DBdD-Kapitel 40

Nach Zunaes Entscheidung vergingen mehrere Tage. Obwohl Yelir das Artefakt bereitlag, gelang es Zunae doch nicht, es länger als ein paar Stunden zu tragen. Daher brauchte sie auch so lange, bis sie sich soweit daran gewöhnt hatte, dass sie es nicht ständig abnehmen musste.
Auch hatte sie einiges probiert und all ihre Magie funktionierte normal. Es gab keine Probleme, selbst, wenn sie Yelir angreifen wollte. Eine Tatsache, dass sie sehr beruhigte.
»Bist du dir wirklich sicher?«, fragte Yelir erneut besorgt, während sie in der Kutsche saßen und sich mit einem kleinen Tross Richtung Ladvaran bewegten.
Es war ein sonniger Tag und der Schnee taute so langsam, weshalb die größeren Handelswege wieder frei wurden. Eine Tatsache, die Yelir nutzen wollte, um für die Burg einzukaufen. Etwas, das er im Jahr mehrere Male machte. Dafür hatte er sich auch bei Fürst Ladvarian angemeldet.
»Es ist die beste Gelegenheit«, erwiderte Zunae, denn so konnte sie sich die Stadt ganz offiziell ansehen und ihre Kette präsentieren. Hoffentlich würden dadurch die Gerüchte langsam schweigen. Auch, wenn Zunae nicht daran glaubte, dass es so schnell gehen würde. Trotzdem war es wichtig, dass sie sich jetzt mit der Kette präsentierte.
Yelir stieß den Atem aus. »Wir begeben uns in die Mitte des Feindes«, flüsterte er brummend, doch eine andere Wahl hatten sie nicht. Noch immer war Ladvaran die Stadt, die als Handelszentrum galt. Nur dort würden sie bekommen, was sie brauchten, sofern sie nicht erst direkt mit den Händlern in Verbindung treten wollten. Etwas, was schwierig werden konnte. Außerdem war der Markt perfekt dazu, sich umzusehen. Es gab sehr viele verschiedene Dinge auf ihrer Liste, doch das wurde vorrangig von Belle und Jane verwaltet. An ihrer Seite Aaron und Andras, die sich beide bereit erklärt hatten, die Karawane zu begleiten.
Liselle hatte sich mittlerweile so gut eingearbeitet, dass sie zusammen mit Evareth die Burg führte. Sie war zwar noch ein wenig davon entfernt, Zunaes persönliche Dienerin zu werden, da sie zuerst die gesamte Struktur kennen musste, doch sie machte sich sehr gut. Außerdem hatte sie viel Hilfe. Degoni und Dainte blieben ebenfalls in der Burg, um sie zu schützen und solle es Probleme geben, die nichts mit den alltäglichen Dingen zu tun hatten.




Für Zunae war es normal, dass es jemanden gab, der zurückblieb, um die Burg zu verwalten, doch sie fragte sich, wie Yelir das früher getan hatte. Immerhin hatte er als König auch reisen müssen. Wer hatte sich dann um die Burg gekümmert? Charlet oder Lacrew? War es unüblich, dass sie als Königin mitreiste? War es vielleicht ihre Aufgabe?
Da Yelir bisher aber nichts dazu gesagt hatte, hinterfragte Zunae das alles auch nicht.
»Wir dürfen nicht zeigen, dass wir wissen, dass es Fürst Ladvarian ist, der mit den Banditen unter einer Decke steckt«, murmelte Zunae, die kurz den Vorhang vom Fenster zog, um hinauszusehen.
Es war noch immer kalt, weshalb sie einen dicken Mantel trug, doch gleichzeitig erkannte sie, wie der Winter langsam auf dem Rückzug war.
Im Schnee gab es bereits an manchen Stellen freie Flecken und am Wegrand erkannte Zunae sogar einzelne Knospen von Blumen, die in dieser Jahreszeit zu wachsen begannen. Zunae freute sich schon sehr auf den Frühling. Es war ihre liebste Jahreszeit, denn es begann alles zu wachsen.
»Ich hätte dich trotzdem lieber zuhause gewusst«, murmelte Yelir, der Zunae zwar beobachtete, doch Blickkontakt mied.
»Ich weiß«, erwiderte Zunae, die sich nicht beleidigt fühle. Yelir wollte einfach, dass sie sicher war. Nur war sie an seiner Seite weit sicherer, was auch er wusste.
Allerdings hatte Zunae ihm immer noch nicht von ihrer Schwangerschaft und den damit einhergehenden Magieverlust erzählt.
Daher fühlte sie sich auch etwas unwohl. Sie würde Yelir also nicht von der Seite weichen.
Zumindest nahm sie sich das vor, als die Mauern von Ladvaran in Sicht kamen.
Während die anderen sich um die Besorgungen für die Burg kümmerten, würde sie mit Yelir über den Markt spazieren. Also ein Tag, der eher als Freizeit anzusehen war. Wäre da nicht ihr Plan die Kette zu zeigen.
Aufregung machte sich in Zunae breit. Sie war das erste Mal offiziell hier. Das letzte Mal war sie als der Söldner Riley hier. Hoffentlich erkannte Fürst Ladvarian keinen Zusammenhang. Sie glaubte zwar nicht, doch nervös war sie dennoch.
Yelir griff ihre Hand und strich mit dem Daumen beruhigend über ihre Knöchel. »Bleib einfach bei mir und genieße«, bat er, auch wenn er wusste, dass sie zuerst Fürst Ladvarian aufsuchen mussten. So gehörte es sich.




