Mirinia-Kapitel 12

Kapitel 12

Als Mirinia bei Magarith ankam, war sie sich unsicher, ob die Idee so gut war. Sie hatte drei der Fische roh in große Blätter geschlagen, um sie zu transportieren. Währenddessen kümmerte sich Dylan um den restlichen Fisch. Er briet ihn und filetierte einige davon.

Würde die Bäckerin das wirklich wertschätzen?

Als sie die Tür öffnete und Magarith aufsah, lächelte sie. „Deine Brote sind fertig“, erklärte sie gut gelaunt.

Mirinia stieg der Duft von frischen Backwaren in die Nase und sie atmete tief ein. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass Magarith mit dem Fisch etwas anfangen konnte. Trotzdem wollte sie es versuchen. „Ich hab dir auch was mitgebracht“, erklärte Mirinia zögerlich, bevor sie ihr kleines, schlecht verpacktes Päckchen auf den Tisch legte.

Zuerst wirkte Magarith verwirrt, bis Mirinia die Blätter zurückzog. Ihr Gesicht hellte sich auf. „Fisch“, brachte sie atemlos hervor. „Und so viel davon.“

Es erleichterte Mirinia, dass die Frau so reagierte, denn sie hatte fast damit gerechnet, dumm angesehen zu werden. Aber vermutlich lag das auch nur daran, dass sie selbst nicht ganz verstand, was ein Bäcker mit Fisch wollte. Das passte ihrer Meinung nach nicht richtig zusammen. „Wo hast du den her, Mädchen und was willst du dafür haben?“, fragte sie und rieb sich die Hände.

„Gefischt. Ich habe noch einige mehr, die ich aber mit dem Brot für die Arbeiter vorbereitet habe“, erklärte sie, was die Frau einen Moment innehalten ließ.

„Du willst das Brot für die Arbeiter?“, fragte sie irritiert. Mirinia nickte und holte bereits das Geld hervor.

„Gibt es damit ein Problem?“, fragte sie, als Magarith schnell ihren Kopf schüttelte und Mirinias Hand mit dem Geld zurückschob.

„Wenn sie wirklich für die Arbeiter an der Mühle sind, dann wirst du sie nicht bezahlen“, sagte sie ernst. „Immerhin helfen sie meinem Mann beim Aufbau.“

Sie hatte als recht gehabt! Beide waren verheiratet.

Einen Moment zögerte Mirinia, bevor sie die Hand zurückzog. „Gut, aber nimm dafür den Fisch“, erwiderte sie, was die Bäckerin mit der Zunge schnalzen ließ.

„Einer der Fische ist genug wert für das ganze Brot“, sagte sie. Mirinia schätzte ihre ehrliche Art und obwohl das Geld hier knapp war, schienen sich die Bewohner untereinander zumindest zu unterstützen und nicht übers Ohr zu hauen.



„Ich habe wirklich genug davon. Ich überlege, sie zum Verkauf anzubieten. Was wäre deiner Meinung nach ein guter Preis?“, fragte sie, schob aber trotzdem alle drei Fische über den Tresen. Sie würde kein Geld dafür nehmen!

Magarith besah sich den Fisch. „Es ist eine sehr gute Qualität und vor allem frisch. In anderen Dörfern würde man vermutlich bis zu fünfzig Bronze verlangen können.“

Damit hatte sie recht, doch hier würde sich das niemand leisten können.

Mirinia überlegte einen Moment. „Ich denke, ich habe eine Idee“, sagte sie und würde das Ganze mit Dylan noch besprechen. Aber erst einmal packte sie das Brot ein, um sich dann wieder zurück zu ihm zu begeben. Hoffentlich hatte er eine Idee, wie sie das Essen an die Männer bringen konnte.

Als sie bei ihm ankam, hatte er einige der Fische gebraten und zwei Körper organisiert.

Es war nicht das Hygienischste, um Essen zu transportieren, aber im Moment hatten sie wohl keine andere Wahl.

