Mirani-Kapitel 29

~Mirani~

Der Raum war erfüllt vom Duft gebratener Gewürze, doch mir war nicht wirklich nach Essen zumute. Trotzdem versuchte ich die Speisen, die so ganz anders waren, als in meiner Heimat.
Der gekühlte, fermentierte Ziegenmilchtrunk war lecker und kühlte mich, doch den gefüllten Teigrollen mit Dattelpaste konnte ich nicht so viel abgewinnen.
Ich hörte, wie Messer über Teller kratzten, Stimmen murmelten und höflich gelächelt wurde. Obwohl sie leise sprachen und vermutlich dachten, dass ich es nicht hörte, kam jedes Wort bei mir an. Das Gesprächsthema war ich. So, wie ich es schon erwartet hatte.
Während Asher mir die Speisen näher brachte und der einzige war, der mit mir statt über mich sprach, versuchte ich mich zu zwingen, zu essen. Ich war nach der Reise hungrig und brauchte es. Trotzdem kam ich nicht umhin, immer wieder auf meine Finger zu blicken und die Entscheidung, die ich getroffen hatte, zu hinterfragen. Dass ich mich beobachtet und unwohl fühlte, machte mir nur deutlicher, dass die Entscheidung richtig war.
»Ist es wahr, dass Maeve Euch verboten hat, sie anzufassen?«, fragte Halima Basram, sodass ich es hören konnte, direkt an Zahira gerichtet. Die Art, wie sie die Worte sprach, zeigte mir, dass es ihr gar nicht gefiel. Sie hatte eine abwehrende Haltung.
»Diese Regel ist nicht für mich, sie ist für euch«, sagte ich, wobei ich mir nicht einmal die Mühe machte, die beiden Frauen anzusehen. Ein bewusstes Anecken mit den Regeln meinerseits. Ich wusste, dass es unhöflich war, doch das war auch ihr Verhalten. Warum also nicht genauso mit ihnen umgehen, wie sie mit mir umgingen?
Meine Worte erreichten nicht nur die beiden Frauen, sondern auch Rhaem und Rashid. Ich spürte beide Blicke auf mich und bemerkte Asher neben mir, der sich versteifte.
»Du bist nur eine Omega. Glaubst du wirklich, dass deine Gabe bei uns funktioniert? Asher ist ein Alpha und ist davon unbeeindruckt«, bemerkte Rhaem, der mit ruhiger Stimme sprach, doch die Ablehnung in seinen Worten war deutlich zu hören. Ich verstand nicht, wieso. Ich war hier, um zu helfen. Konnten sie das nicht ein wenig wertschätzen? Manchmal bekam ich das Gefühl, sie wollten überhaupt nicht, dass ich mich einmischte. Warum war Zahira dann überhaupt zu meiner Mutter gegangen?




»Es liegt nicht daran, dass Asher ein Alpha ist, dass er mich berühren kann, ohne dass meine Gabe sofort anspringt. Ich kann sie bei Berührungen nicht kontrollieren«, erklärte ich und wischte mir leicht den Mund, bevor ich aufblickte und Rashids Blick direkt begegnete. Er saß mir gegenüber, wie auch der Rest der Familie. Nur Asher saß neben mir auf meiner Seite, weshalb ich mich definitiv ungewünscht fühlte.
Nael lachte leise. »Denkst du wirklich, dass deine Gabe stark genug für einen Alpha ist?«, fragte er mit einem Ton, der mir zeigte, dass er nicht daran glaubte.
»Haben wir Beweise dafür?«, fragte Rashid in die Runde, der zu seiner Mutter blickte.
Diese runzelte die Stirn. »Bisher konnte ich nur sehen, dass sie bei Asher und dem toten Wolf nicht funktioniert. Bei dem Ring hat es jedoch ohne Probleme funktioniert.« Hatte Zahira überhaupt aufgepasst, was geschehen war?
»Hah«, stieß Nael siegessicher hervor, was mich leicht den Mund verziehen ließ. »Seht ihr! Das ist alles nur gespielt. Ich bin sicher, dass ihre Gabe bei ranghöheren Wölfen nicht funktioniert. Darum sieht sie auch nichts, wenn sie die toten Wölfe berührt.«
Ich versuchte nicht zu seufzen. Bisher hatte ich nur einen einzigen Wolf berührt und konnte nicht sagen, ob das bei anderen auch so war.
Warum versuchte Nael also es so hinzustellen?
»Maeve hat mich selbst davor gewarnt, dass sie ihre Gabe bei Lebewesen nicht kontrollieren kann«, mischte sich plötzlich Zahira ein, die unsicher klang. Allerdings ging sie nicht so weit, ihren Sohn zu tadeln, obwohl er es verdient hätte. Ihre Erziehungsmethoden stießen bei mir definitiv nicht auf Freude. Aber ich musste mich in diese Familiendynamik auch nicht einmischen. Sollte mich nicht einmischen.
Mein Blick huschte ganz kurz zu Asher.
Warum machte es mich so wütend? Asher war zwar während der Reise für mich da gewesen, doch ich schuldete ihm nichts. Warum wurde ich also sauer, wenn sie ihn ausgrenzten und er darunter litt? Es sollte mir egal sein!
»Warum kann sie dann Asher ohne Probleme berühren?«, fragte Nael, der scheinbar nicht aufgeben wollte. »Ich bin sicher, dass es daran liegt, dass er ein Alpha ist.«
Innerlich seufzte ich. »Ich kann es euch auch nicht erklären«, erwiderte ich, auch wenn mir niemand zuhörte.




