Mirani-Kapitel 35


~Mirani~
Ich spürte die Erschöpfung und dass meine Muskeln nicht mehr ganz so trainiert waren, wie früher.
Daher wäre ich lieber noch ein wenig mit Asher sitzen geblieben, doch ich spürte Zahira, bevor ich sie hörte.
»Hier seid ihr also«, sagte sie. Ihre Lippen waren verzogen, als sie uns musterte.
Sie musterte Asher und dann mich mit zusammengekniffenen Augen. Allerdings entschied sie sich dazu, nicht zu fragen.
»Mutter«, seufzte Asher, der sich langsam erhob. Er war ähnlich erschöpft wie ich. Daher hätte ich ihm gern mehr über die Alpha-Gabe erklärt, doch da wir nun nicht mehr allein waren, erhob ich mich ebenfalls langsam.
»Ich konnte endlich herausfinden, wo Beidou gewohnt hat. Ihr werdet euch sofort auf den Weg machen und herausfinden, wohin er mit seiner Karawane wollte und wo er verloren gegangen ist«, sagte sie, wobei sie Asher ansah und mich völlig ignorierte.
Asher verzog etwas den Mund, sah aber ansonsten recht entspannt aus. »Und wie sollen wir das herausfinden, wenn du so lange für die Adresse gebraucht hast?«, fragte er, wobei Zahira nicht einmal zuckte.
»Du hast doch diese Omega«, erwiderte Zahira mit einer abwinkenden Handbewegung.
Mich interessierte nicht, dass sie noch mehr auf mich herabsah als vorher, doch Asher ballte seine Hand zur Faust. »Sie ist diejenige, die uns hilft. Vergiss das nicht.«
Erneut machte Zahira eine wegwerfende Handbewegung, weshalb ich mich erhob und auf Asher zuging, um ihm eine Hand auf den Rücken zu legen. Ich fand es süß, dass er mich verteidigte, doch das musste er nicht. Zahira war mir egal. Ich wollte nur ein Problem für meinen Clan aus dem Weg räumen.
»Wir werden uns darum kümmern«, sagte ich, bevor die ganze Sache eskalieren konnte.
Asher hatte sich zwar in unserem Kampf abreagiert, doch das hieß nicht, dass ich ihm nicht zutraute, erneut einen Streit anzufangen.
»Sehr gut, hier ist die Adresse.« Zahira reichte Asher einen Zettel, drehte sich dann um und ging.
Ich verstand nicht ganz, was mit ihr los war. Fühlte sie sich schuldig, weil sie Asher nicht verteidigt hatte und konnte ihn nun nicht mehr ansehen, oder lag es an mir? Wollte sie nicht riskieren, dass ich sie berührte? Ich trug immerhin nicht einmal einen Mantel.
Meine Finger kribbelten. Nachdem ich Rashid geschlagen hatte, wartete ich noch immer auf die Bilder. War es wie bei Asher? Vielleicht lag es an der Familie. Aber wieso hatte es dann bei Nael funktioniert?
Ich wusste es nicht und spürte den Drang, Zahira zu berühren, um es zu prüfen. Aber noch hielt ich mich zurück.
Asher stieß die Luft aus und verdrehte die Augen. »Aktuell kommt sie immer nur mit Arbeit«, bemerkte er. Ich glaubte einen Moment Enttäuschung zu hören, doch da Asher mir sofort ein Lächeln schenkte, nahm ich es nicht so ernst. »Aber zumindest kommen wir doch noch zu unserem Spaziergang durch die Stadt. Es sollte auch bald kühler werden.«
Ich blickte in den Himmel. Die Sonne war langsam dabei, sich dem Horizont zuzuneigen. Wir sollten uns also ein wenig beeilen.
»Ist es schlimm, wenn wir in der Nacht unterwegs sind?«, fragte ich. Als wir durch die Wüste gereist waren, waren wir auch in der Nacht gereist, wenn auch nicht oft.
»Nein. Mit den Sternen ist es sogar leichter, sich zu orientieren und die Stadt ist ziemlich nachtaktiv«, erklärte Asher, der mir meinen Mantel reichte. Sobald wir den Schatten verließen, würde ich meine Haut wieder schützen müssen. Mein Fell reichte definitiv nicht aus.
Als wir uns wieder angezogen hatten, setzte sich Asher in Bewegung.
Es überraschte mich, wie anders Zer’Tahl aussah. Das Licht der Sonne erschuf lange Schatten und ließ die Häuser weicher wirken.
Die roten Stoffbahnen, die zwischen den Häusern gespannt waren, erschufen lange Streifen und hüllten ganze Straßen in Schatten.
Ein Gemisch aus Sand und Gewürzen lag in der Luft. Durchmischt mit süßem Rauch aus Duftschalen.
Die Stimmen klangen gedämpft und die Rufe der Händler waren leiser.
Die engen Gassen, eben noch glutheiß, kühlten spürbar ab. Das Pflaster unter meinen Füßen war noch warm, doch ich spürte bereits, dass sich in den Schatten die Kühle sammelte.
