DBdD-Kapitel 39
Yelir fühlte sich etwas unwohl, als er sein Pferd vorsichtig durch den Schnee stapfen ließ.
Es war noch recht früh am Morgen. Die beste Zeit, um auf die Jagd zu gehen. Zunae war zwar nicht so begeistert gewesen, doch Yelir konnte es kaum erwarten, seinen Bogen richtig zu testen.
Um Zunae nicht zu verärgern hatte er das Thema nicht noch einmal angeschnitten, denn er glaubte nicht, dass das Artefakt nicht funktionierte. Immerhin war etwas passiert, als er auf die Übungspuppe geschossen hatte.
Vielleicht war es leichtsinnig allein zu gehen, doch Yelir wollte, dass Chiaki bei Zunae blieb. Es war zwar nicht sicher, dass dieser bei einer Zeitreise auch dabei sein würde, doch zumindest konnte er Yelir sofort bescheid geben, damit er sich um sie kümmern konnte, wenn er wiederkehrte.
Yelirs Gedanken kreisten auch immer wieder um die Möglichkeit ein eigenes Artefakt zu erschaffen, doch das würde nicht nur Zeit, sondern auch besondere Materialien benötigen. Also nichts, was er einfach so machen konnte, auch wenn er die Beschaffung der Materialien bald in Angriff nehmen wollte.
Zunae hatte ihn über die stillgelegte Mine in Kavalare ausgefragt, weshalb er zugestimmt hatte, sie sich anzusehen. Vielleicht hatte er Glück und fand dort die Materialien, die er brauchte. Laut Chiaki gab es ein besonderes, blaues Gestein, das man mit Magie bearbeiten konnte. Es eignete sich gut als Rohling für ein Artefakt, war aber schwierig zu finden. Außerdem hatte es bisher keinen Wert gehabt, da niemand damit etwas anfangen konnte.
Yelir hielt sein Pferd am Waldrand und stieg ab.
Um nicht sofort im Schnee zu versinken, legte er ein wenig Magie auf seine Schuhe und vergrößerte die Fläche, sodass er auf dem Schnee laufen konnte. Damit dämpfte er auch seine Schritte, während er den Bogen schussbereit hielt.
Er hoffte sehr, ein Tier aufzufinden, das er als Ziel nutzen konnte. Dann würde er endlich herausfinden, ob die Pfeile, die er verschoss, überhaupt eine Wirkung auf Lebewesen hatten. Bisher glaubte er es noch nicht.
Also pirsche er leise durch den Wald, bis er einen Vogel auf einem Ast erspähte. Er war nicht besonders weit weg, weshalb Yelir sofort innehielt, um ihn nicht weiter aufzuscheuchen. Dann spannte er langsam den Bogen.
Magie sammelte sich in seinen Händen, während er die Sehne spannte und das Tier anvisierte. Konzentriert richtete er seinen Bogen aus, bevor er die Sehen losließ.
Der Vogel reagierte kaum und Yelir fragte sich, ob er danebengeschossen hatte.
Als er den Bogen erneut spannte, bemerkte das Tier ihn und breitete die Flügel aus. In diesem Moment spürte Yelir, wie sein Geist in Richtung des Vogels gezogen wurde. Dann spürte er plötzlich, wie er schnell vom Boden abhob.
Als wäre er der Vogel selbst, schoss er in die Lüfte und bewegte sich über den Baumkronen mit gleichmäßigen Flügelschlägen.
Yelirs Herz klopfte heftig, während er staunend versuchte zu begreifen, was er sah. War er mit seinem Geist in den Vogel eingedrungen?
Er spürte das Pulsieren des Blutes und sah den Kreislauf des Vogels vor sich. Vermischt mit einen Blick auf die Baumkronen, die unter ihm vorbeizogen.
Es dauerte etwa eine Minute, bevor seine Sicht in seinen Körper zurückkehrte. Dieses Mal saß er am Boden, als wäre er zusammengebrochen. Was im Ernstfall nicht gerade hilfreich wäre.
Gut war jedoch, dass er den Vogel noch immer spürte, weshalb er nach dessen Blutkreislauf griff und ihn mit einer schnellen Bewegung zerstörte.
Das Tier konnte nicht einmal einen Laut von sich geben, noch wusste es wie ihm geschah, als er tot vom Himmel fiel.
Gepackt von den Möglichkeiten, die diese Fähigkeit mit sich brachte, rappelte sich Yelir auf, um weitere Tiere zu jagen. Er wollte sehen, ob er die unsichtbaren Pfeile auch schießen konnte, ohne jedes Mal seinen Geist von seinem Körper zu trennen.
Leise setzte er seinen Weg durch das Unterholz fort und verschoss dutzende Pfeile. Es war überraschend wie gut er damit traf. Keines seiner Ziele verfehlte er. Fast so, als müsste er gar nicht zielen, sondern das Ziel nur sehen.
Das wäre überaus praktisch, doch im Moment nur eine Theorie, die er erst noch belegen musste.
Ohne zu bemerken, wie lange er im Wald verbrachte, schoss er ein Tier nach dem anderen, auch wenn er nicht alle von ihnen tötete. Nur die, die er für den Koch bereitlegen wollte. Darunter zwei Vögel und ein Wildschwein. Es würde für ein kleines Festmahl sorgen, das er auch mit seinen Soldaten teilen wollte.
Als schließlich die Sonne hinter dem Horizont verschwand und den Wald in tiefe Finsternis tauchte, machte sich Yelir auf de Rückweg.