„Du hast das mit dem Brot ja wirklich ernst gemeint“, bemerkte Dylan, als hätte er immer noch erwartet, dass es nur ein Spaß gewesen war.

„Ich habe es gegen die drei Fisch getauscht, weil Magarith kein Geld wollte“, erklärte sie und legte das Brot in den Korb. Dann blickte sie unsicher zu dem Fisch.

Ihr kamen die ersten Zweifel. Würden die Männer auf der Baustelle ihre Geste annehmen?

Für diese war sie immerhin nur eine Besucherin, die erst seit etwas mehr als einem Tag hier war. Das sie jedoch die Königin ihres Dorfes war und sich versuchte, um die Bewohner zu kümmern, ahnte keiner. Daher fragte sie sich, ob es nicht doch etwas seltsam rüberkommen würde.

Trotzdem wollte sie es durchziehen. Sie griff den Korb und blickte Dylan fragend an, der jedoch nur den Kopf schüttelte. „Das wirst du allein machen müssen“, sagte er und Mirinia hatte das Gefühl, dass er sich wirklich unwohl fühlte.

Wenn sie so darüber nachdachte und alle Fäden verband, dann arbeitete Dylan eigentlich für die Sklavenhändler und diese wollten den Bau der Windmühle verhindern. Warum also half er ihr, da sie doch vorhatte, die Bauarbeiter zu unterstützen?

Zumindest würde das dann erklären, warum er nicht mitkam. Er wollte nicht beim Helfen gesehen werden.



Unruhig machte sich Mirinia mit zwei Körben auf den Weg zur Mühle.

Dort entdeckte sie Ava, die abseits der Bauarbeiten auf dem Feld spielte. Dieses war schon abgeerntet und gepflügt, daher hatte sie freie Bahn.

Als sie Mirinia erblickte, winkte sie ihr zu und kam auf sie zu gerannt. „Hallo“, sagte sie atemlos und strahlend. „Bist du hier, um den Arbeitern vorzusingen?“, fragte sie ganz aufgeregt.

Zuerst wollte Mirinia fragen, warum sie das tun sollte, doch eigentlich war das auch eine ganz gute Idee. Damit konnte sie ihnen vielleicht ein wenig die Arbeit versüßen. „Wieso nicht?“, fragte sie und holte eines der Brote hervor, was bei Ava für große Augen sorgte. Als Mirinia auch noch mit einem Messer ein Stück Fisch für sie abmachte und auf das Brot legte, strahlte sie bis über beide Ohren.

Mit reichlich Hunger biss sie hinein und kaute genüsslich.

Mirinia lachte leise. „Ich bin hier, um den Arbeitern ein wenig Essen zu bringen“, sagte sie mit einem Schmunzeln über die Reaktion des Mädchens. Sie schien Fisch zu mögen. „Bei uns im Dorf war das so üblich.“

Ava kaute und nickte dabei, als weitere Kinder zu ihnen kamen.

Mirinia hatte nicht gewusst, dass es im Dorf so viele gab. Sie schienen entweder immer draußen zu spielen oder im Haus zu sein, wenn sie im Dorf unterwegs war.

Da sie Ava etwas gegeben hatte, teilte sie auch an die anderen Kinder aus.

So erfuhr sie nach und nach ihre Namen und vergaß fast, was ihr eigentliches Ziel gewesen war.

Da sie sich selbst nicht traute, entschied sie sich dazu, die Kinder mit einzuspannen.

„Ava, wo sie dein Papa?“, fragte sie, was das Mädchen innehalten ließ. Dann zeigte sie auf die Windmühle.

„Irgendwo dort.“

„Darfst du dorthin?“, fragte Mirinia, da sie annahm, dass die Kinder nicht zur Baustelle durften.

Sie überlegte einen Moment, bevor sie nickte.

