Mirani-Kapitel 32

~Mirani~

Als ich am Morgen erwachte, spürte ich Ashers Finger über meinen Rücken wandern.
Hatte er mich die ganze Nacht gestreichelt?
Ich brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass ich in seinen Armen lag und er mich hielt.
»Hast du gut geschlafen?«, fragte er, wobei seine Stimme besorgt klang.
Ich rieb mir die Augen und sah zu ihm auf. Sein Gesicht zeigte Sorge, die ich nicht ganz verstand.
»Habe ich«, erwiderte ich, denn der Traum von meinem Vater hing noch immer nach.
»Du hast dich am Anfang ziemlich gewunden«, erklärte er noch immer besorgt und fuhr mit seinen Fingern über mein Gesicht.
»Habe ich?«, fragte ich, weil ich nicht genau verstand, was er meinte.
Dann erinnerte ich mich jedoch daran, dass ich nicht sofort von meinem Vater geträumt hatte.
Bei der Erinnerung daran, verzog ich meinen Mund. Sollte ich Asher darauf ansprechen? Würde er mir davon erzählen?
Amira war seine Verlobte gewesen und er hatte Gefühle für sie. Vielleicht hatte er diese noch immer.
»Erst, als ich dich umarmt habe, bist du ruhiger geworden«, schmunzelte er.
Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg und vergrub mein Gesicht peinlich berührt an seiner Brust.
»Ich habe von dem geträumt, was Nael getan hat«, flüsterte ich und krallte mich an ihm fest.
»Das ist lange her«, erwiderte Asher, der seine Arme um mich schlang. »Ich habe verstanden, dass Amira mich nie geliebt hat und nur auf die Vorteile meiner Familie aus war. Da ist sie mit Nael besser bedient«, erwiderte er. In einem Ton, der mich zucken ließ. Er hielt selbst nicht viel von sich, wie es schien.
Ich hatte mich selbst zu einer Ausgestoßenen aus meiner Familie gemacht. Meine Gabe hatte mich dazu gezwungen. Aber eines konnte ich mir immer sicher sein: der Liebe meiner Familie.
Aber Asher … wurde von denen ausgestoßen, die ihn lieben sollten und das, obwohl er ein Alpha war. Er sollte an der Stelle seines Bruders stehen. Der Erbe seines Clans sein und die Anerkennung seines Vaters ernten. Er hatte nichts falsch gemacht!
»Ich kann es nicht glauben, dass sie dich für so einen Arsch verstoßen hat«, knurrte ich leise.
Fell begann über meine Arme zu wandern und ich spürte, wie mein Wolf die Kontrolle übernehmen wollte.




Asher machte ein beruhigendes Geräusch und kraulte meinen Nacken.
Kaum berührte er diesen, spürte ich, wie die Wut von mir abfiel und ich mich wieder entspannen konnte.
»Ich bin dir dankbar, dass du meinetwegen wütend bist, aber es belastet dich. Das will ich nicht«, flüsterte er, bevor er mich erneut in einen Kuss zog, der meinen ganzen Körper kribbeln ließ.
Dieses Mal war er nicht so vorsichtig und sanft. Er war fordernd, ja regelrecht wild und mir gefiel es.
Ohne groß nachzudenken, erwiderte ich seinen Kuss hungrig und drückte mich fest an ihn.
Mir kam der Gedanke, wie verlockend es war, den ganzen Tag im Bett zu verbringen und nichts anderes zu tun, als Asher zu streicheln und ihn zu küssen. Von ihm gestreichelt und geküsst zu werden.
Mir gingen Vaters Worte durch den Kopf. Ich war noch nie so wütend auf jemanden gewesen, dass ich meine gute Erziehung derart vergaß. In mir kam der Drang auf, Nael eine Lektion zu erteilen und ihn vor mir kriechen zu sehen.
Diese Gedanken sollten mich erschrecken, und hätten es bis vor ein paar Tagen sicher auch, doch nicht so heute. Stattdessen spürte ich bei der Vorstellung Genugtuung.
»An was denkst du?«, fragte Asher, der seinen Blick über mein Gesicht wandern ließ. Seine Augen blieben auf meinen Lippen hängen und erst jetzt wurde mir klar, dass ich lächelte.
Es musste hinterhältig aussehen, was sollte ich ihm denn darauf antworten?
»Ich habe mich gerade gefragt, ob wir den ganzen Tag in deinem Zimmer bleiben können«, murmelte ich, wobei die Röte mir ins Gesicht stieg. Es war keine Lüge, hatte ich davor doch wirklich daran gedacht, doch zusammen mit dem Lächeln … ich wollte gar nicht wissen, an was er jetzt dachte.
Asher hielt inne und grinste mich an. »Das können wir bestimmt, aber dann werden meine Brüder nerven kommen«, bemerkte er.
Scheinbar hatten seine Brüder keinen Respekt vor Privatsphäre. Aber so, wie ich sie kennengelernt hatte, wunderte mich das nicht. »Ich würde mit dir lieber in die Stadt gehen. Dort können wir uns ein ruhiges, ungestörtes Plätzchen suchen.«
Ich spürte, wie die Hitze in meinen Wangen schlimmer wurde. Das klang verlockend und trotzdem irgendwie verboten. Lag ich richtig, dass er sich mit mir in ein Hotel zurückziehen sollte, damit wir unsere Zweisamkeit genießen konnten, oder interpretierte ich zu viel hinein.