Die Wachen am Tor erkannten die Embleme auf den Kutschen und ließen sie ein.
Während die anderen Kutschen sich auf den Weg zum Markt machten, fuhr Aaron die Kutsche mit dem Königspaar weiter durch die Stadt.
Zunae genoss den Anblick der Häuser und Menschen. Es wirkte alles gepflegt und die Bewohner fröhlich. Zumindest auf den ersten Blick.
Ein Stirnrunzeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, während sie die Anwohner beobachtete. Sie konnte diese genau von den Gästen oder Händlern aus anderen Gebieten unterscheiden. Das war ihr das letzte Mal gar nicht so stark aufgefallen. Allerdings trugen die Bewohner von Ladvaran recht gleichförmige Kleidung und jeder von ihnen, ausnahmslos jeder, lächelte. »Gruselig«, murmelte Zunae, die den Vorhang wieder schloss und sich zurück in die Kutsch setzte.
Sah sie es jetzt, weil sie wusste, dass Fürst Ladvarian irgendwie mit den Banditen und damit auch diesen seltsamen Artefakten zusammenhing?
»Was ist?«, fragte Yelir, der ihr nicht ganz folgen konnte, da er nicht hinausgesehen hatte.
»Die Bewohner«, murmelte Zunae, konnte aber nicht genau sagen, warum diese ihr einen Schauer über den Rücken jagten.
Yelir streichelte ihre Hand weiter. »Wir sind gleich da«, meinte er, damit sie sich wieder fangen und vorbereiten konnte. Es wäre nicht gut, wenn Fürst Ladvarian sie als leichtes Ziel aufnehmen würde. Damit würde er sie zwar unterschätzen, doch wenn Yelirs Vermutung richtig war, würde er sowieso bald handeln. Hoffentlich war er nicht dumm genug, dass in seiner Stadt zu tun. Vielleicht griff er die Burg an, weil er sie als ungeschützt erachtete, solange sie hier waren?
Wobei Yelir auch nicht genau wusste, was überhaupt sein Ziel war. Bisher hatte er Händler überfallen, aber nie versucht, den König zu stürzen. Es wäre also töricht alles auf sich zu beziehen. Vielleicht waren sie auch sicher.
Aaro fuhr die Kutsche direkt auf das Anwesen von Fürst Ladvarian. Es war eines der größten Häuser der Stadt und lag im Mittelpunkt. Die Einfahrt war groß genug für Kutschen, sodass Aaron sie direkt vor den Eingang bringen konnte.
Yelir stieg als erstes aus und musterte das Gebäude. Er war lange nicht mehr hiergewesen. Es hatte sich einiges verändert, denn er kannte noch das kleine, eher unscheinbare Haus. Was er jetzt jedoch erblickte war so ganz anders. Es passte irgendwie zu dem, was Yelir von Fürst Ladvarian erwartet hatte.




