Arielle im Plastikmeer
                            »Da wollte ich doch unbedingt Teil dieser Welt sein – und jetzt schwimme ich durch Plastikbecher und Bierdosen.« Arielle zieht einen verbeulten Joghurtbecher von ihrer Schwanzflosse und wirft ihn genervt in einen schwimmenden Müllhaufen, der neben ihr treibt. Die Sonne glitzert auf der Wasseroberfläche, aber der Schein trügt. Das Meer ist längst kein Paradies mehr.
Früher war das Wasser klar, der Meeresboden ein Ort voller bunter Korallen, schillernder Fische und geheimnisvoller Höhlen. Heute sieht es aus wie eine Mischung aus Sperrmüll und Schrottplatz. Überall Plastiktüten, Netze, alte Schuhe. Ab und zu verirrt sich noch ein Fisch – meistens mit einem Sechserpack-Ring um den Hals.
Arielle treibt durch das Wasser, ihre Haare haben längst den seidigen Glanz verloren. Shampoo gibt es hier unten nicht, nur Mikroplastik, das sich überall festsetzt. Ihr Gesang? Verstummt. Kein Wunder, wenn man bei jedem Takt eine PET-Flasche ins Gesicht bekommt.
»Damals dachte ich, das Land wäre meine Rettung. Beine, Luft, Abenteuer. Stattdessen hab ich gemerkt, dass da oben keiner mehr hinsieht, was hier unten passiert.« Ihre Stimme klingt müde. »Und wenn, dann höchstens, um noch mehr Müll ins Meer zu kippen.«
Sie schwimmt an ihrer alten Schatzhöhle vorbei – einst voll mit menschlichen Schätzen, jetzt gefüllt mit weggeworfenen Smartphones, Gummienten und kaputten Kopfhörern. Ihr treuer Freund Fabius schwimmt neben ihr, den Bauch leicht aufgebläht. »Ich glaube, ich habe schon wieder Mikroplastik geschluckt«, jammert er.
»Wir könnten protestieren«, schlägt Fabius vor. »Ein Schild malen: ›Save the Oceans‹ oder sowas.«
Arielle schnaubt. »Und das wohin hängen? An den Felsen, damit es keiner sieht? Wir sind hier unten vergessen, Fabius. Oben machen sie große Reden, und hier unten ersticken wir.«
Sie hält inne, blickt auf die Wasseroberfläche. »Weißt du, ich wollte Teil ihrer Welt sein. Jetzt wünschte ich, sie wären ein bisschen mehr Teil unserer. Vielleicht würden sie dann endlich merken, was sie anrichten.«
Ein leerer Coffee-to-go-Becher treibt an ihr vorbei. Sie schnappt ihn sich, dreht ihn zwischen den Fingern. »Früher habe ich nach Gabeln getaucht. Jetzt finde ich nur noch Beweise ihrer Gleichgültigkeit.«
    
    
        
        
Arielle seufzt. »Vielleicht sollte ich doch wieder zur Meerhexe gehen. Vielleicht hat sie ja einen Zauber, der den ganzen Dreck wegspült. Und wenn nicht – dann tausche ich meine Stimme endgültig gegen ein ruhiges Plätzchen irgendwo tief unten, wo der Müll noch nicht angekommen ist.«
Ein Wunschtraum. Denn in diesem Meer ist es längst überall angekommen.
				
				
































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