Mirani-Kapitel 34

~Asher~

Während wir durch die Innenhöfe schritten, konnte ich nicht anders, als Mirani anzusehen. Sie lief beschwingt und glücklich, doch in mir stieg der Wunsch auf, nicht mehr in die Stadt zu gehen. Es gab andere Dinge, die meine Haut zum Kribbeln brachten.
Schließlich gab ich den Drang nach und blieb stehen.
Mirani machte einen weiteren Schritt, bevor sie es bemerkte und sich fragend zu mir umdrehte.
»Kämpf mit mir«, sagte ich unumwunden.
Sie blinzelte mich an. Verwundert, als hätte sie diese Bitte nicht kommen sehen. Dabei hatte sie es förmlich herausgefordert. Erst hatte sie mir von der Alpha-Aura erzählt und dann hatte sie Rashid mit einem einzigen Schlag zu Boden befördert.
Das war kein Zufall und erst recht keine verzweifelte Verteidigung. Nein, es war Kontrolle und Präzision, wie ich sie bisher noch nie gesehen hatte. Nicht einmal bei Mutter.
»Jetzt? Hier?«, fragte sie, wobei ein Schmunzeln ihre Lippen überzog.
Mich packte ein Schauer. Sie war nicht abgeneigt. Im Gegenteil. Sie schien die Idee sogar zu mögen, so wie ihre Augen funkelten.
Ich blickte mich suchend um. Was ich tun würde, wenn sie zustimmte, hatte ich mir noch nicht überlegt, doch ich wollte nicht, dass uns jemand beobachtete. Aber gleichzeitig wollte ich auch nicht, dass sie von der Hitze zu sehr vereinnahmt wurde.
»Es gibt ein altes Trainingsgelände. Dort sind wir ungestört«, bemerkte ich. Es lag abseits der Stadt, in einem Teil, der nicht mehr genutzt wurde. Bei einem Erdsturz war es teilweise unter Trümmern begraben worden.
Miranis Augen funkelten noch mehr. »Du darfst dich aber nicht zurückhalten«, legte sie fest, bevor sie sich einfach so meinen Arm schnappte und auffordernd daran zog. Ich hatte das Gefühl, dass sie eigentlich eine Person war, die Nähe sehr mochte und auch suchte, sich aber zurückgezogen hatte, weil sie mit Schmerzen rechnete. Sie tat mir leid. Es musste schwer für sie gewesen sein.
»Ich verspreche es«, versicherte ich, denn mich interessierte, wie stark sie wirklich war. Wie weit würden mich meine Kräfte bringen, bevor ich eine Chance gegen sie hatte?
Ich führte Mirani durch die Stadt, bis wir das alte Gelände erreichten.
Ihre Augen strahlten, als sie sich umsah. Meiner Meinung nach war das hier der perfekte Ort. Er lag abseits des Trubels und konnte ruhig in Mitleidenschaft gezogen werden.




»Ich kann mir vorstellen, dass es hier einmal sehr schön war«, sagte sie, während sie ihren Mantel ablegte. Vermutlich, damit sie sich besser bewegen konnte.
Ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden, denn sie trug lockere Kleidung, die ihren Körper trotzdem gut betonte.
»War es«, versicherte ich, auch wenn ich nur mit einem halben Ohr zuhörte.
Die Art, wie sie sich bewegte, faszinierte mich heute nur noch mehr. Sie war einfach so geschmeidig, dass ich nicht wegsehen konnte.
Egal, wie ich es betrachtete, passte alles nicht zusammen. Sie konnte einfach keine Omega sein und das wollte ich mir mit diesem Kampf beweisen.
Nur schwer riss ich mich von ihrem Anblick los, doch als sie begann, sich zu strecken, entschied ich mich dazu, meinen Mantel ebenfalls abzulegen. Er wäre in einem Kampf nur im Weg.
Während ich mich in Position begab, streckte ich mich auch noch ein wenig. Obwohl ich eigentlich regelmäßig meinen Frühsport machte, hatte ich das die letzten Tage doch ziemlich vernachlässigt. Genau genommen, seitdem ich auf die Reise zu den Aethelhain-Inseln gegangen war. Vermutlich war ich also ein bisschen eingerostet.
Als ich stand, wandte ich mich zu Mirani um, die mir locker gegenüberstand. »Bereit?«, fragte ich.
Das Lächeln auf ihren Lippen sagte mir alles, doch erst, als sie nickte, bewegte ich mich. Ich war neugierig, wie gut sie war, weshalb ich sofort auf sie zustürmte. Mit einer ähnlichen Schnelligkeit wie bei dem Skorpion. Notfalls würde ich anhalten können, wenn sie nicht reagierte.
Miranis Augen fixierten mich, doch sie bewegte sich nicht, weshalb ich fast gestoppt hätte. Dann bemerkte ich aber, dass sie sich bewegte und in einer schnellen, aber recht kurzen Bewegung auswich. Mein Schlag ging an ihrer Schulter vorbei und sie brachte mit einem leisen Lachen wieder etwas Distanz zwischen uns.
Sie bewegte sich schnell, fließend und mit Leichtigkeit. Ich konnte ihren Bewegungen jedoch folgen.
Noch.
Als sie einen Gegenangriff startete, war sie kaum schneller und es wäre ein leichtes gewesen, ihr auszuweichen, doch ich ließ zu, dass der Angriff mit ihrer flachen Hand meine Seite traf, auch wenn ihr Ziel definitiv mein Brustkorb gewesen war.




