Mirani-Kapitel 9

~Mirani~

Die Wesen, die zu groß für Tiere und zu verformt für Menschen waren, hatten ihre Mäuler weit aufgerissen. Grünlicher Schleim lief ihnen über die langen, gelben Fangzähne. Ihre Krallen kratzten über den erdigen Boden, zerfetzten das Moos und ließen mich unruhig einige Schritte zurückweichen. Hinter mir war jedoch nichts außer Asher und dem Meer. Kein Fluchtweg.
Ihre gebeugten Glieder zuckten und die Muskeln unter ihrer grau-violetten Haut pulsierten. Sprungbereit. Jederzeit konnten sie angreifen.
Als ihr fauliger Atem mich erreichte, verzog ich den Mund. Ich hasste ihren Gestank nach Tod und Verwesung.
Der erste Rakshasa machte eine ruckartige Bewegung und sprang mit weit aufgerissenem Maul auf mich zu.
Kein unerwartetes Manöver, waren diese Wesen doch kaum mehr als instinktgesteuerte Tiere. Für eine Werwölfin wie mich, kein großes Problem.
Mit einem Schritt wich ich aus, packte das Wesen ohne Scheu an seinem Hals und schleuderte es zurück zu seiner Gruppe.
Selbst ohne Anzug hätte ich keine Probleme gehabt. Ich wusste nicht genau warum, doch die Rakshasa, die überall in der Welt verstreut waren wie eine Plage, waren das einzige, das ich ohne Probleme berühren konnte. Keine Bilder, keine Gefühle, nicht einmal ein Flüstern.
Trotzdem waren sie keine schwachen Gegner. Sie waren eine Plage, die wir Werwölfe nur mit vereinten Kräften im Zaun halten konnten. Selbst Alphas würden sich gegen eine Überzahl schwertun. Darum durfte ich nicht unvorsichtig werden.
In meiner jetzigen Form war ich nicht stark genug. Nicht ohne Waffen.
Meine Sinne spannten sich an, während ich die Instinkte wachrüttelte, die ich zu meinem eigenen Schutz lange Zeit verschlossen hatte.
Ich spürte bereits, wie der Nebel mir unter die Haut kroch und meine Instinkte sich ausweiteten. Geräusche wurden lauter, Bewegungen klarer und Düfte intensiver.
Ohne zu zögern ließ ich es zu.
Meine Knochen knackten und meine Muskeln spannten, während mein Körper sich mit einem Gefühl von Stärke ausdehnte.
Die Schnallen meines Anzugs lösten sich und er fiel fast unversehrt zu Boden. Gab mir ein unerwartetes Gefühl von Freiheit.
Silbergraues Fell zog sich über meine Haut, das mich wie lebendige Nebelschwaden umwog. Lautlos und schützend.




