Luana – Kapitel 18

„Erzählst du mir, was vorgefallen ist?“, fragte Luana, während sie immer wieder Wasser über Siennas Rücken schöpfte. Es war eine betäubende Mischung, wie sie selbst an den Körperteilen bemerkte, mit denen sie im Wasser war. Für sie fühlte es sich schrecklich an, doch Sienna musste es die Schmerzen nehmen, was gut war.
„Wenn du mir erzählst, was in der Stadt mit dir los war“, murmelte Sienna. Sie hatte sich nach vorn gebeugt und ihre herangezogenen Beine umarmt.
Luana seufzte. „Ich habe, glaube ich, meinen Bruder gesehen“, murmelte sie niedergeschlagen. Sie hoffte, dass es diesem gut ging. Ihr war klar, dass sie sehr viel Glück gehabt hatte, dass sie bei jemanden wie Amon gelandet war. Wahrscheinlich hatte Seydon nicht so viel Glück.
„Das tut mir leid“, meinte Sienna, die zögerlich klang. „Vielleicht … kann ich mit Amon sprechen. Eventuell kann er ihn … kaufen“, sagte sie unsicher. Es schien, als würde sie es selbst hoffen, doch noch nicht ganz glauben.
Luana lächelte gezwungen. „Das wäre wirklich toll“, sagte sie, glaubte aber ebenfalls nicht daran. Sie wollte sich auch im Moment nicht weiter damit beschäftigen. Die Sorge um Seydon war so groß, dass es sie wahnsinnig machte, weil sie gar nichts tun konnte. „Jetzt bist du dran“, sagte Luana, die so das Thema wechseln wollte.
Sienna seufzte leise. „Ich bin schon so oft geflohen, dass ich auch sehr oft bestraft wurde“, gestand sie. „Bei meiner letzten Flucht bin ich geflogen und wurde vom Himmel geschossen. Ich bin in einem Sumpf gelandet und halb untergegangen. Weil ich Angst hatte, dass die Sklavenhändler mir meine Flügel entfernen, habe ich sie eingezogen. Allerdings waren sie nass, voller Wunden und Dreck“, erzählte sie und versuchte dabei scheinbar möglichst distanziert zu sein.
„Das tut mir leid“, meinte Luana, die sich das gar nicht vorstellen konnte.
Sanft fuhr sie mit dem Schwamm über Siennas Schultern und reinigte ganz vorsichtig ihren Rücken und die Reste ihrer Flügel. Obwohl kein Blut mehr daran klebte, konnte Luana noch immer nicht zu lange darauf schauen. Es sorgte dafür, dass ihr schlecht wurde.
Sienna seufzte leise. „Ich weiß nicht warum, aber mir fällt es schwer lange Zeit an einem Ort zu bleiben, selbst wenn ich mich mit meinem Herrn eigentlich ganz gut verstehe“, gestand sie zögerlich. „Hier ist es schön. Amon kümmert sich gut um mich und trotzdem …“ Erneut seufzte Sienna.




„Du bist nicht frei“, sagte Luana, die durchaus verstand, was Siennas Problem war. Ihr ging es in ihrem Rudel ähnlich, doch sie hatte in den Wald gehen und sich dort frei fühlen können. Es war zumindest ein bisschen besser.
„Ich weiß“, wimmerte Sienna, die plötzlich begann, zu weinen. Es kam so plötzlich, dass Luana einige Sekunden brauchte, bevor sie Sienna in den Arm nahm, um sie zu beruhigen.
„Es tut mir leid, ich wollte dir das nicht so sagen“, flüsterte sie, da ihre Worte wohl zu direkt gewesen waren. Sienna hatte schon genug Sorgen.
Sienna schniefte leise. „Ich mag ihn sehr, aber … ich kann nicht hier bleiben“, flüsterte sie und schien völlig verzweifelt.
Luana konnte nichts für sie tun, weshalb sie die Itari lediglich hielt und sanft streichelte.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, jammerte Sienna, die scheinbar einfach komplett am Ende war. Wenn Luana an das dachte, was gerade geschehen war, konnte sie das verstehen.
Sie machte beruhigende Geräusche und streichelte sie weiter. „Es ist in Ordnung“, sagte sie sanft, bevor sie sich mit Sienna etwas zurücklehnte und sie in den Arm nahm. Vielleicht musste diese einfach nur weinen. Das konnte helfen, wenn die Gefühle sie überforderten.
Sienna weinte in Luanas Umarmung weiter, bis sie scheinbar sogar einschlief.
Luana lächelte leicht und hoffte, dass sie so ein bisschen Ruhe haben würde. Allerdings wusste sie nicht, was sie nun tun sollte. Eigentlich musste sie Sienna abtrocknen und mit der Salbe bearbeiten. Gleichzeitig wollte sie diese auch nicht wecken.
Sollte sie Amon holen? Aber wie, ohne Sienna allein in der Wanne zu lassen? Sie würde vielleicht untergehen und ertrinken.
Luana musterte die junge Frau und hob sich dann so, dass sie am Rand liegen konnte. Diese war warm, weil es generell im Raum recht warm war. Amon hatte nicht nur das Wasser, sondern auch die Luft erhitzt. So war es sehr angenehm.
Luana nutzte ein Handtuch, um Sienna damit zuzudecken. Dann nahm sie sich selbst eines und trocknete sich erst einmal ab. Es war ein Wunder, dass Sienna nicht aufgewacht war. Sie musste sehr erschöpft sein.
Nachdem Luana sich angezogen hatte, trocknete sie Sienna so gut es ging ab und versuchte dann, sie auf die Liege zu bringen. Als Werwölfin war sie recht stark, was ihr jetzt zugutekam. Es gelang ihr, Sienna auf den Bauch auf die Liege zu legen, ohne sie zu wecken. Dann begann sie, ihren Rücken mit der Salbe einzureiben und die Knochen an den Stellen, welche der Vampir ihr genannt hatte, ebenfalls.




Als sie mit allem fertig war, verließ sie kurz das Bad, um Amon Bescheid zu geben. Dieser kam mit ihr zusammen ins Badezimmer und hob Sienna sanft hoch. „Ich bringe sie ins Bett. Du gehst raus und hilfst im Garten“, wies er Luana an, was diese überraschte. Normalerweise hätte sie bei Sienna bleiben sollen, doch es wirkte eher so, als hätte Amon gern Zweisamkeit.
Luana nickte. „Wie Ihr wünscht“, erwiderte sie, bevor sie sich auf den Weg machte, um ihrer Aufgabe nachzukommen. Dabei glitten ihre Gedanken von Sienna zu Seydon. Waren noch andere von ihrem Rudel hier? Wie konnte sie diese finden?

Kommentare