Ich stieß ein leises Husten aus und räusperte mich dann. »Klingt … verlockend«, brachte ich hervor und entschied mich dazu, es darauf ankommen zu lassen.
Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, gestört zu werden. Erst recht nicht von seinen Brüdern. Dann würde ich mich erst recht nicht zurückhalten können.
Im Flur hörte ich Schritte, die mich nervös machten, doch sie liefen vorbei. Dabei konnte ich ein Flüstern aufschnappen. »Kein Wunder, dass Asher sonst nicht an den Festen teilnimmt. Er hat sich wieder blamiert«, bemerkte eine Stimme, was mich zucken ließ. Es war eine Frau und vermutlich ein Dienstmädchen.
»Eine Omega als Partnerin mitzubringen. Wie respektlos.«
»Ich habe gehört, sie soll sehr schön sein.«
Ich ballte meine Hand wütend zur Faust. Waren sie nicht darüber informiert, dass ich ein Gast der Familie war? Wieso sprachen sie so abfällig?
»Was ist?«, fragte Asher, der meinen Stimmungswechsel bemerkt zu haben schien.
Ich stieß die Luft aus. Er sollte es auch gehört haben, aber vermutlich ahnte er nicht, dass es auch mir zu Ohren gekommen war.
»Ich habe gerade festgestellt, dass ich sogar eure Diener unhöflich finde«, murmelte ich und überließ es seiner Vorstellung, wie ich auf diese Sache gekommen war.
Asher lachte leise und küsste meine Stirn, bevor er sich langsam aufsetzte. »Diener spiegeln die Kultur ihrer Herren wieder.«
Damit hatte er definitiv Recht. Kein Diener auf den Aethelhain-Inseln würde jemals so abfällig über ein Familienmitglied sprechen. Ob Omega oder nicht.
Asher setzte sich schließlich auf und schwang die Beine aus dem Bett. »Lass uns in die Stadt gehen«, schlug er vor, als würde er mich damit auf andere Gedanken bringen wollen.
Ich spürte noch immer die Hitze, die mich erfasst hatte. Waren meine Gedanken vielleicht falsch und er tat es gar nicht meinetwegen, sondern weil er einfach das Haus seiner Familie verlassen wollte?
Vielleicht waren es auch beide.
»Das klingt gut«, sagte ich und schwang meine Beine ebenfalls aus dem Bett.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer das Kleid trug, das völlig zerknittert war. Außerdem hatte sich meine Schneeflockenspange gelöst und ich fand sie sicher verwahrt auf einem Nachttisch wieder.




War das Asher gewesen?
»Vorher sollte ich mich aber umziehen«, bemerkte ich, denn so konnte ich nicht nach draußen. Das Kleid war nicht mehr vorzeigbar und auch voller Schweiß.
»Du kannst mein Badezimmer benutzen«, schlug Asher vor, der sich streckte. Auch seine Kleidung war zerknittert, aber irgendwann hatte er zumindest die Lederrüstung abgelegt, sodass nun seine Brust frei lag.
Ich folgte den Bewegungen seiner Brustmuskeln und kam nicht umhin, festzustellen, dass er viel muskulöser war, als ich angenommen hatte. Durch seine eher drahtige Erscheinung hatte ich nicht mit so vielen Muskeln gerechnet.
»Danke«, erwiderte ich und sah mich um.
Asher bewegte sich auf eine Wand zu und schob dort einen der vielen Wandteppiche zur Seite, sodass eine Tür zum Vorschein kam.
Überrascht folgte ich, als er diese öffnete, warf aber noch einmal einen Blick in den Raum. Es gab viele solcher Wandteppiche und ich begann mich zu fragen, ob es noch mehr versteckte Türen gab.

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