Mirinia holte aus dem Korb ein weiteres Brot und belegte es mit Fisch, bevor sie es Ava reichte. „Bring das bitte deinem Papa und sag ihm, dass ich mit ihm sprechen möchte“, erklärte sie und hoffte, dass sie wirklich tat, was sie ihr sagte. Kinder verstanden immerhin nicht immer die Wichtigkeit von Botschaften.

Ava machte ein ernstes Gesicht und nickte, als sie das Brot entgegennahm.



Sofort lief sie los und rief nach ihrem Papa. Mirinia konnte beobachten, dass dieser nicht ganz begeistert von der Störung war, doch auf sein Mädchen zuging. Stolz reichte sie ihm das Brot, was bei Micas nicht gerade auf Freude stieß. Er tadelte Ava sogar, doch das Mädchen ließ sich davon nicht stören. Stattdessen drehte sie sich um und deutete auf Mirinia.

Diese seufzte erleichtert, denn Micas kam auf sie zu. Dann konnte sie das mit ihm besprechen.

Als er ankam und noch bevor er den Mund aufmachte, reichte sie ihn beide Körber. „Das ist Brot und Fisch. Für die Arbeiter, die deine Mühle reparieren“, erklärte sie, was bei Micas für Verwirrung sorgte.

Er blickte in die Körber und weitete dann seine Augen. „Wieso?“, fragte er verwirrt hervor.

Mirinia lachte leise. „Deine Frau hat mir am ersten Tag hier sehr geholfen und du hast mir erlaubt, deine Mühle zu malen. Also wollte ich mich erkenntlich zeigen. In meinem alten Dorf gehörte sich das so“, erklärte sie und tat selbst so, als wäre sie eine einfache Bewohnerin dieser Gegend.

Micas war skeptisch, das konnte sie sehen, doch dann schien der Geruch ihn wirklich neugierig zu machen. Er nahm sogar einen Bissen seines Brotes.

„Es ist einfach nur Brot und Fisch“, erklärte Mirinia. Ein einfaches Essen, das sie jedoch recht gut besorgen konnte.

Micas kaute nachdenklich und schluckte. „Einfach, aber energiereich“, bemerkte er und nahm die Körbe entgegen. „Warum bringst du sie ihnen nicht selbst?“, fragte er skeptisch.

Mirinia lächelte schief. „Ich kenne noch nicht alle … ich will nicht, dass sie es ablehnen“, erklärte sie zögerlich.

Micas nickte. „Gut, dann werde ich es in deinem Namen verteilen“, sagte er.

Mirinia lächelte. „Du musst nicht sagen, dass es von mir ist“, versicherte sie. „Hauptsache, es wird angenommen.“

Micas Blick wurde überrascht, bevor er Mirinia musterte.

„Nun gut“, gab er sich geschlagen, als er erkannte, dass er mit Mirinia nicht diskutieren konnte. Vermutlich wollte er ihre freundliche Geste auch nicht einfach ablehnen. „Und ab Morgen möchte ich auf dem Markt Fisch anbieten“, erklärte Mirinia noch, was Micas leicht den Kopf schütteln ließ.

„Das kann sich keiner leisten“, stellte er fest.



Mirinia winkte ab. „Einmal am Tag bekommt jeder Bewohner einen Fisch für einen Bronze“, erklärte sie. „Ihr habt es hier nicht sonderlich einfach und trotzdem habt ihr mich so freundlich aufgenommen“, fügte sie hinzu und lächelte.

Micas Blick wurde ernst. „Bitte pass auf. Hier einen Stand zu eröffnen … ist nicht einfach“, erklärte er angespannt und blickte unsicher umher.

Mirinia ahnte, dass es etwas mit den Sklavenhändlern zu tun hatte. Diese hatten das Dorf richtig im Griff. Darum erwartete sie regelrecht, dass sie Mirinia bedrohen würden oder Geld fordern. Genau das, was sie wollte, denn sie wollte herausfinden, wer alles dazugehörte.

„Ich passe auf“, versprach sie.

Kommentare