Mirani-Kapitel 42

~Mirani~
Ich verstand nicht, was los war, als Asher plötzlich aufsprang, doch als ich meine Sinne ebenfalls in die Dunkelheit richtete, streifte ein Geruch meine Nase.
Verrottetes Fleisch, verfaulter Atem, Tod.
Ich wusste sofort, zu wem dieser Geruch gehörte und sprang kampfbereit auf.
»Was machen die hier?«, knurrte ich und bleckte meine Zähne.
Das hier waren nicht die Aethelhain-Inseln. Mein Nebel war nicht hier, um sie zu schwächen. Wenn es wieder so viele waren, würde ich nicht gegen sie ankommen.
»Keine Ahnung, aber sie sind nicht allein«, erwiderte Asher. Seine Stimme war angespannt und noch immer stand er schützend vor mir, obwohl er doch wusste, dass es nicht nötig war. Ich konnte seine Sorge jedoch nicht so einfach abtun.
»Bleib hinter mir«, knurrte er und setzte eine Pfote nach vorn. Dann ging alles ganz schnell.
Aus den Schatten lösten sich verzerrte Körper, die sich springend und mit weit aufgerissenen Mäulern auf uns zu bewegten.
Hinter ihnen, versteckt in der Dunkelheit, ertönte eine Stimme.
Ich verstand die Worte nicht, die gesagt wurden, doch ich hatte das Gefühl, sie würden mir den Boden unter den Füßen wegziehen.
Ich spürte Angst in mir aufsteigen, die sich in Panik verwandelte.
Todesangst packte mich, obwohl ich noch nie etwas Ähnliches gehört hatte.
Ich nicht, aber jemanden, dessen Erinnerungen ich mir angesehen hatte.
Dieses Mal war ich jedoch nicht in diesen Erinnerungen gefangen. Es war real und geschah hier und jetzt.
Ashers kräftiger Körper schob sich in mein Sichtfeld und verdeckte die Rakshasas, die auf uns zustürmten.
Die glühenden Augen wurden zu einer einheitlichen Masse und meine Angst hielt mich im Griff. Asher stürmte vor. Direkt in die Welle hinein.
Ich hörte das Reißen von Haut, das Knacken von Knochen und das Brüllen der Wesen, die von Ashers Fangzähnen gnadenlos zerfetzt wurden.
Doch es waren so viele, dass Asher sie nicht alle von mir fernhalten konnte.
Meine Panik lähmte mich und machte mich zu einer Zielscheibe.
Kalter Schmerz schoss durch meine Beine, als sich faulige Zähne in mein Fleisch bohrten.
Wie Lava fuhr das Gift der Rakshasas durch mich hindurch und rüttelte mich wach. Ich konnte mich dieser irrationalen Angst nicht hingeben. Vielleicht hatte dieser Wolf Angst gehabt, die berechtigt gewesen war, doch ich war eine Alpha. Diese Rakshasa würden mich nicht so einfach überwältigen.




Ich fuhr herum, schnappte mir den Rakshasa, der sich in meiner Pfote verbissen hatte und griff ihn mit meinen Zähnen. Dann riss ich ihn von mir los und schleuderte ihn in sein Rudel.
Um uns herum herrschte Chaos.
Klauen, Fangzähne, zuckende Muskeln und der wahnsinnige Blick der Monster, die versuchten, uns zu Fall zu bringen.
Meine Krallen schlugen gegen sie, rissen sie von den Beinen und zerfetzten ihre Körper und doch wurden sie nicht weniger.
Während sie auf mich sprangen, ihre Zähne in mein Fell verbissen und ihr Blut spritzte, fragte ich mich, warum ich das Gefühl hatte, dieser Kampf würde sich von dem auf den Aethelhain-Inseln unterscheiden. Nur verstand ich nicht sofort warum.
Knurrend riss ich einem Rakshasa den Kopf ab, als hinter ihm einer auf mich zusprang. Er kletterte auf meinen Rücken, während andere sich an meine Beine hingen.
Ich versuchte, sie abzuschütteln, doch sie hielten mich fest und brachten mich ins Schwanken.
Was taten sie da? Es fühlte sich fast so an, als würden sie taktisch vorgehen. Fast planvoll.
Aber es waren Rakshasa. Sie waren tierische Monster ohne Verstand. Wann hatten sie sich so weit entwickelt, dass sie sich derart taktisch mit ihrer Beute beschäftigten?
Neben mir schrie Asher und riss mich aus meinen Gedanken.
Blut tropfte von einem Körper und vermischte sich mit schwarzem Speichel, während die Rakshasa sich auf ihn stürzten und förmlich unter sich begruben.
Doch es war Asher. Jede Verletzung machte ihn stärker und als ich ihm zu Hilfe eilen wollte, rappelte er sich auf und warf sie von sich.
Erleichterung durchflutete mich, als ich sah, wie er einen nach dem anderen von sich war. Seine Aura erfüllte die Umgebung und legte sich schützend auf mich, gab mir neuen Mut.
Angespornt davon, dass Asher auch mit einer solchen Situation klarkam, wandte ich mich wieder den Rakshasa zu, als eine tiefe, rauchige Stimme etwas rief. Es klang wie eine Mischung aus Worten und Geräuschen, die ich nicht ganz einordnen konnte. War es ein Mensch oder nicht?
Ich weitete meine Augen, als sich aus der Dunkelheit ein riesiges Wesen abhob.
Die Beine waren lang und der gepanzerte Körper definitiv der eines Wüstenskorpions. Nur war er nicht rot. Seine Farbe schien mit der Nacht zu verschwimmen und an einer Stelle sah er aus, als würde ihm die Panzerung sogar abfallen. Doch was meine Aufmerksamkeit fesselte war das Wesen auf dem Rücken des Skorpions.




Nicht ganz Mensch und nicht ganz Tier.
Die grünliche Haut war blass und schien von den Knochen zu fallen. Seine leeren Augen waren auf mich gerichtet und mir war so, als würde ich darin sogar einen Funken Intelligenz sehen.
Als es den Mund öffnete, tropfte schwarzer Speichel hinab, bevor es einen Schrei ausstieß.
Kein Brüllen wie bei Tieren. Fast wie Worte und doch nicht.
Es hob eine Hand mit langen, krallenartigen Nägeln, die begannen zu klackern. Ein Geräusch, das mir den Atem raubte.
Ich verlor mich in seinem Anblick und wurde in die Erinnerung Beidous gezogen.
Dieses Wesen! Ich hatte es schon einmal gesehen, doch was war es?
Als hätte der Schrei eine Bedeutung, zogen sich die Rakshasa schlagartig zurück.
Mein Herz setzte einen Moment aus, als mir klar wurde, dass dieses Etwas ihr Anführer sein musste.
Eine alte Erinnerung kam in mir auf. Eine Geschichte, die mir Vater einmal erzählt hatte. Von einer Legende, in der sich ein Rakshasa weiterentwickelt hatte. Zu einem fleischgewordenen Albtraum, den sogar die Monster fürchteten.
Ein Jiangshi. Das Monster unter den Monstern.

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