Zwischen den goldbestickten Schattensegeln hingen Lampions, die mir vorher gar nicht aufgefallen waren. Jetzt aber bildete ihr Licht Mosaike an den Wänden
Um mich nicht zu verlaufen, hielt ich mich dicht neben Asher. Dieser wusste, wohin wir mussten und führte uns stumm, aber selbstsicher durch die Straßen.
Ich bemerkte die Änderungen der Umgebung.
Die fein gepflegten Straßen wurden einfacher und auch dreckiger.
Ich ließ meinen Blick schweifen. In welchen Bereich der Stadt waren wir?
Männer und Frauen lauerten an Eingängen und beobachteten uns. Sie zeigten mehr Haut, als ich es gewohnt war, zudem waren ihre Blicke musternder.
Eine der Frauen löste sich aus einer Gruppe und trat auf uns zu. Ihre Bewegungen waren selbstsicher und elegant. Eine direkte Aura spürte ich jedoch nicht.
War sie vielleicht eine Omega?
Aber wie war das möglich? Obwohl ich nichts spüren konnte, hatte sie doch etwas, das meine Aufmerksamkeit einnahm.
Vielleicht waren es die auffälligen, freizügigen Kleider, die sie trug.
Der Schnitt ihres Kleides umspielte ihre breiten Hüften und großen Brüste sehr gut. Das feine Tuch, das sie über die Schultern gelegt hatte, war durchsichtig und sorgte nur dafür, dass sie noch verführerischer wurde.
»Asher«, sagte sie und sorgte so dafür, dass wir beide stehenblieben.
Asher drehte sich fragend um und musterte die Frau. Ich sah an seinem Gesicht keine Anzeichen darauf, dass er sie erkannte. »Es ist eine Weile her, dass du dich hier blicken lässt«, sagte sie mit schmeichelnder Stimme, trat an ihn heran und legte eine Hand auf seine Brust, als wäre das völlig natürlich.
»Khali«, stellte Asher schließlich fest, was dazu führte, dass ich überrascht die Augen aufriss.
Die Frau, die sich weiter an Asher schmiegte, lachte leise. »Warst du unterwegs?«, fragte sie und schmiegte sich noch näher an ihn. »Wir haben uns alle schon Sorgen gemacht.«
Warum war sie so vertraut mit ihm, obwohl Asher eher abweisend wirkte.
»Heute nicht«, sagte er knapp angebunden, was bei mir die Frage aufwarf, was er sonst in dieser Gegend und mit dieser Frau wollte.
Khali machte einen Schritt zurück und blickte überrascht zu ihm auf. »Heute nicht?«, fragte sie, als hätte sie damit nicht gerechnet.
Dann verschränkte sie die Arme und drückte ihre Brüste nach oben. »Das passt nicht zu dir. Ist etwas vorgefallen?«, fragte sie, wobei sie besorgt klang, doch ihre Geste hatte eher etwas Einladendes.
So etwas kannte ich von den Aethelhain-Inseln nicht, weshalb ich nicht verstand, was diese Frau für eine Beziehung zu Asher hatte. War sie vielleicht seine Freundin? Warum sonst war sie so einladend?
Asher machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe zu tun und bin nicht allein«, sagte er und deutete dann auf mich.
Khali richtete ihren Blick überrascht auf mich, als hätte sie mich bisher gar nicht wahrgenommen.
Ihr Blick wanderte musternd über mich und fast rechnete ich damit, dass ihr Blick ähnlich abwertend wurde, wie der von Ashers Familie. Doch ich sah etwas anderes in ihren Augen aufblitzen. »Sie ist eine exotische Schönheit«, stieß Khali hervor und löste ihre recht starre Haltung. »Zu welchem Haus gehörst du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.«
Bevor sie nach mir greifen konnte, schob sich Asher zwischen uns. »Sie ist ein Gast meiner Familie und gehört keinem Haus an«, erklärte er, wobei seine Stimme zwar angespannt, aber nicht so abweisend war, wie ich es bei Nael oder Rashid gehört hatte.
»Oh«, stieß Khali hervor und schob sich eine schwarze Strähne hinter ihr Ohr. Ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen. »Tut mir leid … Dann will ich euch nicht weiter aufhalten.«
Die junge Frau zog sich zurück zu ihren Freundinnen, mit denen sie sich kurz unterhielt.
Ich konnte sehen, wie sie neugierig ihre Köpfe hoben, doch da schob mich Asher schon wieder weiter.
»Was war das gerade eben?«, fragte ich, doch er gab nur einen grummelnden Laut von sich.
»Nichts Wichtiges«, gab er widerwillig von sich, was mich die Augen verengen ließ. Er war doch sonst nie so abweisend. Warum wollte er mir nicht sagen, wie er zu dieser Frau stand? Für eine Freundin war Ashers Reaktion zu distanziert gewesen, aber fremd waren sie sich definitiv auch nicht.































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