Schatten auf Zimmer 308
Die Sonne hatte sich bereits hinter dem Horizont verkrochen, als Riley Carter auf den staubigen Flur des alten Gebäudes trat. Die Luft war stickig und roch nach altem Holz, modrigen Büchern und einem Hauch von Reinigungsmitteln, der den Versuch verriet, den muffigen Geruch vergangener Jahrzehnte zu übertünchen. Über ihren Köpfen summte eine einzelne Neonröhre, die in einem unsteten Rhythmus flackerte, als wollte sie ihre eigene Existenz unter Beweis stellen. „Da wären wir“, sagte Izzy mit leiser Stimme und trat neben Riley. Ihr Blick war auf eine schwere Holztür gerichtet, deren Messingschild nur schwach den Schriftzug „Zimmer 308″ erkennen ließ. Es war dieselbe Tür, von der die Gerüchte sprachen. Die Tür, hinter der – je nach Version der Geschichte – ein Student verschwunden, eine alte Professorin verrückt geworden oder ein Ritual fehlgeschlagen war. Riley verschränkte die Arme vor der Brust. „Sieht nicht gerade aus wie der Eingang zur Hölle.“ Izzy grinste. „Die Hölle macht selten Werbung, Riles. Komm schon.“ Ein paar andere Clubmitglieder standen schon in Gruppen beisammen, flüsterten aufgeregt, lachten nervös. Einer der Jungs – Ben, ein Fotograf aus dem dritten Semester – hielt eine alte Polaroidkamera in den Händen, während seine Freundin Mia ein Notizbuch mit kleinen Symbolen bekritzelte. Allen war klar: Heute war kein gewöhnlicher Abend.
Riley musterte die Gruppe. Niemand wirkte wie ein Spinner. Keine Schwarzmagier, keine Spinner mit Aluhüten. Nur Studierende. Neugierige. Junge Menschen, die sich in einem modernen Leben nach dem Unerklärlichen sehnten. „Also, wie genau läuft das ab?“, fragte Riley an Izzy gewandt, die gerade ihren Rucksack durchsuchte. „Ganz einfach: Wir betreten das Zimmer, machen eine Bestandsaufnahme, schalten Kameras und Tonaufnahmegeräte ein, und dann…“ „Dann warten wir, bis die Geister uns ihren Wochenplan vorlesen?“ Izzy verdrehte die Augen. „Nein. Wir beobachten. Provozieren vielleicht ein wenig. Licht aus, Sinne an.“ Ein Schauer lief Riley den Rücken hinab. Nicht aus Angst. Noch nicht. Es war vielmehr die Atmosphäre. Das Gefühl, dass dieser Abend kein banaler Aberglaube war. Etwas in der Luft vibrierte, eine unterschwellige Spannung, wie vor einem Gewitter. Ben trat nach vorn. „Okay, Leute. Wir haben zwei Stunden. Danach wird das Gebäude geschlossen. Sucht euch einen Platz, verteilt die Technik, und bitte: Kein Geschrei, keine Panikspielchen.“ Die Gruppe trat ein.
Das Innere von Zimmer 308 war größer als erwartet. Ein alter Seminarraum mit Holzvertäfelung, hohen Fensterbögen, durch die schwaches Licht fiel. Staub lag auf den verwaisten Pulten, und an den Wänden hingen vergilbte Porträts einstiger Dozenten. Es roch nach Papier, Metall – und etwas anderem. Etwas, das Riley nicht zuordnen konnte. Izzy nahm Platz auf einem der Pulte und legte ein Aufnahmegerät in die Mitte des Raumes. „Wenn hier jemand ist,“ sagte sie in den Raum hinein, „zeig dich. Oder sag etwas.“ Riley seufzte leise, setzte sich daneben und zog ihr Handy hervor. Keine Verbindung. Selbst das WLAN war tot. Mia stellte eine kleine Lampe mit rotem Licht auf. Es erzeugte eine unnatürlich wirkende Färbung, als wäre der Raum nicht ganz echt. Wie eine Kulisse. Die Minuten verstrichen. Gespräche verebbten. Die Dunkelheit schien dichter zu werden, als wäre sie mehr als nur Lichtmangel. Riley spürte, wie sich die Härchen an ihren Armen aufstellten.
Ein Knarren. Alle Blicke wandten sich zur Tür. Nichts. Nur das Gebäude. Nur die Stille. Ben fluchte leise. „Ich hab ein Bild gemacht. Da war… ich glaube, ich hab was gesehen.“ Er schüttelte die Polaroidkamera und betrachtete das langsam entstehende Foto. Es zeigte den Raum, die Gruppe, das Licht – und eine dunkle Form im Hintergrund, nahe dem Fenster. Vage, unfokussiert. Fast wie ein Schatten, der nicht zur Lichtquelle passte. Riley beugte sich vor. „Könnte ein Reflex sein. Oder Staub auf der Linse.“ Ben nickte. Doch er wirkte nicht überzeugt. Ein leises Flüstern. Riley hob den Kopf. „Habt ihr das gehört?“, fragte Mia. Alle schwiegen. Dann wieder: ein kaum wahrnehmbares Wispern. Es kam von überall und nirgendwo. Izzy stand auf. „Riley?“ Doch Riley sagte nichts. Ihr Blick war auf ein altes Bild gerichtet. Der Mann darauf hatte stechende Augen. Und sie war sich sicher, dass er sie vorhin noch nicht so angesehen hatte. Sie spürte, wie sich etwas in ihrem Innern regte. Kein Glaube, kein Wissen – nur ein erstes, kaum greifbares Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Noch war es kein Grauen. Noch war es nur ein Schatten. Aber er war da. Und er wuchs.


































Auch wieder gelungen.
Mir fiel es dieses Mal aber schwerer den Gesprächen zu folgen. Es wäre gut wenn du einen Zeilenumbruch machen könntest, wenn jemand neues spricht. Manchmal war ich ziemlich verwirrt wer was sagt und musste nochmal lesen.
Aber ich hab es trotzdem genossen. Also nur eine Kleinigkeit, die einfach das Lesen erleichtern würde.