Adora-Kapitel 11

Rayan war nicht sonderlich überrascht, dass Prinzessin Rosalia so gut reiten konnte. Das gehörte sich einfach für eine junge Prinzessin. Wahrscheinlich war es bei ihr zuhause nicht anders und auch sie musste oft mit ihrer Mutter durch die Städte und Dörfer ihres Herrschaftsgebietes reiten.
Soweit Rayan wusste, gab es in den meisten Gebieten keine richtig festen Herrschersitze. Sein Gebiet war eine Ausnahme, doch auch er musste sich viel mit dem Pferd durch sein Gebiet bewegen. Es war wichtig, dass er sich mindestens einmal im Jahr zeigte, damit die Leute wussten, dass er noch lebte.
„Euer Land ist sehr fruchtbar“, bemerkte Rosalia, wobei Rayan nicht sagen konnte, ob eine Wertung in ihren Worten lag.
Ihre großen, blauen Augen sahen sich neugierig um, doch sonst wirkte ihr Gesicht eher unbewegt. Das war Rayan die letzten Tage schon oft aufgefallen. Als wäre sie nicht in der Lage wirklich Emotionen zu zeigen oder als würde sie es nicht wollen.
Natürlich war es für ein Mitglied der Königsfamilie wichtig, ihre Gedanken nicht immer gleich sichtbar zu machen und die Emotionen unter Kontrolle zu halten, doch Rosalia gelang es, Rayans Meinung nach, einfach zu gut. Als wäre da wirklich nichts, was sie aus der Fassung brachte.
„Hier entlang“, sagte er und führte sie die Hauptstraße entlang und Richtung Stadt. Vorbei an den Stallungen und dem Wald, wo Nil Adora gefunden hatte.
Kaum hatten sie diesen passiert, erschienen vor ihnen weite Felder. Im Moment waren noch die Herbstkürbise zu sehen, doch der Rest war abgeerntet.
Hinter den Feldern konnte man die riesigen Weiden für die Tiere erkennen.
Es war allerdings nicht so, dass die Bauern vor den Mauern lebten. Sie hatten hier lediglich ihre Felder. Ihre Häuser hingegen standen in der Stadt. Rayan legte Wert darauf, dass jeder Mensch, der hier lebte, versorgt war. Daher gab es auch einige Häuser, die elternlose Kinder, Alte oder Arme versorgte.
Die Bauernhäuser lagen direkt an der Stadtmauer. Es gab mehrere Türen, die hinaus zu den Feldern führten, sodass man diese schnell erreichen konnte. Zudem wurden die Häuser immer höher, je weiter sie ins Stadtinnere kam. Die höchsten Gebäude im Mittelpunkt waren Prunkbauten. Ein Tempel und ein Badehaus.
Allerdings hatten die Höhen einen besonderen Sinn. So war die Stadt leichter zu verteidigen. Auf den Dächern konnten Bogenschützen postiert werden, die freie Sicht nach außen hatten.
Sein Vater hatte dieses System damals eingeführt und dafür die gesamte Stadt umgebaut. Soweit sich Rayan erinnerte, war es am Anfang nicht gut angekommen, doch die Bürger hatten schnell gelernt, dass es zu ihrem Besten war.
„Unglaublich“, flüsterte Rosalia, als sie das Treiben auf den breiten Straßen der Stadt bemerkte.
Da sie per Pferd unterwegs waren, kamen sie recht gut hindurch, da die Leute ihnen Platz machten. Zu Fuß hätten sie größere Probleme gehabt.
„Die Hauptstraße, die von vier Seiten zum Mittelpunkt der Stadt führte, teilt die Stadt in unterschiedliche Viertel“, erklärte Rayan. „Direkt um den Tempel und das Badehaus herum befindet sich der Marktplatz.“
„Gibt es Besonderheiten in den Vierteln?“, wollte Rosalia wissen.
Im Moment bewegten sie sich auf der Straße, die das Adelsviertel von dem Viertel der Kaufleute trennte. Dabei konnte man nicht direkt von einer richtigen Trennung sprechen. Auf ihrer rechten Seite befanden sich viele Lagerhäuser, die von den Bewohnern auf der linken Seite betrieben wurden.
Ritten sie über den Marktplatz und weiter Richtung Meer, würden sie auf ihrer rechten Seite das Handwerkerviertel vorfinden. Die linke Seite hingegen, die dem Meer näher war, ähnelte einer Hafenstadt.
