Mirani-Kapitel 19


~Asher~
Als Mirani in meinen Armen eingeschlafen war, löste ich mich vorsichtig von ihr. Sie wirkte so unschuldig und entspannt, dass ich sie auf keinen Fall wecken wollte. Also bettete ich vorsichtig ihren Kopf auf die Kissen.
Ich musterte ihr zartes Gesicht und kämpfte den Drang, ihre Wange zu streicheln, nieder. Sie sah aus wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe. Eine, die jederzeit kaputt gehen konnte, weshalb es mir schwerfiel, mich von ihr abzuwenden.
Ich konnte nicht benennen, was es war, doch ihre Nähe beruhigte meinen Wolf. Er gab mir nicht mehr das Gefühl, sich ständig behaupten zu müssen.
Mein Körper reagierte auf sie, doch nicht so, wie sonst. Ich wollte sie berühren und streicheln, aber sie nicht unterwerfen. Das irritierte mich, weil ich nicht wusste, wie ich mit ihr umgehen sollte.
Seufzend löste ich meinen Blick von ihr. Ich verließ das Zelt, ohne noch einmal zurückzuschauen. Würde ich das tun, würde ich nicht gehen.
Ich hieß die eisige Kälte willkommen, die sich wie feine Nadelstiche auf meinen Körper legte. Sie sorgte dafür, dass sich meine Gedanken änderten. Trotzdem spürte ich das Ziehen zwischen meinen Lenden.
Diese Frau machte mich auf mehrere Arten verrückt. Ich spürte ihre Nähe noch immer auf meiner Haut kitzeln. Nicht eindringlich, aber einladend.
Ich zog die kalte Luft ein und schloss meine Augen, während meine Finger in meiner Tunika nach einer kleinen Dose suchten.
Mutter war noch nicht zurück und ich hatte Zeit.
Hier in Tahr’Asif würde ich keinen Ort finden, an dem ich mich jetzt beruhigen konnte. Es blieb mir also nicht viel anderes übrig, um meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.
Ich zog die kleine, silberne Schatulle aus meiner Innentasche und öffnete sie. Darin befand sich weißes Puder. Raq’har, ein Salz, das eigentlich nur für besondere Feste benutzt wurde und gleichzeitig schon fast mein gesamtes Leben an meiner Seite war.
Für andere sorgte es für mehr Empfindsamkeit, doch bei mir hatte es eine eher betäubende Wirkung, um meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
Mein Arzt hatte gemeint, es hinge mit meiner Gabe zusammen, doch sicher war ich mir da nicht.
Vorsichtig tauchte ich einen Finger in das feine Salz, bevor ich es mit der Zunge ableckte und die Schatulle sofort wieder verstaute. Das Kribbeln, das es auf meiner Zunge hinterließ, hieß ich sehr willkommen.
Kaum schluckte ich, spürte ich Wärme und Ruhe in mir aufsteigen.
Die Kälte störte mich nicht mehr und meine Schultern entspannten sich.
Ich richtete meinen Blick in den sternenklaren Himmel, doch meine Gedanken wanderten immer wieder zu Mirani.
Wieso ging sie mir einfach nicht aus dem Kopf? Meine Gedanken sollten bei den Problemen meines Rudels sein und doch machte ich mir Sorgen darum, ob Mirani es aushalten würde, uns weiterzuhelfen.
»Wie ich sehe, bist du noch wach«, grüßte mich Mutter, die erschöpft aussah und sich durch das unordentliche, blonde Haar fuhr. »Ich konnte herausfinden, dass Beidou tatsächlich zu einer Karawane gehörte. Eine, die früher mit Tahr’Asif gehandelt hat, aber schon seit einiger Zeit nicht mehr auftauchte«, erklärte sie, ohne weiter mit Geplänkel zu verschwenden. Es interessierte sie nicht wirklich, warum ich noch wach war, das wusste ich.
Ich nickte, hörte aber nur mit einem halben Ohr zu. Mirani hatte also recht. Dieser Wolf war Beidou.
»Dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Karawane verschwunden ist?«, fragte ich, denn das war es, was ich heraushörte. Wenn die ganze Karawane verschwunden war, würde es nicht ganz so viel Aufsehen erregen, wie bei einer Person. Dann könnte der Rest von deren Verschwinden berichten. Es kam vor, dass Karawanen in der Wüste angegriffen wurden und danach ihre Arbeit an den Nagel hingen. Vielleicht glaubten die Bewohner von Tahr’Asif genau das. Dass die Mitglieder in einer anderen Gegend ein ruhiges Leben führten.
»Ja. Aber wir müssen es weiter untersuchen. Hat Mirani sonst noch irgendwas gesagt?«, fragte sie, wobei es mich ärgerte, dass sie sich nicht nach Miranis Wohlbefinden erkundigte. Maeves gegenüber hatte sie sich anders verhalten. Dort hatte sie den Eindruck gemacht, sich gut um Mirani zu kümmern. Mir vermittelte sie jedoch das Gefühl, dass es ihr eigentlich egal war, solange sie hilfreich war.
»Mirani sagte etwas in die Richtung, dass sie vermutet, dass Folter im Spiel ist«, erklärte ich, auch wenn es nicht ganz das war, was sie gesagt hatte. Allein der Gedanke, dass sie den Schrecken selbst erlebt hatte, ließ mich wütend werden.
»Das ist gut zu wissen. Vielleicht ist sie doch nicht ganz unnütz«, bemerkte Mutter gedankenverloren.
Wut packte mich, doch es gelang mir, diese hinunterzuschlucken. Mirani war alles andere als unnütz! Ohne sie hätten wir nicht einmal einen einzigen Anhaltspunkt. Jetzt hatten wir sogar mehrere. »Kümmer dich darum, noch mehr herauszufinden. Ich mache alles bereit, damit wir morgen weiterreisen können.«
Ich biss die Zähne zusammen. So wie es Mirani ging, war sie vermutlich nicht in der Lage, morgen weiterzureisen. Aber Mutter schien das egal zu sein. Ich wusste auch, dass es nichts brachte, wenn ich ihr widersprach. Hatte sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt, dann war das unausweichlich.
»Reisen wir mit einer Karawane?«, fragte ich, während das Raq’har dafür sorgte, dass ich mich im Zaum halten konnte, obwohl ich absolut nicht ihrer Meinung war. Aber Mutter war die herrschende Alpha. Der Einzige, der ihr widersprechen konnte, war Vater. Aber dieser hatte sie persönlich damit betraut, herauszufinden, was hinter den toten Wölfen stand und das tat sie. Ich war zwar nicht mit ihrer Art einverstanden, doch sie arbeitete hart.
»Ja. Wir werden mehrere Tage unterwegs sein. Sorge dafür, dass Mirani es schafft, ohne uns Ärger zu machen. Als Omega wird es ihr sicher nicht leichtfallen.«
Ich stieß den Atem aus. »Dann misch dich nicht ein, wenn ich mich um sie kümmere«, erwiderte ich und blickte Mutter ernst an. »Selbst, wenn ich sie dafür berühren muss.«
Mutter schnaubte und musterte mich eingängig. »Solange sie nicht zusammenbricht. Meinetwegen. Aber lass das bloß nicht ihre Mutter erfahren.«
Ich hob eine Augenbraue und verkniff mir einen Kommentar. Wenn Mirani etwas zu sagen hatte, dann vermutlich eher über Zahira.
»Werde ich nicht«, knurrte ich, denn mir war klar, dass Mutter nur daran interessiert war, das Problem zu lösen. Vermutlich würde sie erst hinterher begreifen, dass sie mit ihrer Engstirnigkeit die Beziehung zu Maeve aufs Spiel setzte. Diese war nett genug uns zu helfen, doch ich hatte das seltsame Gefühl, dass Zahira Mirani nicht nur als Hilfe, sondern auch als Gefahr sah.
Bei ihrer Gabe durchaus eine Möglichkeit, doch was hatte Mutter zu verstecken, dass sie Mirani so offensichtlich mied?






























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