Zwischen Liebe und Gefahr
Das Licht traf sie wie ein Schlag. Es war kalt, brennend, ein Strom aus Energie, der ihr Herz für einen Augenblick stillstehen ließ. Truly stolperte zurück, keuchte, ihre Arme zitterten, als die Kraft sie fast von den Füßen riss.
Doch bevor es sie voll treffen konnte, fuhr ein grelles Licht durch die Bäume. Eine Taschenlampe, stark, blendend. Schritte, hastig, schwer.
»Zurück!«, donnerte eine Stimme.
Hayes.
Die Gestalten auf der Lichtung wichen zurück, geblendet. Einer hob die Hand, doch ein weiterer rief: »Nicht hier! Zu viele Augen!«
Und im nächsten Moment flackerte die Kerzenflamme im Kreis auf – und erlosch. Mit ihr verschwanden die Gestalten, als wären sie nie da gewesen.
Truly sank auf die Knie, die Brust hob und senkte sich stoßweise. Sie fühlte noch das Nachbeben des Zaubers in ihrem Körper, als hätte ihr Blut selbst angefangen zu brennen.
Hayes war bei ihr, kniete sich hin, griff nach ihrem Arm. »Prescott! Was zum Teufel tun Sie hier draußen?«
Sie keuchte, versuchte zu antworten, doch ihre Kehle war trocken, ihre Zunge schwer. Schließlich brachte sie hervor: »Ich … musste wissen … ob sie existieren.«
»Wer?«, knurrte er. »Und was zum Henker war das gerade?«
Sein Blick war hart, doch unter der Schärfe lag etwas anderes. Sorge.
Truly zwang sich, ihn anzusehen. Sein Gesicht war nah, zu nah, seine Hand noch immer an ihrem Arm. Die Wärme seiner Haut drang durch den kalten Schock, ließ sie für einen Moment vergessen, wie knapp sie eben dem Tod entgangen war.
»Ein Zirkel«, flüsterte sie schließlich. »Ich habe sie gefunden. Und sie haben mich gefunden.«
Hayes’ Kiefer spannte sich. »Sie hätten tot sein können.«
»Ich bin’s aber nicht.« Ihre Stimme klang brüchiger, als sie wollte. »Dank Ihnen.«
Ein Moment der Stille. Der Regen tropfte von den Ästen, irgendwo rauschte Wasser. Sie bemerkte, wie seine Hand sich ein wenig länger als nötig auf ihrem Arm hielt, bevor er sie losließ.
»Sie müssen mir sagen, was Sie wissen«, sagte er schließlich, leise, eindringlich. »Ohne halbe Wahrheiten.«
Truly wich seinem Blick aus. Sie konnte ihm nicht die ganze Wahrheit sagen – nicht über das Symbol, nicht über ihre Familie. Noch nicht.
»Ich sage Ihnen, was Sie wissen müssen«, erwiderte sie.
Er kniff die Augen zusammen, als wollte er sie durchbohren. Doch er ließ es stehen.
Sie standen auf. Hayes blieb dicht bei ihr, fast so, als wolle er sie notfalls wieder festhalten, falls sie zusammenbrach. Und obwohl sie wusste, dass sie ihm nicht alles sagte, spürte sie etwas anderes – ein Vertrauen, das sich nicht erklären ließ.
Sie gingen schweigend zum Auto, das am Rand des Parks stand. Hayes fuhr, die Scheinwerfer schnitten durch die nasse Nacht. Truly starrte hinaus, sah die Reflexionen der Laternen im Asphalt, das verschwommene Spiegeln der Welt.
›Er war da. Er hat mich gerettet. Aber was passiert, wenn er die Wahrheit erfährt? Wenn er weiß, dass mein Blut der Schlüssel ist?‹
Das Summen ihres Handys riss sie aus den Gedanken. Eine Nachricht, knapp, direkt: „Espresso House. Jetzt. Dringend.“ Von einer unbekannten Nummer.
»Was ist?«, fragte Hayes, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
Sie zeigte ihm die Nachricht. Er bremste abrupt, zog das Auto an den Rand. »Das ist die Adresse eines Cafés in der Innenstadt.«
Sie fuhren sofort dorthin.
Das Espresso House war ein kleiner Laden an der Ecke einer ruhigen Straße, eigentlich immer belebt. Doch als sie eintrafen, war die Tür von einem Polizisten versperrt, gelbes Absperrband flatterte. Ein Dutzend Menschen stand davor, redete aufgeregt.
Hayes zeigte seinen Ausweis, sie durften durch.
Drinnen roch es nach frisch gemahlenem Kaffee, nach verbrannten Bohnen – und nach etwas anderem, Metallischem. Blut.
Hinter dem Tresen lag ein Mann, der Körper verkrampft, die Augen weit aufgerissen. Daneben ein kleiner Espresso, kaum angerührt, die Oberfläche schwarz glänzend.
»Der Besitzer«, sagte ein junger Polizist leise. »Er trank nur einen Schluck, dann brach er zusammen.«
Truly trat näher, ihr Herz hämmerte. Neben der Tasse lag etwas, fast unscheinbar: ein paar Krümel, dunkelgrün, fast schwarz.
Sie beugte sich vor, atmete flach. ›Schon wieder Beifuß.‹
Hayes’ Blick traf ihren. Er musste ihre Gedanken nicht hören.
»Das ist derselbe Täter«, sagte er.
»Nein«, flüsterte sie. »Das ist derselbe Zirkel.«
Die Stimmen der Umstehenden verschwammen. Truly sah auf den Espresso, auf die Finger des Toten, die noch immer wie in einer letzten Geste gekrümmt waren. Zwei Opfer in so kurzer Zeit. Zwei Getränke, beide vergiftet, beide mit Ritualkräutern versehen.
Und sie wusste, dass es nicht aufhören würde.
Hayes legte ihr eine Hand auf die Schulter, fester, als sie erwartet hätte. »Wir sind mittendrin, Prescott.«
Sie nickte, ohne den Blick von der Tasse zu lösen. ›Und ich bin tiefer drin, als du je ahnen wirst.‹
Draußen setzte der Regen wieder ein, peitschte gegen die Scheiben. Es klang wie ein Takt, wie ein Countdown.
Und Truly wusste, dass er längst läuft.


































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