Mirani-Kapitel 52

~Mirani~
Ich zögerte, das Essen, das Zahira mir beachte, anzunehmen. Ihr Gehabe war so ganz anders als sonst und ich konnte es nicht einschätzen.
Ich glaubte nicht direkt, dass sie mir schaden wollte, denn ich hatte schon mitbekommen, dass sie uns geholfen hatte, doch ich vertraute ihr auch nicht.
Asher nahm das Essen entgegen, bevor er einen Bissen davon nahm. Als würde er es für mich prüfen wollen.
Zahira stand im Raum und wirkte, als würde sie am liebsten weglaufen und gleichzeitig versuchen hier zu bleiben.
Ich konnte nicht anders, als sie anzustarren. Das war ein reichlich seltsames Verhalten, was sie überraschend menschlich machte. Bisher hatte ich in ihrer Näher immer das Gefühl gehabt, sie versuche eine Mauer aufzubauen, niemanden an sich heran zu lassen und andere wegzuschieben.
Jetzt aber …
Das Klackern eines Gehstockes ertönte, was bei Zahira dazu führte, dass sie sich kerzengerade aufrichtete, lauschte und dann vor mir auf die Knie sank, bevor sie sich so tief verneigte, dass ihre Stirn den Boden berührte.
Eine Geste, die mich nicht nur überraschte, sondern auch völlig verwirrt zurückließ.
»Es tut mir leid, dass ich so zu dir gewesen bin. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, dass du uns bei dem Problem mit den Wölfen helfen kannst. Ich wollte dich benutzen, um einen Streit mit Maeve vom Zaun zu brechen, in der Hoffnung mit ihrer Hilfe Rhaem zu stürzen.«
Was?
Hatte ich das gerade richtig gehört?
»Wie bitte?«, knurrte Asher, dessen Aura so sehr anschwoll, dass Zahira begann zu Zittern.
Ich hingegen war zu perplex, um wirklich Emotionen zu spüren.
Ich musste erst einmal verstehen, was sie gesagt hatte.
Sie wollte mich nutzen um ihren Mann zu stürzen?
Mein Blick wanderte zu Asher, der seine Mutter noch immer anknurrte.
Was hatte ich bitte verpasst, während ich geschlafen hatte?
Asher ballte die Fäuste. »Was hast du noch für Geheimnisse?«, schnauzte er die an. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er bebte vor Wut und seine Aura schlug förmlich um sich. »Erst erzählst du mir, dass mein eigentlicher Vater zur Blutlinie des lten Alpha gehört und jetzt, dass du vor hattest Mirani zu nutzen, um mit ihr einen Krieg auszulösen, der Rhaem stürzen wollte«, knurrte er.




Seine Worte schockten mich.
Sein Vater gehörte zur Blutlinie der Ahnen?
Mir blieb der Atem weg und mein Herz klopfte heftig, als mir klar wurde, dass Asher damit Azhar meinte. Er war sein Vater und damit war Asher der rechtmäßige Herrscher der Dämmerwüste.
Und Zahira wollte Rhaem stürzen?
Warum hatte sie das nicht schon getan? Niemand war ihm so nah wie sie. Was hielt sie davon ab, ihm einfach ein Messer in den Rücken zu stechen und dann Asher auf den Thron zu setzen? Warum so kompliziert?
»Es tut mir leid, ich …«, setzte sie an, doch Asher gab ihr nicht die Zeit, mehr zu sagen. Er erhob sich, wobei er trotzdem aufpasste, mich nicht zu verletzen.
»War ich für dich jemals dein Sohn oder nur ein Mittel zum Zweck?«, warf er ihr vor, was selbst mein Herz einen Moment schmerzen ließ.
Asher hatte so viel erdulden müssen und jetzt verstand ich auch, warum. Rhaem musste es wissen. Aber warum hatte er Asher trotzdem in seinem Haus akzeptiert?
So viele Fragen, auf die ich vermutlich nie eine Antwort bekommen werde.
Vorsichtig legte ich Asher eine Hand auf die Brust und schmiegte mich dann beruhigend an ihn.
Seine Aura hüllte mich ein, doch nicht auf eine unangenehme Art. Fast so, als würde er mich trösten wollen, dabei versuchte ich das gerade bei ihm.
Die Tür öffnete sich und Azhar trat ein. Er brauchte nur einen kurzen Blick und begriff die Situation. »Bitte gib dir etwas Zeit darüber nachzudenken, bevor du sie verurteilst. Durch einen Blutschwur ist sie nicht in der Lage, sich gegen Rhaem zu wehren. Das war die Bedingung, dass er dich nicht den Rakshasa zum Fraß vorwarf.«
Dieses Mal war ich es, die von Wut gepackt wurde. »Wie kann er ein unschuldiges Baby bedrohen?«, knurrte ich. Die Vorstellung, dass Asher als Kind fast gestorben war, wühlte mich so sehr auf, dass mir fast die Luft wegblieb.
Asher legte mir sanft eine Hand auf den Rücken, als würde er dieses Mal mich beruhigen wollen.
Azhar stieß ein Lachen aus, das sein Gesicht erhellte. »Es wärmt mir das Herz zu sehen, dass du eine Seelenverwandte gefunden hast.«
Wie auch immer er es schaffte, doch diese Bemerkung ließ meine Wut verrauchen und trieb mir die Röte in die Wangen.
Peinlich berührt sah ich weg, nur um aus den Augenwinkeln zu sehen, dass es Asher auch so ging.