»Hat sie denn schon jemand anderen berührt und ist da was passiert?«, fragte Nael, der mich ignorierte und von seiner Mutter zu Rashid blickte. Ich schielte zu Asher, der sich versteifte. Er war der einzige, der bisher etwas in diese Richtung gesehen hatte. Allerdings schwieg er. Vermutlich, weil er meine Schwäche nicht noch deutlicher offenbaren wollte.
Zahira hob nachdenklich die Hand an ihre Lippen, während sie mich betrachtete.
Ich ahnte Schlimmes und legte vorsorglich Asher sanft eine Hand auf die Oberschenkel. Hoffentlich verstand er, was ich meinte. Sollte es zu Berührungen kommen, würde ich es dieses Mal zulassen.
»Nein. Bisher habe ich es noch nicht gesehen«, meinte Zahira schließlich, klang aber ein wenig besorgt.
Nael grinste und erhob sich, bevor er um den Tisch herum kam.
Ich erhob mich ebenfalls, doch als Asher ebenfalls aufstehen wollte, berührte ich ihn erneut leicht. Er erhob sich dennoch, blockierte Nael aber nicht. Stattdessen stand er hinter mir, als würde er sich bereit machen, mich aufzufangen, sollte ich in die Knie gehen.
»Dann probieren wir es doch«, sagte er gut gelaunt.
»Du bist kein Alpha«, bemerkte Asher, der die Gelegenheit scheinbar nutzte, um ihn ein wenig zu ärgern.
Nael verzog den Mund. »Aber ein Beta, wie der tote Wolf«, behauptete er.
Ich war mir nicht sicher, ob dieser ein Beta gewesen war. Wenn dann vermutlich ein schwacher, denn warum sollte er zu einer Handelskarawane gehören, wenn er so mächtig war? Oder gehörte ihm die Karawane?
»Wenn du dir sicher …«, setzte ich an, doch bevor ich meine Zustimmung geben konnte oder ihn warnen konnte, legte er bereits seine Hand an meine Schulter.
Ich spürte den Sog nicht sofort, was mich überraschte, doch ich wehrte mich auch nicht aktiv dagegen. Darum spürte ich nur wenig später, wie Naels Vergangenheit mich zu sich zog.
Ich hatte nur wenig Zeit, weshalb ich so viel sehen wollte, wie möglich.
Nael stand vor seinem Spiegel. »Heute werde ich Asher den Rest geben. Das Mädchen ist meine«, grinste er sich selbst an. Die Gefühle, die auf mich übergingen, waren völlig verzerrt.
Ich sprang weiter zurück. Unterhaltungen mit Rashid, anderen Betas aus dem Rudel und schließlich bis zu einer Frau, mit der Nael schlief. Ich spürte keine Gefühle für sie, nur das Gefühl des Gewinnens.




Als ich noch weiter zurücksprang, kam ich zu einer Szene mit Nael und dieser Frau. Eine Szene, die mich so mit Wut füllte, dass es mir gelang, die Verbindung von mir aus abzubrechen.
Ohne darüber nachzudenken, ließ ich meiner Wut freien Lauf. Ich hob meine Hand, die mit einem lauten Knall Naels Wange traf und ihn von den Füßen riss, sodass dieser zu Boden ging. Mein Atem ging schnell und angestrengt, während ich das Knurren unterdrückte. »Du dreckiger Mistkerl. Wag es nie wieder, mich anzufassen«, knurrte ich, bevor ich würgte. Ich hatte gewusst, dass seine Beziehung zu Asher kompliziert war, doch dass er wirklich so ein Mistkerl war und zu solchen Mitteln griff, hatte ich nicht erwartet.
Mein Körper zitterte, während weitere Bilder auf mich einschlugen, obwohl ich Nael schon lange nicht mehr berührte.
Ich hörte das Raunen, doch konzentrieren konnte ich mich darauf nicht. Stattdessen fiel es mir schwer, überhaupt stehen zu bleiben.
Jemand packte mich und instinktiv, weil das Gefühl von Nael noch in mir aufwallte, schlug ich um mich.
Asher, dem ich im Gesicht erwischte, machte ein sanftes Geräusch, um mich zu beruhigen, doch es war sein Duft, der mich langsam wieder beruhigte.

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