Adora-Kapitel 5

Fast schon nervös richtete sich Rayan seine Uniform. Sie war vorrangig rot mit goldenen Verzierungen und einigen schwarzen Akzenten.

Es war wichtig, dass die Prinzessin verstand, wie wichtig ihm diese Hochzeit war, weshalb er zusammen mit einigen seiner Leibwachen sogar draußen auf sie wartete. Er wollte sie direkt begrüßen und nicht von einen seiner Leute empfangen lassen.

Man merkte ihm wahrscheinlich an, dass er das sonst nicht tat, denn er fühlte sich unwohl in seiner eigenen Haut, weshalb seine Hände ständig etwas zu tun hatten. Damit würde er aufhören müssen, sobald sie in Sicht kam.

Amato und auch sein jüngerer Bruder Aaron standen links und rechts von ihm, aber einen Schritt hinter ihm. Sie waren da, falls etwas schieflief. Rayan hoffte allerdings, dass dem nicht so war. Es war so wichtig, dass es einfach nicht so weit kommen durfte. Hier stand der Frieden seines Landes auf dem Spiel.

Er hätte gern auf seinen Bruder verzichtet, da dieser recht häufig unpassende Kommentare von sich gab und seine Rolle als sein Stellvertreter nicht sonderlich ernst nahm, doch er war nun einmal Familie, die Rayan wichtig war.

Zumindest hatte er es geschafft, seine unbändigen, schwarzen Haare zu einem Zopf zu binden, der ihn nicht wie einen verwahrlosten Landstreicher wirken ließ. Dazu kam eine Uniform, die Rayans ähnlich war, nur weniger Gold aufwies.

Rayan war zuversichtlich, dass Aaron wusste, wie wichtig der erste Eindruck sein würde. Auch ihm lag das Wohl des Reiches am Herzen, auch wenn man es ihm nicht immer ansah.

Amato straffte die Brust. „Sie kommen“, sagte er, wobei das offensichtlich war, denn eine große Kutsche mit vier stattlichen Pferden bog um die Kurve, bevor sie direkt auf das Schloss zuhielt.

Rayan spürte, dass die Nervosität zunahm. Er wusste nicht genau, was er tun sollte, als die Kutsche hielt. Daher versuchte er, möglichst ruhig zur wirken.

Der Kutscher sprang vom Kutschbock und öffnete die dunkle Tür mit dem Wappen der Familie De Luca. Im Gegensatz zu Herricos Drachen war das Wappen des Reiches Speranza eine eher furchteinflößende Eule. Im Flug, die sich hinabstürzte, um Mäuse zu fangen.

Die Frau, die ausstieg, war eine wahre Schönheit, was Rayan nicht sonderlich überraschte. Alle Kinder Königin Rosanna waren wunderschön.



Ihre goldenen Locken waren so frisiert, dass sie ihr rundliches Gesicht wunderbar zur Geltung brachte. Ihre großen, blauen Augen sahen Rayan direkt an, bevor sich ihre Lippen, die sehr anziehend wirkten, zu einem Lächeln verzogen.

Als sie stand, machte sie einen Knicks, wobei sie das elegant, doch nach Rayans Geschmack viel zu punkvolle, rote Kleid ein Stück zu Seite zog. „Eure Hoheit, Prinz Rayan“, grüßte sie mit einem leichten Akzent, wie man ihn nur in dem Gebiet von Königin Rosanna De Luca sprach. Sie betonte die Worte etwas anders und rollte einige Buchstaben.

„Prinzessin Rosalia“, grüßte Rayan, der sich verbeugte, wie es angemessen war, bevor er ihr den Arm reichte. „Ich hoffe sehr, Ihr hattet eine angenehme Reise.“

Rosalia nutzte eine Hand, um ihr Kleid etwas zu heben, bevor sie sich auf ihn zu bewegte, um seine Geste anzusehen.

„Die Reise war sehr angenehm“, antwortete die junge Frau. Sie hatte eine recht angenehme Stimme und auf den ersten Blick wirkte sie auch nicht so arrogant und nervend, wie Rayan es erwartet hatte.

Wenn er an ihre Mutter dachte, schauderte er leicht. Er mochte Königin Rosanna nicht. Sie war ein Mensch, der ihm schon mit ihrer bloßen Anwesenheit auf die Nerven ging. Es war gut, dass es bei ihrer Tochter wohl anders war.

„Es tut mir leid, dass ich Euch so überfalle. Meine Mutter hat darauf bestanden, dass ich einen Tag früher aufbreche, denn heute Abend soll es heftig stürmen“, erklärte Rosalia mit entschuldigender Stimme.

„Dann ist es nur schlau, wenn Ihr zeitiger hier seid“, meinte Rayan, der in den Himmel blickte. Für ihn wirkte es nicht, als würde es bald regnen oder stürmen. Im Gegenteil. Es gab kaum Wloken und die Sonne war kräftig. „Ihr müsst erschöpft sein. Ich führe Euch in Eure Räumlichkeiten. Ein Diener wird Euch in ein paar Stunden zum Essen holen. Ihr habt also genug Zeit, Euch auszuruhen“, sagte er zuvorkommend. Im Grunde wollte er sie nicht gleich überfordern und sich nur mit ihr beschäftigen. Sie brauchte Freiraum, um sich einzuleben.