Während Rayan erklärte, bemerkte er, dass Rosalia sehr überrascht war. Vielleicht, weil es eher eine unübliche Bauweise war. Hier lebten die Stände nicht strikt voneinander getrennt wie in vielen anderen Städten. Vielleicht war das der Grund, warum sein Königreich Herrico so beliebt war. An manchen Tagen gab es sehr viele Probleme mit Einwanderern. Es waren einfach zu viele, um sie alle unterbringen zu können.
„Castapital ist wirklich eine faszinierende Stadt“, bemerkte die Prinzessin, wirkte aber noch immer so emotionslos. Sowohl in ihren Worten als auch in ihren Gesten. Anfangs hatte Rayan es für perfekte Körperkontrolle gehalten, doch nun fragte er sich, ob es sie vielleicht doch nicht interessierte.
„Ich lege viel Wert darauf, dass hier alles ordentlich ist“, sagte Rayan mit ruhiger Stimme. Ihm war es sehr wichtig, dass alles geregelt war und die Bürger hier in Ruhe leben konnten.
Eigentlich sollten sich Könige und Adlige darum kümmern, das Heer zu stellen und die Gebiete zu verteidigen, doch Rayan tat mehr. Er sorge für Entwicklung und Wohlstand. Etwas, was er, seiner Meinung nach, den anderen Herrschern voraushatte.
Wie es bei Prinzessin Rosalia war, konnte er allerdings nicht sagen. Er hatte nur selten Kontakt mit ihrer Mutter, was wohl auch daran lag, dass sich ihre Eltern nicht sonderlich wohlgesinnt gewesen waren. Daher auch die Hochzeit, um diese Fehde endlich zu begraben. Es wäre wesentlich besser, wenn zwischen den beiden Reichen Frieden herrschte.
Wäre die Königin auch nur ansatzweise wie ihre Tochter, hätte Rayan wohl kein Problem mit ihr. Nur war Rosanna eine Frau, die immer Recht haben wollte. Sie war sehr anspruchsvoll und hochnäsig. Daher war Rayan auch so überrascht, dass Rosalia so ganz anders war. Sie wirkte, als wäre sie das komplette Gegenteil von ihrer Mutter, was Rayan misstrauisch machte. Wie konnte es sein, dass sie so wurde, wenn ihre Mutter doch ganz anders war? War sie vielleicht mehr mit ihrer Amme aufgewachsen? Das wäre eine Erklärung und kam in Adelskreisen eigentlich auch recht oft vor.
„Wie schafft Ihr es, diese Dinge auch noch zu erledigen?“, fragte Rosalia überrascht. Es war das erste Mal, dass er so etwas wie Gefühle in ihrer Stimme hören konnte. „Ist das Verteidigen des Landes nicht kräftezehrend genug?“
„Ich habe meinen Bruder an meiner Seite und viele, denen ich vertraue“, erklärte er, wollte aber noch nicht so viel erzählen. Noch waren sie nicht verheiratet und selbst danach musste er vorsichtig sein. Rayan wusste nicht, ob er ihr vertrauen konnte. Sie war die Tochter einer verhassten Königin und konnte ihr Informationen liefern, die seinem Volk schaden konnten. Selbst, wenn sie verheiratet waren.
Verheiratet gehörte sie zwar dann zu seinem Hof, doch das musste nicht heißen, dass Rosalia ihn nicht verletzen konnte.
„Ich hoffe sehr, dass ich Euch ebenfalls unter die Arme greifen kann“, sagte sie, wobei sie abwesend klang. Ihr Blick glitt zwar hin und her, doch Rayan hatte eher das Gefühl, als wäre sie abwesend. Ein seltsames Verhalten, das ihm schon oft aufgefallen war. Wenn sie sich unbeobachtet fühlte, stand sie manchmal einfach nur herum und starrte auf eine Stelle. Selbst, wenn es dort eigentlich nichts zu sehen gab.
Das machte Rayan nervös, gleichzeitig sorgte es aber auch dafür, dass Rayan sie interessant fand. Ähnlich wie Adora, nur dass Rosalia nicht von innen heraus leuchtete. Was Adora aber auch nicht mehr getan hatte, seitdem sie zusammengebrochen war.
Rayan zeigte Rosalia weiterhin die Stadt und hoffte sehr, dass die baldige Hochzeit schnell zu Ende war. Er brauchte eigentlich nicht noch mehr, denn Rosalia hatte vollkommen Recht: Das Verteidigen des Landes war kräftezehrend. Selbst ohne Rosanna war sein Reich nicht sicher. Es drohten Gefahren, die viele Menschen gar nicht richtig fassen konnten.






























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