Nicht speziell, weil es mich traf. Ich gab mich als Omega aus, da war das zu erwarten gewesen, doch dass sie auch Asher so behandelten, der nicht nur ein Alpha, sondern auch ihr Bruder war, schürte meine Wut nur noch mehr.
Das nächste Mal, wenn Nael mich berührte, würde ich es zulassen und so tief graben, bis ich etwas gegen ihn in der Hand hatte.
Ich war hier, um zu helfen, doch das hieß nicht, dass ich mich herumschubsen lassen würde.
Meine Mutter war die Alpha der Aethelhain-Inseln und ich hatte von meinem Vater gelernt, wie man sich in einem Kampf behaupten konnte. Es wurde Zeit, dieses Wissen wieder abzustauben und einzusetzen. Wenn ich damit Asher ein wenig helfen konnte, würde ich das tun.

























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