Mirani-Kapitel 57

~Mirani~
Tief durchatmend kämpfte ich gegen die Angst in meinem Inneren an.
Die Vorstellung, dieses Wesen würde Asher in die Finger bekommen, jagte mir jedoch so viel mehr Panik ein, dass es mir gelang, mich schützend zwischen ihn und Asher zu stellen.
Dazu kam das beruhigende Pulsieren, das von dem Armband ausging.
Mir war fast so, als würde mir Qadir eine Hand auf die Schulter legen und versichern, dass wir das schon irgendwie schafften.
Qadir.
Manchmal vergaß ich selbst, wie alt ich eigentlich war und das viele andere Rudel gar nicht so alt wurden.
Die Vorstellung, ihn nie wieder zu sehen, ließ mein Herz schmerzen. Doch ich würde tun, was ich konnte, um seinen Sohn und Enkel zu retten.
Dass er mir dabei sogar noch half, kam mir gelegen.
Vorsichtig und testweise ließ ich meinen Nebel ins Armband fließen, behielt dabei aber den Jiangshi im Auge.
Mir war klar, dass er schon längst hätte angreifen können, doch er wartete. Lauerte.
Er war intelligent, das konnte ich nicht bestreiten. Seit unserem letzten Treffen hatte er sogar unsere Sprache erlernt.
Ich musste mich in Acht nehmen.
Das Armband reagierte auf meinen Versuch, was mich zugegebenermaßen sehr überraschte.
Qadir war wirklich ein Genie.
Zwei kleine Äxte schimmerten auf, bevor sie sich vom Armband lösten und zu zwei großen, handlichen Äxten wurden. So wie ich sie zum Kämpfen bevorzugte.
Als ich das Gewicht der beiden in meinen Händen spürte, überkam mich innere Ruhe.
Vielleicht hatte ich mein Training etwas vernachlässigt, doch ich hatte die erste Hälfte meines Lebens eine Ausbildung erhalten, wie kein anderer. Es war unwahrscheinlich, dass ich zu viel vergessen hatte.
Etwas, das mich sehr beruhigte.
Gerade in dem Moment, als könnte das Wesen meine innere Ruhe spüren, schoss es nach vorn.
Seine krallenartigen Finger schlugen auf mich ein und es gelang mir nur mit Mühe, sie mit meinen Ästen abzublocken.
Es klang, als würde das Metall von Schwertern aufeinanderprallen und ich wusste, wenn mich diese Klauen trafen, würde das tiefe Wunden hinterlassen.
Ich brauchte all meine Konzentration, um mit seiner Schnelligkeit mitzuhalten.
Immer wieder prallten unsere Angriffe aufeinander und ich spürte, wie er an Stärke zunahm.
Er spielte mit mir. Testete mich.
Obwohl die Wut darüber, dass er mich nicht ernst zu nehmen schien, in mir aufstieg, ließ ich sie doch nicht die Kontrolle über mich übernehmen.
Ich musste rational bleiben, wenn ich diesen Kampf gewinnen wollte.
Während ich immer weiter zurückwich, beobachtete ich seine Angriffsmuster.
Seine Bewegungen waren roh, aber schnell und kraftvoll. Sie zeigten seine noch immer instinktgesteuerte, wilde Art.
Die Luft flimmerte vor Macht und Hitze. Der Nebel kräuselte sich mit jedem Atemzug und sorgte dafür, dass ich immer genau wusste, wo sich das Wesen befand.
Seine Bewegungen waren unberechenbar und sein Blick klebte auf mir. Ich hatte das Gefühl, dass er sich von nichts ablenken ließ. Er musste nicht einmal blinzeln.
Sein Geruch nach Eisen und Schimmel wurde immer schlimmer. Er ließ mich innerlich zittern.
Wieso griff er mich nicht so an, wie das letzte Mal? Dieses Mal hatte ich nicht das Gefühl, dass er mir die Kraft aus den Knochen saugte.
Ich griff die beiden Äxte fester, die durch ihre Beschaffenheit im Licht der Fackeln schimmerten. Sie sahen fast aus wie Kristalle, doch ich wusste, dass sie wesentlich robuster waren. Sie hielten sogar die Angriffe aus.
Ein Zucken verriet ihn. Gab mir Zeit, mich zu wappnen und seinen Angriff mit meiner Axt abzufangen.
Erneut verstrickten wir uns in einen Tanz aus gefährlichen Angriffen, knappen Drehungen und Ausfallschritten, die feine, blutige Wunden hinterließen.
Nicht nur auf meiner Haut, sondern auch auf seiner.
Er war nicht unverwundbar, doch ihn zu treffen war so viel schwieriger als erwartet. Als würde er meine Bewegungen voraussehen und sich entsprechend wappnen können.