„Habt Dank für Euren wunderbaren Empfang“, lächelte Rosalia, die mit ihrer ruhigen Art Rayan sehr gut gefiel. Es war angenehm mit ihr zu sprechen.

Rayan geleitete sie bis zu dem Flügel, den Diener für sie hergerichtet hatten. Hier gab es alles, was sie brauchte.



Ein großes, gemütliches Schlafzimmer, eine kleine Bibliothek, einen Salon für Gäste und sogar, wenn sie das wollte, ein eigenes Speisezimmer. Dazu ein sehr großes Bad, damit sie sich entspannen konnte. Seine Diener waren sehr gut darin, zu massieren.

„Ich hoffe sehr, es ist alles zu Eurer Zufriedenheit“, bemerkte er, als er ihr die Tür in den Vorraum öffnete.

Rosalia trat ein, während sie sich staunend umblickte. Dann schenkte sie Rayan ein Lächeln. „Es ist wirklich wundervoll“, sagte sie und knickste erneut. „Danke für Eure Zeit.“

Rayan neigte den Kopf. „Solltet Ihr etwas brauchen“, begann er und deutete auf eine Gruppe Dienstmädchen, die bereits herbeigeeilt kamen. Sie würden sich um Rosalia kümmern.

Der Prinz zog sich zurück, da er über die Dinge nachdenken wollte. Sein Bruder würde sie später durch das Schloss führen. So hatten sie es entschieden, da Rayan noch ein paar Gespräche zu führen hatte. Er hoffte, dass Rosalia davon nicht enttäuscht sein würde, doch ihr Auftauchen kam unerwartet. Ein König konnte deshalb nicht alles stehen und liegen lassen.

Rayan trat hinaus in den Innenhof, um sich dem Springbrunnen zu nähern und sich dort auf den Stein zu setzen. Dabei bemerkte er, dass sich noch jemand im Garten aufhielt.

Eine Frau, die selbst wie die Sonne zu strahlen schien, hockte vor einem Bett und schien die Blumen zu betrachten. Oder aber sich um diese zu kümmern. Ihre Hände waren teilweise in der Erde versenkt, was ihn verwunderte. Er hatte nicht gewusst, dass Adora sich mit Pflanzen auskannte oder die Gartenarbeit mochte. An ihren Händen gab es keine Spuren davon, dass sie so etwas getan hatte.

Rayan ließ sich nieder, während er sie beobachtete. Wie sie die Blumen pflegte und das Unkraut entfernte, hatte etwas sehr Beruhigendes. Dazu kam das leise Summe, das von ihr ausging und ihn zusätzlich entspannte.

Irgendwann, als er sich gerade seiner kurzen Ruhephase hingab, erhob sie sich und kam auf Rayan zu. Ihre Hände waren nicht ansatzweise so dreckig, wie er erwartet hatte. Als wäre die Erde einfach nicht kleben geblieben. Dennoch nutzte sie das überlaufende Wasser des Springbrunnens. „Ihr solltet nicht mehr so lange hier draußen sein“, sagte sie mit einem sanften Lächeln. „Es wird gleich regnen und heftig stürmen“, kündigte sie an.



Rayan entlockte diese Aussage einen überraschten Laut. „Das hat Prinzessin Rosalia ebenfalls gesagt“, erinnerte er sich und starrte in den Himmel. „Aber es wirkt überhaupt nicht wie Regen.“

Adora folgte seinem Blick. „Der Himmel nicht, aber die Luft verrät es. Und die Natur richtet sich bereits darauf ein. Es wird heftig.“

Konnte das sein? Rayan war noch skeptisch. Er glaubte nicht, dass es möglich war, die Natur so gut vorherzusehen. Dennoch hatte auch Rosalias Mutter darauf bestanden, dass diese zeitiger kam, um nicht in ein Unwetter zu geraten.

Rayan wollte gerade etwas dazu sagen, als ein einzelner Tropfen vom Himmel fiel und seine nackte Hand traf. Überrascht hob er diese, um den Wassertropfen zu betrachten. „Ihr habt Recht. Es scheint zu regnen“, bemerkte er überrumpelt, bevor er sich erhob. Dann reichte er ihr einen Arm. „Ihr solltet mich nach drinnen begleiten“, entschied er, wofür er aber nur einen verwirrten Blick erhielt. Dann lächelte sie, was sie noch strahlender machte.

„Danke für das Angebot, aber ich denke, dass Nil auf mich warten wird. Ich werde zurück zu seinem Haus gehen. Sonst macht sich Cara Sorgen“, bemerkte sie.

Rayan war überrascht. Sie schien sehr schnell zu lernen, was ihn verwunderte. Vor wenigen Stunden hatte sie nicht einmal die einfachste Unterhaltung führen können. Hatte das vielleicht am Schock gelegen?

„Dann bringe ich Euch zu ihm“, bot er an, da er diese Zeit gern noch mit ihr verbringen wollte.

Für einen Moment wirkte es, als würde sie widersprechen, doch dann nickte sie leicht. „Wir sollten uns aber beeilen, damit Ihr nicht nass werdet“, sagte sie mit so sanfter Stimme, dass es Rayan an die Momente erinnerte, in denen seine Mutter bei ihm am Krankenbett gesessen und ihn sanft versucht hatte, aufzumuntern.

Diese Frau war ihm ein Rätsel. Wer war sie nur?

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