Mirinia-Kapitel 10

Kapitel 10

Nach einem recht sporadischen Schlaf, weil ihre Gedanken immer wieder auf Wanderschaft gegangen waren, erwachte Mirinia am nächsten Tag. Verschlafen und müde schleppte sie sich die Treppe hinab und war verwundert, als sie niemanden antraf.

Gähnend setzte sie sich auf den Barhocker und bestellte ein Wasser und wartete auf das Frühstück.

Sean, der schon wach war, grummelte vor sich hin. Dabei schnappte Mirinia auf, dass er verärgert darüber war, dass heute niemand hier war. Allerdings konnte sie auch immer wieder ein Schmunzeln in seinem Blick sehen.

„Was ist denn heute Morgen los?“, fragte sie, weil sie offiziell davon nichts wusste. Allerdings glaubte sie zu wissen, wo die Leute abgeblieben waren. Immerhin hatte der Müller gestern nach Leuten für einen Bau gesucht. Sie hoffte sehr, dass alle Baumaterialien angekommen waren.

„Sin uff de Baujelle“, bemerkte Sean, während er ihr das Wasser auf den Tisch donnerte. Gefolgt von einer Schüssel Körnerpampe, die nicht gerade appetitlich aussah. „Dat Mica hats jeschafft Geld und Materialien zu besorschen“, brachte er hervor, als würde Mirinia wissen, worum es ging.

Sie griff nach der Schüssel und dem Holzlöffel, bevor sie kostete. Es war warm und schmeckte gar nicht so schlecht. „Was genau meinst du?“, fragte sie, auch wenn sie ein wenig folgen konnte.

„De Müller“, brachte der Wirt hervor, als wäre klar, über wen er sprach. „Mal sejen, ob seine Mühle jans bleibt“, murmelte er vor sich hin, was Mirinia hellhörig machte.

„Was meinst du damit? Warum sollte sie wieder kaputt gehen, wenn scheinbar alle reparieren helfen?“

„Na, weil …“, setzte er an, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Wat globste, warum ich mene Taverne nich jepariere?“, fragte er, wobei er Mirinia nicht ansah.

Diese kniff die Augen zusammen. „Weil es jemand anderen dazu veranlassen könnte, sie wieder kaputt zu machen?“, fragte sie, wobei sie lauernder klang, als sie beabsichtigt hatte.

„Jenau. Aber halt dik da russ“, warnte er, klang aber nicht sonderlich besorgt. „Sonst biste bald weg.“

Also wusste Sean von den Sklavenhändlern. War er auch einer von denen, die unter ihnen litten?

Mirinia konnte sich das kaum vorstellen. Zuerst hatte die Königin, die hier geherrscht hatte, das Dorf ausgenommen und es dann diesen zwielichtigen Gestalten überlassen. Das war wunderbar.



Wollte sie sich etwa deshalb nicht um das Dorf kümmern? Kannte sie die Kerle, die dahintersteckten vielleicht?

Priska war bekannt dafür, Sklaverei zu dulden und auch viele zu besitzen. Möglicherweise kaufte sie sogar Waren von ihnen.

„Und da greift niemand ein?“, fragte Mirinia, die in ihrem Essen rührte und immer wieder einen Happen nahm, obwohl sie nicht wirklich Hunger hatte.

„Wer denn?“, fragte der Mann kopfschüttelnd. „De Jönigin sin wa jegal.“

„Ich habe gehört, es gibt eine neue“, stellte Mirinia fest, wobei sie es wie eine Frage klingen ließ.

Als Antwort erhielt sie nur eine abwinkende Geste. Ein deutliches Zeichen, dass er keine Hoffnung in sie setzte. „Wenn se uns jin Ruhe lässt, isses jud“, brachte er nur hervor.

So langsam glaubte Mirinia zu verstehen, wie die Leute hier tickten. Dabei war sie erst einen Tag hier. Trotzdem hatte sie schon einiges erlebt.

Als sich die junge Frau erhob, stellte sie fest, dass sie es hier mochte, obwohl die Leute sehr rau waren. Sie wollte ihnen etwas Gutes tun. Nicht, um von ihnen Anerkennung zu erfahren, sondern um ihnen zu zeigen, dass nicht alles nur Dunkel war.

Als sie sich auf den Weg zur Mühe machte, bemerkte sie sehr schnell, dass viele ebenfalls auf den Weg dorthin waren. Trotzdem traf sie Dylan an der alten Mauer, die auf dem Weg vom Dorf zum See lag. Er rauchte, beobachtete aber gleichzeitig die Leute. „Guten Morgen“, grüßte sie ihn, was Dylan nicht einmal zucken ließ. Dabei konnte er sie gar nicht gesehen haben, weil er mit den Rücken zu ihr stand.

„Interessant ist wohl die richtigere Wortwahl“, bemerkte er, bevor er sich zu ihr umwandte und seine Zigarette an den alten Steinen ausdrückte und dann fallenließ. Sie landete bei weiteren, die zeigten, dass er oft hier war.

„Ist es das?“, fragte Mirinia, die zur Mühle blickte. Selbst von hier konnte sie die Menge an Leuten erkennen, die sich dort versammelt hatten.

„Es kommt nicht oft vor, dass jemand hier Leute darum bittet, etwas zu reparieren. Normalerweise sind die meisten zu resigniert dazu“, erklärte Dylan, der sich von der Wand abstieß. „Ich schätze, du bist neugierig?“

Mirinia nickte und konnte es kaum erwarten, loszulaufen. Sie wollte sehen, ob wirklich alles angekommen war.



Wie sie gehofft hatte, erkannte sie, als sie näherkamen, die Dorfbewohner, die allesamt da waren, um sich anzusehen, was vonstatten ging.

Das Baumaterial stapelte sich und auch der Weizen, den sie eingekauft hatten, war angekommen. Evel und Cassian hatten ganze Arbeit geleistet. Sie war stolz auf die Beiden. Hoffentlich ruhte sich Cassian heute auch gut aus.

„Wie ist er an das Baumaterial gekommen?“, fragte Mirinia, die immer noch die Rolle der Unwissenden spielen musste.

Dylan blickte zu ihr, wobei er sie eingängig musterte. „Vermutlich hat er Unterstützung, aber niemand weiß das so genau. Er schweigt dazu“, erklärte er und zuckte die Schultern.

Das war durchaus interessant. Warum sagte Micas nicht, dass die Königin es besorgt hatte? Weil es ihm niemand glauben würde oder hatte er gar Angst davor, dass herauskam, dass er im Namen der Königin handelte? Mirinia würde das im Auge behalten.

 

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