Luana – Kapitel 43

„Ich glaube, ich sehe nicht richtig“, bemerkte Seydon, den Luana gerade auf der Mauer besuchen war, um zu prüfen, ob alles nach Plan verlief.
Sie folgte seinem Blick und riss überrascht die Augen auf, als sie am Horizont ein paar Punkte erkannte.
Zuerst verspannt sie sich, doch dann erkannte sie Amon, der eine große Gruppe führte.
„Kommen sie in Frieden, oder möchte Amon uns mit dieser kleinen Armee erobern?“, scherzte Seydon, der angespannt klang.
Luana schluckte. Sie vertraute Amon, konnte aber nicht verhindern, dass dieser Anblick sie nervös machte. Es waren viel mehr, als sie erwartet hatte.
Am nervösesten machte sie die Tatsache, dass auch Vampire unter ihnen waren.
„Ich muss Sienna holen“, sagte sie und sprang von der Mauer, um loszurennen.
Ihr Ziel war der Garten am ehemaligen Gemeinschaftshaus. Dieses war mittlerweile zu einer stattlichen Residenz ausgebaut worden und war von Weitem zu sehen.
Luana kam keuchend in dem Garten am, in dem Sienna Nadeschda und Nikidamus gerade ein paar Dinge über eine besondere Pflanze erklärte.
„Das musst du dir ansehen“, brachte Luana keuchend hervor.
Sienna schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. „Amon kommt zurück. Ich weiß. Ich spüre ihn“, sagte sie liebevoll, während sie eine kleine Blume einpflanzen.
„Nein. Ja. Aber …“, begann Luana, die ihre Gedanken gar nicht schnell genug in Worte fassen konnte.
Das schien Sienna zu alarmieren und sie erhob sich, bevor sie sich die Hände mithilfe einer Wasserkugel reinigte. „Was ist los?“, fragte sie besorgt.
„Das musst du dir ansehen“, wiederholte sie noch immer atemlos.
Damit hatte sie Siennas Aufmerksamkeit, denn sie eilte zu ihr und ihr dann durch die Straßen von Yama hinterher.
Gemeinsam erklommen sie die Mauern und blickten in die Ferne.
Luana musste kurz die Augen zusammenkneifen, da die Sonne auf dem Schnee sehr stark blendete, doch dann gewöhnte sie sich daran. Sienna schien dieses Problem nicht zu haben, denn sie keuchte.
„Was für eine Menge“, brachte sie nach Luft schnappend hervor. „Wir … Wir können sie nicht sofort alle reinlassen“, sagte sie mit einem überforderten Ton in der Stimme.
„Wir müssen zuerst schauen, ob man ihnen trauen kann“, stimmte Seydon zu, der bereits mit Ragnar darüber sprach, was sie tun konnten.




„Haben wir eine Möglichkeit, sie alle erst einmal gesammelt unterzubringen?“, fragte Ragnar, der scheinbar selbst ratlos war.
Auch Sienna zuckte die Schultern und tat es Luana damit gleich. „Nicht die Massen“, sagte Sienna, während Luana: „keine Ahnung“, hervorbrachte.
„Iglus vor dem Tor?“, fragte Seydon und blickte in die Runde. „Bis Amon uns das erklärt hat“, fügte er hastig hinzu, denn nicht nur Luana gefiel die Idee, die Leute draußen schutzlos in der Kälte zu lassen, nicht.
„Das ist eine Idee. Ich hole die anderen“, sagte Ragnar, der von der Mauer sprang und sofort losrannte. Es gab einige Einwohner, die sehr gut mit Magie umgehen konnte. Diesen war es sicherlich möglich, einige Iglus zu erschaffen, damit die Leute erst einmal Unterkunft besaßen.
„Ich sage Rebecca Bescheid. Wir brauchen Nahrung für sie“, meinte Luana, die sich fragte, wie eine so große Gruppe ohne Nahrung einfach so lange laufen konnte.
Sienna nickte und erst dann machte sich Luana auf den Weg. Es war ihr wichtig, irgendwas Sinnvolles zu tun. Gleichzeitig fragte sie sich, ob es ihnen gelungen war, ihre Spuren zu verschleiern. Was, wenn man ihnen folgte, weil sie so groß waren? Hatte man sie vielleicht gesehen?
„Rebecca, wir haben da ein Problem“, erklärte Luana, die sich an das kleine, eigentlich immer offene Fenster begab, wo Rebecca das Backwerk nach draußen reichte.
Sie konnte die junge Frau vor dem Backofen aus Lehm sehen, in den sie gerade einige Leibe Brote schob.
Rebecca beendete ihre Arbeit, bevor sie zu Luana blickte. „Was gibt es denn für Probleme?“, wollte sie wissen, klang aber nicht, als wäre sie besonders beunruhigt.
„Man könnte sagen, wir bekommen eine ganze Menge Besuch und die wollen sicher etwas essen“, meinte Luana, die gar nicht wusste, wie sie es sonst sagen sollte.
„Was heißt eine ganze Menge?“, fragte Rebecca überrascht, während sie sich die Hände an ihrer Schürze abwischte.
Überfordert zuckte Luana mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich glaube, es sind mehr, als wir“, brachte sie mühsam hervor, denn diese Tatsache machte ihr irgendwie Angst.
Sie schaffte es, mit Rebecca zu klären, dass diese sich mit Robin an eine deftige Suppe machen würde. Diese könnten sie ihren Gästen dann anbieten.




Wie sie diese überprüfen wollten, wussten sie zwar noch nicht, doch das würde sicher irgendwie kommen.
Als Luana zurück zu Sienna kehrte, waren Amon und seine Leute schon sehr nah. Allerdings waren auch ihre Leute auf den Mauern, um die Iglus zu erschaffen und gleichzeitig im Notfall eingreifen zu können. Es waren nicht viele Bogenschützen unter ihnen, da sie nicht viele Bögen hatten, doch die paar würden zumindest einen kleinen Vorteil bieten.
Sienna griff aufgeregt nach Luanas Hand. „Komm, wir gehen raus, um sie zu begrüßen“, sagte sie, wobei ihre Stimme vor Aufregung zitterte.
Luana konnte sie verstehen und drückte beruhigend ihre Hand. „Ja, das machen wir“, stimmte sie zu, auch wenn es wohl gefährlich war. Trotzdem wollte sie, ähnlich wie Sienna, wohl die Leute sehen, begrüßen und einen ersten Eindruck von ihnen haben.
Ragnar folgte ihnen. „Ich lass euch sicher nicht allein gehen“, bemerkte er, während beide Frauen zum Haupttor gingen und dieses öffnen ließen.
Zu dritt traten sie hinaus in die Kälte, denn Amons Schild reichte nur genau bis zur Außenseite der Mauer. So waren die Angreifer der Kälte ausgesetzt, während die Verteidiger im Warmen waren.
Luanas Blick glitt auf die ganzen Leute, die immer näherkamen. Sie stampften durch den Schnee, weshalb es schwer war, Näheres zu erkennen. Dennoch konnte Luana sehen, dass darunter nicht nur Sklaven, sondern auch Vampire waren. Was taten diese hier? Warum brachte Amon so viele Leute mit.
Sienna drückte Luanas Hand noch ein wenig mehr. „Was geht hier vor?“, fragte sie atemlos, denn auch sie musste sehen, dass darunter Vampire waren.
Luana streichelte beruhigend ihre Hand. „Ich weiß es nicht, aber wir schaffen das schon. Zusammen.“

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