Die Wucht, die mich erwischte, war so stark, dass ich keuchend zurück stolperte.
Mirani blickte mich überrascht an. »Na sowas. Ich war mir sicher, dass du dem ausweichen kannst«, sagte sie mit einem belustigten Ton, der mein Blut in Wallung brachte.
Wo war das schwache, schüchterne Mädchen hin, das sie mir bisher gezeigt hatte?
»Ich muss doch wissen, mit was ich zu rechnen habe«, erwiderte ich mit einem bemühten Lächeln, doch die Wucht lag mir noch in den Knochen, auch wenn meine Heilkräfte arbeiteten. Es gelang mir sogar schon wieder normal Luft zu holen, obwohl sie mir gerade noch aus den Lungen gedrückt worden war.
Die Hitze des Kampfes vermischte sich mit der Lust, die Mirani in mir auslöste. Sie war faszinierend und ich fragte mich unweigerlich, ob sie auch im Bett eine solche Eleganz an den Tag legte.
Nein, ich musste mich konzentrieren. Das waren die völlig falschen Gedanken. Wichtig war der Kampf und ihre Stärke!
Bevor meine Gedanken noch weiter abdrifteten, entschied ich mich dazu, erneut anzugreifen. Dieses Mal schneller, da sich mein Blut bereits in Wallung befand. Ihr Treffer hatte meine Fähigkeit angeheizt und die dadurch entstandene Kraft nicht zu nutzen wäre schade.
Außerdem wusste ich jetzt, wie schnell sie war und hatte daher keine Sorge, als ich mit meiner Faust auf ihr Kinn zielte.
Obwohl es mein Ziel war, sie dieses Mal zu treffen, bemerkte ich, wie sie sich meinem Angriff entwand, meinen Arm packte und ich den Boden unter den Füßen verlor. Es ging alles so schnell, dass ich einen Moment zu lange brauchte, um zu realisieren, dass ich geworfen wurde.
Erst, als ich mit dem Rücken im Sand landete, wurde mir klar, was sie geplant hatte.
Der Aufprall kam unerwartet und heizte meine Kräfte nur noch weiter an, weshalb ich sofort wieder aufsprang.
Mirani lachte strahlend und brachte erneut ein wenig Distanz zwischen uns.
Wie sie leichtfüßig über den Sand tänzelte und ihr silbernes Haar dabei flog, wirkte es fast, als würde sie tanzen. Ein Tanz, der mich völlig in seinen Bann zog.
Ich winkte sie heran. Ich war gespannt, was sie tun würde, wenn sie den Angriff ausführte.
Ich bemerkte ihren Angriff, der dieses Mal auf meinen Magen zielte.




