Mirani-Kapitel 54

~Kaelen~
Leichtfüßig sprang ich über die moosbedeckten Felsen und schlüpfte durch die dichten Bäume, welche die Aethelhain-Inseln ausmachten.
Meine Sinne verschmolzen mit dem Nebel, der zu meiner zweiten Natur geworden war. Es fühlte sich an, als wäre Mirani immer bei mir, würde ihre Hand schützend über mich halten.
Jeder, der hier lebte, kannte dieses Gefühl, doch für mich war es intensiver und weit mehr.
Als aktuell amtierender Alpha hatte Mirani mir beigebracht, den Nebel zu lesen. Ich spürte Änderungen in der Umgebung zwar nicht so schnell und präzise wie sie, doch ich nahm dennoch die Präsenz eines Fremden auf der Insel wahr.
Es war wichtig, ihn lebend zu fangen, auch wenn es mir in den Fingern kribbelte, ihn auseinanderzunehmen. Wie konnte er es wagen, seine Nase in die Angelegenheiten meiner Schwester zu stecken? Das würde er büßen.
Ein Kribbeln ging durch den Nebel und warnte mich.
Ich bemerkte, dass der Nebel ungewöhnlich tief hing.
Er bedeckte den Boden fast wie ein Tuch und wabberte um meine Pfoten, die auf den Boden trommelten, während ich schneller wurde.
Ich war meinem Ziel sehr nah und würde es gleich erreichen, doch irgendwas fühlte sich komisch an.
Als ich von einem Baumstamm ab sprang, hatte ich plötzlich die Spur verloren.
Überrascht landete ich, weil ich nicht verstand, warum ich die Gefahr nicht mehr spüren konnte.
Und dann plötzlich: Licht, das durch die Baumkronen drang.
Ungewohnt, hell, blendend.
Nichts, was man auf den Aethelhain-Inseln sehen sollte.
Mein Herz begann zu rasen, bevor mein Kopf das Szenario verstand. Der Nebel war verschwunden und die Natur meiner Heimat lag strahlend und ungeschützt vor mir.
Panik erfüllte mich, als sich bereits neuer Nebel kriechend über den Boden bewegte.
Sofort drehte ich mich um.
Vergessen war der Spion oder sein Ziel. Nur ein Gedanke trieb mich an: Meiner Schwester musste etwas geschehen sein.
Noch während ich durch die Wälder sprintete, breitete sich neuer Nebel aus. Er war weniger dicht und vernebelte meine Sinne nicht so sehr wie Miranis. Ich erkannte ihn sofort als den von Mutter.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich auf das Anwesen zuhielt. Mit einem Sprung verwandelte ich mich zurück, um als Mensch durch die Tür zu stürmen und direkt in Mutters Raum.
»Mutter«, brachte ich keuchend hervor und blickte in besorgte Augen.
»Kaelen«, sagte sie, doch bevor sie mehr hervorbringen konnte, wurden wir unterbrochen.
Es war Thalen, der in den Raum kam und die Schultern straffte. »Die Armee der Aethelhain-Inseln steht bereit. Ein Befehl und wir fallen in die Dämmerwüste ein und holen Mirani zurück«, sagte er, was mich verwirrt zu meiner Mutter sehen ließ.
Hatte sie bereits alles vorbereitet? Wusste sie, dass es mein Wunsch war, Mirani zurückzuholen und war sie einverstanden damit?
Als ich jedoch Mutters fragenden Blick sah, wurde mir klar, dass dieser Befehl nicht von ihr ausgegangen war.
Gemeinsam sahen wir zu Thalen, der angespannt aussah. Als würde es ihm schwerfallen, stehenzubleiben und nicht sofort loszurennen. »Seitdem der Nebel schwächer geworden ist, sammeln sich die Krieger. Sie verstehen, dass etwas mit Mirani nicht stimmt und sie sind bereit, für sie in den Krieg zu ziehen.«
Mir traten Tränen in die Augen, denn die Verbundenheit unseres Clans war sehr stark.
Mutter straffte die Schultern. »Wenn sie sich bereits alle gesammelt haben, dann gibt es keinen Grund, euch aufzuhalten. Bitte seid vorsichtig und bringt Mirani zurück. Möglichst ohne einen Krieg vom Zaun zu brechen. Aber wenn es nötig ist …«, sagte Mutter mit fester Stimme.
Ich richtete mich auf, straffte die Schultern und blickte Mutter direkt an. Sie wusste sehr gut, dass ich selbst dieses Heer anführen würde. Niemand würde es je wieder wagen, die Aethelhain-Inseln derart herauszufordern. Ich hätte niemals zulassen sollen, dass Mirani überhaupt allein ging.


































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