Er konnte seine Theorie, dass er das Ziel nur sehen musste, bestätigen und hatte ein Gefühl dafür bekommen, wie er wieder in seinen Körper zurückkehren konnte, ohne zu lange zu warten. Doch wie er ein Ziel markieren konnte, ohne mit seinem Geist seinen Körper zu verlassen, hatte er noch nicht herausgefunden.
Mit seinem Fang im Schlepptau, aber auch mit dem Blut der Tiere besudelt, ritt er auf den Innenhof der Burg.
Er war kaum von seinem Pferd abgestiegen, da kam ihm Zunae entgegen. »Du warst lange fort«, bemerkte sie, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass er das Abendessen ausfallen lassen würde.
»Ich habe den Bogen getestet und dabei die Zeit aus den Augen verloren«, entschuldigte er sich schnell, während Zunae ihn von Kopf bis Fuß musterte.
»Bist du verletzt?«, fragte sie zögerlich, auch wenn sie keine Wunden ausmachen konnte.
Yelir schüttelte den Kopf. »Nein. Das Blut kommt von den Tieren und nass bin ich, weil ich viel im Schnee unterwegs war«, erklärte er, obwohl letzteres mehr damit zusammenhing, dass er jedes Mal sein Bewusstsein von seinem Körper getrennt hatte, wodurch dieser in den Schnee gefallen war. Etwas, was er Zunae nicht unbedingt sagen wollte, denn ihm war bewusst, dass er sich damit in Gefahr begeben hatte.
»Dann war dein Tag erfolgreich?«, fragte sie mit einem beruhigten Lächeln. Wenn Yelir nicht verletzt war, gab es nichts, worüber sie sich Gedanken machen musste.
»Wie war dein Tag?«, fragte Yelir und legte ihr den Arm um, bevor er mit Zunae zusammen zurück in die Burg ging, um sich zu waschen und noch etwas Zeit mit seiner Frau zu verbringen.
Früher war er ein Frühaufsteher gewesen und hatte den Sinn an langen Bädern nie verstanden. Nun aber blieb er gern im Bett, um mit Zunae zu kuscheln, oder verbrachte bis zu einer Stunde mit ihr im warmen Wasser.
Sie hatte ihn sehr verändert und dafür war er dankbar. Seitdem sie hier war, hatte er das Gefühl sein Leben wäre wesentlich erfüllter als zuvor.
Gemeinsam mit seiner Frau begab er sich ins Bad, um dort zu entspannen.
»Ich habe über die Sache mit den Fürsten nachgedacht«, bemerkte Zunae, während sie sich entkleidete und Yelir bereits ins Wasser stieg. »Ich glaube nicht, dass sie alle selbst auf die Idee gekommen sind, dass ich ein Problem darstelle«, bemerkte sie, bevor sie langsam ins Wasser schritt.
Yelir blickte sie dabei mit gesenkten Lidern uns hungrigen Blick an. »Willst du damit sagen, dass es einen Urheber für diese Gerüchte gibt?«, fragte er, was eigentlich immer der Fall war. Allerdings musste jemand sich Mühe gegeben haben, sie so zu streuen. Für zwei Wochen waren sie weit gewandert.
»Ja und wenn wir die Quelle der Gerüchte finden, können wir such herausfinden, wer gegen uns ist. Auch wenn ich vermute, dass es Fürst Ladvarian ist. Es würde dazu passen.«
Yelir gab einen nachdenklichen Laut von sich. Fürst Ladvarian, der Gerüchte über Zunae streute, um abzulenken? Das könnte passen.
»Auf alle Fälle wären wir beschäftigt. Eine Ablenkung?«, fragte Yelir, der die Befürchtung hatte, dass ihnen etwas Großes bevorstand.
»Ist möglich ja«, erwiderte Zunae, die sich zu Yelir ins Wasser gleiten ließ. »Darum hab ich mich auch dazu entschieden, das mit der Kette zu versuchen. So können wir ihn vielleicht sogar in Sicherheit wiegen«, bemerkte sie.
Yelir erstarrte, als die Worte bei ihm ankamen.
»Du willst die Kette tragen?«, fragte er ungläubig, denn er wusste, wie groß ihre Angst davor war.
»Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich mehr Vorteile daraus ziehen kann. Es würde die Fürsten beruhigen und vielleicht bei meinem Zeitreiseproblem helfen. Außerdem sollte ich nicht eingeschränkt sein, wenn du keinen Befehl gibst«, sagte sie schließlich, doch Yelir hörte ihr an, wie unwohl sie sich dabei fühlte.
»Bist du dir ganz sicher?«, wollte er wissen, denn er hatte das Gefühl, sie zu drängen.
Zunae nahm seine Hände und versuchte sich an einem Lächeln. »Ich möchte testen, ob es mir bei meinen Visionen hilft«, gab sie zu, auch wenn sie plante, das Artefakt als Ausrede zu nutzen, weshalb sie keine Visionen mehr hatte. Das lag jedoch eher an dem Kind in ihrem Leib. Ein Leben, das sie immer deutlicher spürte und das ihr zunehmend Sorgen machte. Die Visionen blieben zwar aus, doch die letzte war sehr deutlich gewesen. Wenn sie diese Schwangerschaft durchzog, würde dafür jemand anderes sterben. Vielleicht sogar ein ganzes Land.
»Ja. Das ist die einfachste Variante«, erwiderte Zunae, die versuchte nicht zu zeigen, wie schwer ihr diese Wahl fiel.
Yelir zog sie in seine Arme und küsste ihre Wange. »Aber wenn du dich zu unwohl fühlst, werden wir das gleich wieder entfernen«, sagte er ernst, denn obwohl er glaubte, dass es sicher war, machte er sich doch Gedanken darum, was alles passieren konnte.



































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