Ich wich zurück und versuchte, Distanz zwischen uns zu bringen, doch er holte fast sofort wieder auf, sodass wir erneut in einem schnellen Schlagabtausch gefangen waren.
Irgendwie bekam ich das Gefühl, dass er versuchte, mich müde zu machen, während ich darauf wartete, dass Asher und Azhar die Tunnel endlich verließen.
Es war nicht mein Ziel, ihn zu besiegen, doch mein Plan geriet ins Wanken. Wenn er weiter so machte, würde ich unterliegen, bevor alle die Tunnel verlassen hatten.
Eine Klaue streifte meinen Arm so tief, dass ich die Wärme des Blutes spüren konnte, das über meinen Arm lief.
Mir wurde plötzlich leicht schwindelig und meine Sicht verschwamm für einen Moment.
Es war anders als bei einem Rakshasa-Biss. Was auch immer es war, es wirkte schneller und mit einem Schlag, auf den ich mich nicht vorbereiten konnte.
Ein weiterer Angriff traf mich direkt in meinen Magen und schickte mich so hart zu Boden, dass mir der Atem aus den Lungen gepresst wurde.
Blut benetzte meine Lippen, doch es gelang mir, mich zur Seite zu rollen, als ein weiterer Schlag erfolgte. Er ging direkt neben mir in den Boden und ließ die Steine bröckeln.
Erneut überschlug sich eine Welle von Panik in mir, doch ich ließ mich davon nicht aufhalten.
Mit einer schnellen Bewegung sprang ich auf und ließ die Äxte wieder in das Armband verschwinden.
Mein Atem ging angestrengt und mein Herz schlug so heftig, dass es mir drohte, aus der Brust zu springen.
Noch immer war mein Blick verschwommen, doch ich spürte im Nebel, dass Asher endlich die Tunnel verlassen hatte.
Der Jiangshi klackerte mit seinen Krallen, als wäre er aufgeregt, als er sich auf mich zubewegte. Seine Augen fixierten mich, als wäre ich ein gefundenes Fressen.
»Ist der Kampf schon vorbei?«, fragte er mit einer Stimme, die etwas Quietschendes, Unangenehmes hatte. Sie ließ mich zucken. »Dieses Mal wirst du mir nicht entkommen.«
Ich tat so, als würde er mich in die Enge treiben und rutsche am Boden langsam zurück, während sich meine Haut spannte und meine Muskeln dehnten, um meinen Wolfkörper Platz zu machen.
Ein Knurren verließ meine Lefzen, während ich mich weiter zurückzog, ohne den Jiangshi aus den Augen zu lassen.
Jetzt war die Chance, die ich brauchte. Ich durfte sie nur nicht verspielen.
Ein Lachen verließ seine Kehle und ließ meine Ohren schmerzen. Es klang so schräg und hoch, dass es mich an das Kratzen von Fingernägeln an einer Fensterscheibe erinnerte.
Der Jiangshi, sichtbar selbstsicher, dass ich nicht mehr konnte, holte aus.
Im letzten Moment sprang ich zur Seite.
Seine Krallen schlugen in die Säule ein, die ein Stützpfeiler der Höhlen war.
Wir befanden uns nicht direkt in der Hauptsiedlung. Die Häuser hier waren nicht deckenhoch und stützten die Höhlen nicht.
Sein Angriff riss einen Teil des Pfeilers heraus, der gegen eine weitere krachte.
Erneut erklang sein Lachen, als wäre er froh darüber, dass ich mich noch immer bewegen konnte.
Ohne Hektik kam er erneut auf mich zu. Seine Augen fixierten mich wie ein Wolf das Kaninchen, das er gleich erlegen wollte.
Mein Blut schoss durch meinen Körper, während ich immer wieder zurückwich.
Hoffentlich hatte Azhar recht. Hoffentlich waren die Höhlen hier wirklich so einsturzgefährdet.
Ich wich nur knapp aus, auch wenn ich dabei immer wieder Verletzungen einsteckte. Der Jiangshi sollte glauben, dass ich dabei war, zu verlieren. Nur wurde ich wirklich immer müder. Ich musste mich also beeilen, bevor ich zu schwach war, um mich selbst in Sicherheit zu bringen.
Erneut ging sein Schlag gegen die Wand, doch dieses Mal bröckelte es von oben.
Ohne noch einmal darüber nachzudenken, drehte ich mich um. Mein Körper verschmolz mit dem Nebel und ich preschte los.
Meine Füße flogen über den Boden, während um mich herum das Knacken lauter wurde, bevor die ersten, riesigen Brocken von oben herabfielen und die Höhle um mich herum einstürzte.


































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