»Herzlich willkommen«, erklang eine tiefe Stimme, die Yelir aufsehen ließ, während er Zunae aus der Kutsche half.
Der Mann, der auf der Treppe stand, hatte dichte, dunkelblonde Locken und einen Körperbau, der zeigte, dass er mit Waffen umgehen konnte.
Yelir irritierte jedoch, dass er sein Aussehen nicht zuordnen konnte.
Er erinnerte sich an Fürst Ladvarians blonde Locken, doch der Rest passte nicht so ganz. Was aber vermutlich einfach mit der Zeit zusammenhing.
Zunae, die langsam ausstieg, musterte ihn eingängig. Er sah anders aus als das letzte Mal. Viel stämmiger und muskulöser, doch sie dachte sich nicht viel dabei. Stattdessen lächelte sie unschuldig. Die Kette gut sichtbar auf ihrem Mantel.
»Fürst Ladvarian«, grüßte Yelir kühl. Er musste sich keine Mühe geben, nicht abweisend zu wirken, denn das hatte er schon immer. Also würde sich Fürst Ladvarian vermutlich eher wundern, wenn er zu freundlich wäre.
Zunae hingegen zwang sich zu einem Lächeln. »Es freut mich, Euch kennenzulernen«, sagte sie strahlend, wobei Yelir ihr fast abkaufte, froh zu sein. Da er sie jedoch auch besser kannte, konnte er die kleinen Hinweise sehen, die anderen hoffentlich verborgen blieben.
»Kommt doch bitte herein«, bat Fürst Ladvarian, der auf das große Eingangstor deutete.
Zunae konnte mehrere Diener wahrnehmen, weshalb sie sich fragte, warum der Fürst persönlich kam, um sie zu begrüßen. War das hier so üblich? Sie würde Yelir später fragen müssen.
»Danke, wir würden uns aber später gern noch die Stadt ansehen«, erklärte Yelir höflich, der Fürst Ladvarian dennoch folgte.
»Ihr macht Eure halbjährlichen Besorgungen?«, fragte Fürst Ladvarian, obwohl er es genau wusste.
»Ja, wobei es dieses Mal mehr als sonst ist«, erwiderte Yelir, der neben seiner Frau dem Fürsten folgte. Dieser führte sie durch Gänge, die mit edlen Wandteppichen und Bildern behangen waren. Es gab auch Statuen, die Zunae sehr gut gefielen. Sie waren detailreich gearbeitet und zeigten die verschiedenen Göttertiere.
Zunae hatte in den Nordlanden noch nie einen solchen Luxus gesehen. Das passte so gar nicht zu dem kriegerischen Volk, das sie kennengelernt hatte.
Fürst Ladvarian sah zwar aus wie ein Kämpfer und bewegte sich auch so, doch seine Kleidung war ähnlich edel und definitiv nicht zum Kämpfen geeignet. Yelir neben ihm wirkte fast blass und farblos. Als wäre nicht Yelir der König, sondern nur ein Diener.




Etwas, was Zunae frustrierte, weshalb sie froh war, dass sie sich extra schön gemacht hatte.
Ihre Haare waren in einem Zopf geflochten und hochgesteckt, sodass sie eine Krone bildeten. Dort hatte sie mehrere Haarnadeln befestigt, die kleine, silberne Schmetterlinge zeigten. Außerdem trug sie Ohrringe und ein edles Kleid, das Anui ihr erst vor kurzem gemacht hatte.
Als sie ihren Mantel auszog und einem Diener reichte, kam das Dunkelblau zum Vorschein. Anui war es irgendwie gelungen klitzekleine Kristalle einzuarbeiten, die im Licht der Kerzen leicht schimmerten.
Es ging ihr nicht darum, den Fürsten auszustechen, doch sie wollte heute die Aufmerksamkeit von Yelir auf sich ziehen. Damit auch jeder die Kette erkannte. Auch, wenn sie Sorge hatte, dass diese unterging. Allerdings war das Oberteil des Kleides so geschaffen, dass es schwarz wurde, womit die silberne Kette gut zur Geltung kam.
Zunae spürte den Blick des Fürsten über sich gleiten. Er hielt einen Moment an der Kette inne, bevor er sich leise räusperte. »Setzt Euch, ruht Euch etwas aus und genießt unsere besonderen Kuchen«, bot er an, denn für ihn war dieser Besuch eine Gelegenheit.
Seine Bäcker hatten vor kurzem einige Kreationen aus den Südlanden probiert und Fürst Ladvarian hoffte, dass Zunae diese für die Burg bestellte. Es war nicht so, dass er diese Art der Aufträge brauchte, doch er würde damit ein weiteres Tor für seinen Handel öffnen. Dafür hatte er ein Händchen.
Als Zunae den Tisch entdeckte, erkannte sie tatsächlich einige kleine Küchlein, die denen in den Südlanden ähnlich waren. Mit viel frischem Obst, das sicher hier schwer zu bekommen war.
Selbst in Kavalare war Obst noch nicht ganz so leicht anzubauen. Bäume und Sträucher brauchten lange, um zu wachsen. Zudem waren sie sehr groß, sodass man nicht viele davon anbauen konnte. Woher hatte Fürst Ladvarian also diese ganzen Früchte?

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