Adora-Kapitel 10

Rayan betrat das Zimmer, ohne zu klopfen und fand eine ältere Dame vor, die an einer Stickarbeit saß. Ihre Haare waren nicht wie bei den Dienern bedeckt, sondern fielen ihr in leichten Wellen offen über die Schultern. Das Schwarz war hier normal.
Als diese bemerkte, wer ihren Raum betrat, erhob sie sich und knickste. „Eure Hoheit“, sagte sie höflich.
„Pamira“, antwortete Rayan mit einem sanften Lächeln. Es tat ihm sehr gut, sie zu sehen. Für ihn war sie immer eine Stütze.
Die alte Dame war früher seine Amme gewesen und seit vielen Jahren seine treue Hofdamen, die ihn regelmäßig begleitete. Sie hatte immer wieder einmal junge Frauen angelernt, die jedoch nie lange an Rayans Seite gewesen waren. Lediglich kleinere Zeitvertreibe. Nur Pamira war geblieben. Sie war ihm wie eine Mutter und ihre Meinung war ihm wichtig, weshalb er auch auf sie zuging und ihr einen sanften Kuss auf die Wange gab. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte er, denn er hatte erwartet, dass sie im Bett sein würde. Es war noch recht früh am Morgen.
Pamira lachte leise. „Ich bin eine Frühaufsteherin“, sagte sie gut gelaunt. „Und habe auf Euch gewartet. Es gibt viel zu tun“, sagte sie, wobei sie voller Tatendrang klang, obwohl ihre Bewegungen schon recht eingerostet wirkten.
Rayan trat einen Schritt von ihr zurück. „Ich würde dich bitten wieder jemanden für mich einzulernen. Sie soll dich eine Zeit lang vertreten, damit du dich ausruhen kannst“, bat er.
Pamira wusste, dass er nicht wollte, dass sie ganz verschwand, doch sie wurde immer älter und schwächer. Er wollte sie nicht überfordern. Als Hofdame musste man sehr aktiv sein.
„Wie Ihr wünscht“, sagte sie mit einem sanften Lächeln. „Ist es die Frau, um die Ihr Euch solche Sorgen macht?“
Ihre Stimme klang neugierig und sanft. Als hätte sie bereits entschieden, dass diese Frau die richtige war. Was Rayan nicht verstand. So lange war Adora noch nicht hier, dass Pamira sie kennengelernt haben konnte.
„Ja. Allerdings habe ich bald auch eine Frau und diese muss ebenfalls ihren Aufgaben nachgehen. Ihr wärst du wohl eine bessere Hilfe. Sie braucht Führung, um sich hier einzuleben“, erklärte Rayan, der das Ganze bereits durchdacht hatte. Pamira wäre an Rosalias Seite sicherlich weit hilfreicher, als sie es an seiner wäre. Ihn konnte in dieser Zeit Adora begleiten.
Pamira lächelte verstehend. „Also noch keine Ruhe“, bemerkte sie neckend.
Sie war eine der wenigen am Hofe, die so mit ihm sprechen durften. Zumindest im Privaten. Jeder wusste, dass Pamira ihm sehr wichtig war, weshalb sie hier auch verwöhnt wurde. Dabei war sie nicht einmal wirklich adlig. Sie war die Tochter einer Dienerin gewesen, die sich um die beiden jungen Prinzen gekümmert hatte, nachdem ihre Mutter verstorben war.
„Ich bin sicher, es wird nicht lange dauern, sie einzulernen“, winkte Rayan ab. So konnte er Pamira auch noch eine Weile an seiner Seite wissen.
Die alte Dame neigte den Kopf. „Dann werde ich mich sofort darum kümmern“, versprach sie.
„Heute hast du noch frei“, meinte Rayan, als er sah, dass sie schon wieder aufstehen wollte, obwohl sie sich doch gerade erst gesetzt hatte. „Ich werde heute mit meiner zukünftigen Königin einen Ritt durch die Stadt unternehmen, damit sie ihr Herrschaftsgebiet sieht.“
„Bitte passt auf Euch auf“, bat sie. Rayan deutete ihr, sitze zu bleiben, als er ihr noch einmal einen Kuss auf die Wange gab und sich dann aus dem Zimmer begab.
Er ging durch die Gänge, bevor er zum Flügel der Prinzessin kam. Dort waren bereits einige Dienstmädchen unterwegs, die alle kurz knicksten, als sie ihn sahen. „Ist Prinzessin Rosalia wach?“, fragte er die junge Frau, die er mit der Aufgabe betraut hatte, sich um das Wohl der jungen Frau zu kümmern.
„Ja, Eure Hoheit. Sie ist gerade dabei, sich ankleiden zu lassen“, informierte das Mädchen höflich, doch irgendwie klang sie besorgt.
„Gibt es Probleme?“, fragte Rayan, der nicht ganz verstand, was der Unterton bedeuten sollte.
Das Dienstmädchen, das die typische Unform in schwarz mit weißer Schürze und der weißen Haube trug, blickte ein wenig unruhig umher. „Sie isst nicht sonderlich viel“, bemerkte sie, wobei sie leise klang, aber besorgt klang.
Das ließ Rayan leicht lächeln. Es war gut, dass sich seine Leute so ins Zeug legten. „Melde dich bei mir, solltest du der Meinung sein, dass es länger anhält und nicht nur die Erschöpfung und Nervosität der Hochzeit ist“, bat er, da er nicht wollte, dass es seiner Zukünftigen schlecht ging.
Das Dienstmädchen knickste mit einem Lächeln.
Rayan nickte zufrieden. „Bitte sorge dafür, dass sie für einen Ausritt bereit ist. Wir gehen gleich nach dem Frühstück. Ich erwarte sie im Speiseraum.“
„Ich werde es Ihr ausrichten“, versicherte das Dienstmädchen höflich.