Ich konnte beobachten, wie Azhar Zahira aufhalf. Ihr standen Tränen in den Augen und sie mied Ashers Blick.
Die Beziehung der beiden war sehr innig, denn Zahira suchte Trost in einer Umarmung, wie ich es bei Asher getan hatte.
Sanft strich Azhar ihr die Tränen aus dem Gesicht, bevor er sie langsam hinaus geleitete. »Ich muss mit beiden sprechen. Würdest du dich bitte darum kümmern, dass die neuesten Informationen weitergegeben werden?«, hörte ich ihn fragen, auch wenn ich nicht sicher war, ob ich ihn richtig verstanden hatte.
Zahira antwortete, doch ich hörte sie nicht mehr. Stattdessen kehrte Azhar zurück und ließ sich erschöpft auf einem Stuhl nieder.
Asher fuhr sich durch die Haare. »Wieso glaubt sie, eine einfache Entschuldigung macht all die Jahre wieder gut?«, murmelte er frustriert zu sich selbst.
Ich verstand wie er sich fühlte. Die einzige Frau zu der er ausgesehen hatte, hatte ihn verraten. Ein Verrat, der sehr schwer lag.
»Ich bitte dich, auch ihre Situation zu bedenken. Sie hatte gegen Rhaems Kontrolle keine Chance«, bemerkte Azhar, der ähnlich niedergeschlagen wirkte wie Zahira.
»Wie kommt es dann, dass sie jetzt plötzlich so offen sprechen kann?«, fragte ich, weil ich ergründen wollte, wie weit Rhaems Kontrolle ging. Mussten wir Angst haben hinterrücks abgestochen zu werden?
»Alpha-Auren haben auch eine schützende Funktion«, erklärte Azhar mit einem Lächeln. »Solange ich in ihrer Nähe bin, hat Rhaem keinen Einfluss auf sie.«
Ich runzelte die Stirn. »Du meinst, solange deine Aura sie umhüllt?« War das ähnlich wie mein Nebel oder sogar ein Zusatz?
Azhar nickte, wobei seine Augen mich fixierten. »Bei euch ist es doch ähnlich, oder?«, fragte er, wobei ich nicht verstand, was er meinte.
Ich blickte zu Asher, der meinen Blick einen Moment erwiderte.
Er sah noch immer verwirrt aus, was ich ihm nicht übel nehmen konnte.
Schließlich stieß er ein Seufzen aus. »Wäre da nicht Mutter hätte ich keinen Grund dir zu vertrauen. Du warst nie Teil meines Lebens«, bemerkte er, wobei seine Stimme einen Ton hatte, den ich als Trauer identifizierte. Asher konnte sie sehr gut verstecken.
»Ich war so sehr Teil deines Lebens, wie ich es konnte. Ich habe keinen deiner Geburtstage vergessen«, bemerkte Azhar mit einem sanften Lächeln.




Er war ein überraschend zuvorkommender, emotionaler Mann. Damit erinnerte er mich sehr an Qadir. Er hatte meine Gefühle früher auch immer sehr gut deuten können. Musste wohl in der Familie liegen.
Asher schnaubte und öffnete dann den Mund, doch bevor er etwas sagte, hielt er inne und runzelte die Stirn.
Ich hatte das Gefühl, er würde sich an etwas erinnern.
Schweigen trat ein, als würde Azhar seinem Sohn Zeit geben wollen, darüber nachzudenken, seine Sorge anzusprechen.
Asher starrte jedoch nur gedankenverloren gegen die Wand und kraulte dabei meinen Nacken.
Schließlich räusperte sich Azhar. »Ihr habt die Angriffe der Rakshasa am eigenen Leib erfahren und sie zum Glück überlebt. Damit seid ihr die einzigen, die berichten können, was genau vorgefallen ist«, sagte er vorsichtig.
Es war eine deutliche Aufforderung zu berichten, doch so verpackt, dass wir ablehnen konnten, wenn es uns zu schwerfiel.
Allein der Gedanke daran ließ mich zittern, doch ich sammelte all meinen Mut, öffnete meinen Mund und berichtete von dem, was vorgefallen war.
Es wurde Zeit, dass die Dämmerwüste sich auf eine wildgewordene Horde Rakshasa einstellte, die von einem Jiangshi angeführt wurde.

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