Meine Sinne entfalteten sich völlig. Jedes Geräusch, jede Bewegung und jeder Geruch wurde zur Karte in meinem Kopf.
Jetzt gab es keinen Platz mehr, an denen sie sich vor mir verstecken konnten.
Vorfreude pulsierte durch meine Adern und ich spürte den Drang zu jagen, wie schon lange nicht mehr. Hier musste ich nicht aufpassen und konnte ganz ich selbst sein.
Mein Blick glitt nach unten auf die Rakshasa, die vor mir wie unbedeutende Würmer wirkten. Meine Krallen, groß genug, um sie zu zerquetschen, gruben sich in den Boden und ein tiefes Grollen verließ meine Lefzen. Es war keine Warnung, sondern ein Versprechen.
Allerdings waren die Rakshasa so instinktgetrieben, dass sie trotz meiner Größe auf mich zustürmten.
Ohne mich groß zu bewegen, hob ich meine Pranke, schlug sie gegen den Schädel und schleuderte den Rakshasa zur Seite. Mit einem dumpfen Knacken knallte er gegen einen Baum, rutschte daran herab und blieb liegen.
Im selben Moment erreichte mit der zweite und riss sein Maul weit auf. Zu spät. Ich war schneller.
Meine Zähne bohrten sich in seinen Hals, bevor er mich auch nur erreichen konnte.
Gestank füllte meinen Mund und ließ mich würgen, doch ich lockerte meinen Biss nicht. Stattdessen riss ich ihn zu Boden und schleuderte seinen Körper Richtung Wasser, während sein Kopf in den Wald flog. Direkt in seine Gruppe hinein, die sich nicht einmal bewegte, um auszuweichen.
Ich war so von mir überzeugt, dass ich einen Augenblick unaufmerksam wurde. Erst, als ich etwas auf meinem Rücken spürte, wurde mir klar, dass einer an meinem Fell hochkletterte. Ich hätte ihre Sprungkraft nicht unterschätzen sollen.
Seine Krallen schnitten durch meinen Nebelpelz, doch sie drangen zum Glück nicht tief genug ein. Nur ein Unbehagen, das ich abschüttelte, indem ich mich zur Seite fallen ließ.
Mit meinem Gewicht zerschmetterte ich ihn am Boden.
Ein hohes Kreischen ließ mich herumfahren. Noch mehr von ihnen krochen aus dem Unterholz des Waldes. Zwei, drei … nein vier.
Verdammt. Hier musste ein Nest sein. Das würde es schwierig machen. Wurde ich von ihnen zu schwer verletzt, würde ihr Gift mich lähmen und meine Bewegungen einschränken. Ich durfte also nicht noch unachtsam werden.




Mein Blick wanderte kurz zu Asher, der noch immer am Boden lag. Ich durfte sie nicht zu ihm vordringen lassen, sonst würden sie ihn verletzen.
Ich bleckte meine Zähne und sah mich suchend um. Bäume, Steine und zu wenig Platz zum Fliehen. Aber ich sollte sie beschäftigen können. Selbst, wenn noch mehr kamen. Es wäre leicht, sie mit ein wenig Blut wieder zu mir zu locken. Zum Glück blutete Asher nicht, sonst wäre er sofort zum Ziel geworden.
Ein schrilles Kreischen fuhr mir durch Mark und Bein. Ein Laut, der einem verrotteten Schrei ähnelte. Ein Kampfschrei. Ein Schrei, der Verstärkung rief.
Alle von ihnen stürmten mit weit aufgerissenen Mäulern auf mich zu. Sprunghaft. Unberechenbar. Kaum im Blick zu behalten.
Unter meinen Pfoten bebte die Erde, als ich den ersten rammte. Ein Krallenhieb. Blut spritzte, Knochen knackten und es war einer weniger.
Ein anderer sprang seitlich an mich heran. Ich wich aus und schlug ihm mit meinem Schwanz zu Boden, doch er rappelte sich wieder auf. Also schlug ich erneut zu und zerschmetterte seinen Schädel.
In dieser Zeit schaffte es einer der Rakshasa jedoch, mir näherzukommen.
Spitze Zähne bohrten sich wie heiße Nadeln in meine Pfote. Direkt an meinem Gelenk. Eine Stelle, die nicht geschützt genug war.
Wie Lava floss der Schmerz von dieser Stelle durch meinen Körper und pulsierte. Heiß und kalt erzitterte mein Körper, der sofort gegen das Gift ankämpfte.
Ich knurrte und schleuderte ihn zur Seite. Zuerst floss Schwärze aus der Wunde, die jedoch schnell zu Blut wurde.
Alle Rakshasa starrten mit hungrigen, roten Augen zu mir und ich zog mich zurück. Weg von Asher. Jetzt hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit. Die musste ich nutzen.
Sie fielen erneut über mich her wie Aasgeier, doch ich ließ mich nicht unterbekommen. Auch nicht von der Verstärkung, die immer weiter aus dem Unterholz schoss.
Der Nebel meines Fells flimmerte und breitete sich immer weiter aus. Eine Gefahr, welche die Rakshasa nicht kommen sehen würden.
Ein Werwolf brauchte keine Waffen. Ich war die Waffe.

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