Nun, nachdem Rayan jedem gesagt hatte, wo er sie sehen wollte, machte er sich auf den Weg zum Speisesaal. Es war zwar noch recht früh am Tag, aber er hatte es lieber, wenn er mehr von diesem hatte. Es gab viel zu tun und er wollte sich nicht zu sehr unter Druck setzen.
Er schlenderte in den Speisesaal, wo er, wie erwartet, auf seinen Bruder traf. Dieser trank Kaffee und hatte neben sich einen kleinen Stapel an Dokumenten. Es war im Grunde ein kleiner Ritus, den sie jeden Morgen vollführten. Sie tranken zusammen Kaffee und unterhielten sich über geschäftliche Dinge. Erst danach würden sie mit den anderen zum Frühstück essen. Rayan hoffte, dass seine zukünftige Frau dieses Ritual nicht zunichtemachen würde.
Er war gerade fertig mit seinem Bruder, als nach und nach die Leute zum Frühstück kamen.
Die Königsfamilie aß mit den Dienern zusammen. Für Rayan war das völlig normal, das am Morgen der Tisch gedeckt wurde und sich dann alle zu ihm an die große Tafel setzten. Wie würde Rosalia darauf reagieren? Sie würde wahrscheinlich entsetzt sein, denn bisher hatten sie immer zusammen gegessen. Er hatte es getan, damit sie sich erst einmal einleben konnte.
Wenn er jetzt an die Worte der Dienerin dachte, fiel ihm auf, dass sie wirklich nicht sonderlich viel gegessen hatte. Rayan hatte es auf die Nervosität geschoben, doch war das wirklich der Fall?
Sie war nicht die letzte, die sich zu ihm gesellte, doch ihr war anzusehen, dass sie überrascht, vielleicht ein wenig verwirrt war. Rosalia schien mit den Leuten am Tisch nicht viel anfangen zu können. Ähnlich ging es auch den Dienern. Diese unterhielten sich untereinander, aber auch mit Rayan. Dabei wurden die Dinge geklärt, die für heute wichtig waren.
Um das meiste im Haushalt kümmerte sich sein Haushofmeister Elmo. Dieser würde auch der neue Ansprechpartner für Rosalia sein, denn als Frau des Königs war es ihre Aufgabe, sich um den Hausstand zu kümmern. Allerdings nur in befehlender Form. Sie würde über Elmo stehen und ihm bei der Organisation helfen. Es war gut, wenn sie ihn bereits kennenlernte.
Auch Nil war anwesend. Im Grunde saßen sie nur zum Frühstück alle zusammen. Auch, weil seine Leute alle eigene Familien hatten, die nicht an dieser Tafel teilnahmen. Das Abendessen war dann Familienzeit. Das hatte damals schon sein Vater eingeführt und er tat es ihm gleich.
„Ist sie erwacht?“, fragte Nil, der besorgt klang.
Rayan sah, dass Rosalia, die nicht so edel zurechtgemacht war, wie er erwartet hatte, ihren Blick zu ihnen wand. Sie schien hören zu wollen, um wen es ging.
„Ja, sie ist erwacht. Du kannst zu ihr, wenn du die Zeit findest“, antwortete Rayan, wurde aber nicht genauer. Stattdessen wandte er sich lächelnd an Rosalia. „Ich möchte heute mit Euch ausreiten und Euch die Stadt zeigen“, sagte er und hoffte, sie so abzulenken. Er wollte nicht, dass sie nach Adora fragte. Warum konnte er nicht sagen. Vielleicht, weil er einfach Streit vermeiden wollte.
Wahrscheinlich würde Rosalia in Adora eine Konkurrenz sehen und das wollte er vermeiden.
Rosalie schenkte ihm ein Lächeln. „Ich würde mich sehr freuen, mehr zu sehen“, sagte sie, bevor sie einen Schluck Wein nahm.
Zum Frühstück gab es keinen Mundschenk. Alles stand auf dem Tisch und jeder nahm sich selbst. Das Essen würde auch noch eine Weile stehenbleiben, damit diejenigen, die nicht dabei sein konnten, noch etwas essen konnten.
Rayan war der Ansicht, dass ein gutes Frühstück wichtig war. Für alle, die im Schloss arbeitete, denn er wusste, dass er ohne Diener nicht weit kommen würde.
Rosalie schien sich damit noch schwer zu tun, denn ihr Teller war leer. Als würde sie es nicht gewohnt sein, sich das Essen selbst zu nehmen.
Daher bot Rayan ihr Ei an, das sie dankbar annahm. Er sackte ihr etwas auf den Teller, bevor er beobachtete, wie sie aß. Sie nahm kleine Bisse als würde es ihr nicht schmecken, doch sie sagte nichts. Stattdessen lächelte sie und lauschte.
Rayan ließ das die Stirn runzeln. Hatte sie vielleicht keinen Hunger? Möglich war es und er wollte sie nicht zum Essen zwingen, würde sie aber später darauf ansprechen. Vielleicht waren ihr auch die Gewürze zu stark. Er wusste nicht, wie das Essen in ihrer Heimat war. Die Umstellung musste sehr groß sein. Das würde auch die Anmerkung der Dienerin erklären. Nur deshalb achtete er jetzt so darauf. Wenn er ehrlich war, war ihr das vorher gar nicht aufgefallen.
Rayan beobachtete und lauschte bis das Essen beendet war. Zudem wartete er, bis die meisten sich zurückgezogen hatten, bevor er sich erhob und Rosalia die Hand reichte. „Bereit für einen Ausritt?“






























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