Ihre Faust wirkte klein, fast unscheinbar und doch hatte ich gesehen, wie stark sie damit war.
Dieses Mal gelang es mir jedoch, auszuweichen. Allerdings reichte das nicht, um Miranis Angriff zu stoppen. Sie setzte ihn fort, doch ich wich weiter aus.
Bis ich plötzlich am Arm getroffen wurde und ihre Faust mich streifte.
Meine Kraft begann erneut zu pulsieren und ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus.
Sie wurde schneller, doch das wurde auch ich.
Trotzdem stellte ich fest, dass sie mich langsam bedrängte. Ich hatte nicht erwartet, dass sie mit meiner Gabe mithalten konnte.
In einer gezielten Bewegung packte ich ihren Arm, nutzte ihre eigene Schnelligkeit und warf sie über meine Schulter in die Luft.
Ihr melodisches Lachen erklang, als sie sich im Flug drehte und auf ihren Füßen landete.
Mein Herz klopfte aufgeregt in meiner Brust. Das hier war nicht ihr Maximum. Sie begann gerade erst!
Nicht nur stark, sondern auch schnell. Ich hatte noch nie so viel Spaß in einem Kampf gehabt!
Wir beide tanzten umeinander und versuchten, den Schwachpunkt des anderen zu finden, um einen Treffer zu landen.
Meine Kräfte in mir knisterten und wollten, dass ich sie entlud, doch ich hielt mich zurück. Wenn ich Mirani mit aller Kraft traf, könnte ich sie verletzen.
»Willst du deine Kräfte nicht nutzen?«, fragte sie neckend, als wüsste sie, dass ich mich zurückhielt.
Ich lächelte schief, während ich ihren Angriffen auswich. »Ich bin nicht kontrolliert genug«, erwiderte ich mit schwerem Atem. Nicht, weil ich außer Atem war, sondern, weil es mich anstrengte. Trotzdem wollte ich nicht aufhören.
Erneut lachte Mirani. »Dann sollten wir das hier beenden«, bemerkte sie.
Vor meinen Augen bewegte sich etwas, das ich nicht ganz benennen konnte. Als würde sich sanfter Nebel um Mirani bilden.
Dann war sie plötzlich verschwunden.
Überrascht nahm ich ihre Präsenz hinter mir wahr, doch da war es schon zu spät. Ihr Angriff traf mich und schickte mich zu Boden.
Ein Keuchen verließ meine Lippen und meine angestaute Kraft wich. Der Kampf war vorbei und sie hatte gewonnen!
Erschöpft setzte ich mich auf. »Das war richtig gut«, sagte ich zufrieden, doch auch erschöpft.
Mirani kam um mich herum und ließ sich nieder. Schweiß hatte sich auf ihrer Stirn gebildet, doch sie grinste.




»Du bist echt gut. Ein wenig länger und du wärst stärker und schneller als ich. Aber ich glaube, dein Körper ist für diese Kraft noch nicht bereit«, bemerkte sie und nahm meinen Arm.
Ich spürte es überall kribbeln, was bei meiner Gabe normal war. Darum hatte ich gar nicht bemerkt, dass an meinem Arm die Haut gerissen war und nun Blut tropfte.
Ich starrte die Stellen an, die sich nicht sofort schlossen. Als würde meine Selbstheilung nicht richtig funktionieren.
Mirani fuhr sanft mit den Fingern über die Wunden. »Du musst lernen, deine Grenzen zu kennen, sonst wird es für dich gefährlich«, sagte sie sanft.
Ihr Brustkorb hob und senkte sich, doch sonst zeigte sie kaum Anzeichen von Erschöpfung.
»Danke für den Kampf. Er war sehr erleuchtend. Und auch danke für deine Hilfe auf der Insel mit den Rakshasa.«
Mirani winkte ab. »Das war überhaupt nichts. Immerhin hatte ich meinen Nebel dabei«, sagte sie, was mich die Augen ein wenig weiten ließ.
Nebel. War es das, was ich gerade gesehen hatte?
Mein Herz klopfte heftig, doch dieses Mal, weil ich das Gefühl hatte, meine Vermutung bestätigt zu haben.
»Kannst du mir beibringen, wie ich meine Alpha-Gabe zu nutzen habe?«, fragte ich direkt, was sie überrascht aufsehen ließ.
Sie legte ihren Kopf in einer Geste schief, die sie wie eine niedliche Katze wirken ließ. »Wieso glaubst du, dass ich sie dir beibringen könnte?«, wollte sie wissen und blickte mich aus zusammengekniffenen Augen an.
Ich grinste lediglich. »Deine Mutter ist eine geborene Alpha, wie du sagtest. Und ich bin mir sicher, dass du sehr viel Erfahrung damit hast.«
Mirani verzog die Lippen und musterte mich weiter. Sie wirkte etwas unzufrieden, aber nicht verändert. Vielleicht gefiel es ihr nicht, dass ich ihr Geheimnis erraten hatte. Aber ich würde es niemanden verraten.
Auch, wenn ich mich fragte, wie es möglich war, dass ich ihre Aura nicht spüren konnte. Sonst wäre sie nie und nimmer als Omega durchgegangen.

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