Mirani-Kapitel 59

~Kaelen~
Mit den Soldaten in meinem Rücken, bewegten wir uns wie eine Einheit über die sandigen Untergrund der Dämmerwüste.
Obwohl die Hitze auf uns niederprasselte und die Bedingungen nichts waren, was wir kannten, waren doch alle sehr motiviert und ließen sich nicht so leicht niederringen.
Die Dämmerwüste war eine harsche Umgebung, doch durch Mutters weise Voraussicht war unser Heer auch dafür ausgebildet. Sie hatten den Kampf in rauem Klima geübt. Ob es die Hitze einer Wüste oder die eisige Kälte einer Tundra war, war dabei irrelevant. Wir waren vorbereitet, auch wenn der Weg weit war.
Das Luftschiff der Aethelhain-Inseln war nicht sonderlich groß und erst recht nicht dazu gedacht, so viele Soldaten zu transportieren, weshalb wir ein normales Schiff für die Überfahrt gewählt hatten. Was nun dafür sorgte, dass wir eine weite Strecke zurücklegen mussten.
Mir war klar, dass wir damit vielleicht auffielen, doch das musste ich in Kauf nehmen.
Vielleicht hätte ich zuerst allein losziehen sollen, doch ich spürte deutlich in meinem Rücken, dass ich zumindest Thalen nicht hätte zurücklassen können.
Ob Mirani überhaupt bewusst war, wie sehr die Bewohner der Aethelhain-Inseln sie respektierten. Jedem Rudel, das auf den Inseln lebte, war klar, dass sie nur dank Miranis Nebel ein so ruhiges Leben hatten.
Eine leichte Brise kam mir entgegen, die mich sofort irritierte.
Als ich zum Horizont blickte, entdeckte ich feinen Nebel, der über den Boden kroch und mein Herz unaufhörlich schneller schlagen ließ.
War das Miranis Nebel? Warum sammelte er sich mitten in der Wüste?
Je näher wir kamen, desto dichter und stärker wurde der Nebel, den ich sehen konnte, bis mir klar wurde, dass sie die gesamte Stadt damit umhüllt hatte.
Das konnte doch nicht sein!
Ich wandte mich zu meinen Truppen, um ihnen den Befehl zu geben, schneller zu gehen, als sich ein Schatten über uns legte.
Sofort blieb ich stehen, genau wie das Heer. Unsere Blicke wanderten nach oben. Ich brauchte einen Moment, um das Luftschiff zu erkennen, das zu meiner Heimat gehörte.
Mutter? Warum schickte sie ein Schiff? Was war wichtig genug, damit sie sich einmischte?
Niemand außer ihr konnte dieses Schiff autorisiert haben, denn jeder, der etwas zu Sagen hatte, war bei mir.
Alle Rudelführer hatten sich dieser Mission angeschlossen, während ihre Partner zu Hause blieben, um die Ländereien zu verwalten.
Gab es vielleicht bei ihnen ein Problem?
Ich blickte nach oben und entdeckte einen Mann, der sich über die Reling schwang.
Mir blieb der Atem weg und ich machte ein paar Schritte zurück, als die große, kräftige Gestalt vor mir im Sand landete.
Er trug einen dicken Mantel mit Pelz und die Axt an seiner Hüfte ließ ihn kriegerisch erscheinen.
Sofort ging ich in Kampfposition, um mich zu verteidigen, dann sah er jedoch auf.
Augen wie kristallines Eis starrten mich an und der weiße Bart verdeckte das Lächeln, das ich sehr gut kannte.
Sofort entspannte ich mich, auch wenn Eiriks Hand auf seiner Axt lag. »Wenn ihr so in die Hauptstadt einmarschiert, wird das sicher als Drohung aufgefasst«, grüßte er, wobei seine raue Stimme einen leicht wartenden Ton hatte.
Seine Aura legte sich um mich, doch nicht in einer Art, die ich als Herausforderung sah, sondern eher so, als würde er meine Aufmerksamkeit wollen.
Hinter mir ging ein leises Flüstern durch die Reihen meiner Soldaten.
Sie unterhielten sich darüber, ob Eirik nun auf unserer Seite war oder gerade versuchte, die Dämmerwüste zu schützen.
Ich konnte auch nicht direkt sagen, weshalb er hier war. Allerdings war er allein, denn das Schiff drehte gerade wieder um. Da waren also keine Soldaten in der Hinterhand.
»Als wäre es nicht schon Drohung genug, dass Mirani offensichtlich die gesamte Stadt in Nebel gehüllt hat«, erwiderte ich.
Eirik machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn sie gerade gefangen gehalten wird, könnte eure Aktion dafür sorgen, dass man sie verletzt«, merkte er an.
Das wusste ich natürlich, doch was sollte ich sonst tun?
»Durch den Nebel wird uns niemand bemerken«, versicherte ich, auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, dass Mirani ihre Gabe bereits derart stark nutzen musste.
Die Stadt war zwar kaum größer als die Inseln, auf der wir unser Anwesen hatten, und sie konnte die kompletten Aethelhain-Inseln ohne Probleme bedecken, doch die Wüstentemperaturen machten es ihr sicher schwer.
Außerdem könnte es auch sein, dass sie bereits nicht mehr bei Bewusstsein war und in irgendwelchen Vergangenheiten gefangen war.
Eirik erwiderte meinen Blick mit Ruhe, schwieg jedoch.
Hatte Mutter ihn vielleicht gebeten, uns aufzuhalten? Warum sonst war er ohne Truppen da?
Oder wollte er die Gelegenheit nutzen, um die Dämmerwüste einzunehmen?
»Du könntest zuerst versuchen, Kontakt …«, setzte er an, brach aber ab und wirbelte herum.
In einer fließenden Bewegung zog er seine Axt und schwang sie durch die Luft.
Für einen Moment dachte ich, dass er uns nun doch angriff, doch die Klinge seiner Axt schnitt durch das Fleisch eines Wesens, das ich hier nicht erwartet hatte.
Der Rakshasa kreischte auf, als sein Arm abgetrennt wurde, doch der Schrei verklang, als auch sein Kopf daran glauben musste.
Mittlerweile waren die Ausläufer von Miranis Nebel so nah, dass er an meinen Füßen kitzelte. Außerdem erkannte ich Schatten, die sich in diesem tummelten.
»Rakshasa«, bemerkte Thalen nach Luft schnappend und trat zu mir. Seine Hand an die Glefe mit dem Sägekopf gelegt, die ihn ausmachte.
»Macht euch kampfbereit«, schrie ich, denn die Schatten näherten sich. Fast, als würde der Nebel sie zu uns lenken.
Was war in der Stadt vorgefallen, dass Mirani so weit ging, diese Wesen hinauszulenken, statt sie sich selbst vorzunehmen?
Erneut stürmte ein Wesen aus dem Nebel. Es hatte sein Maul weit aufgerissen und sprang etwas an, das gar nicht existierte.
Vermutlich eine von Miranis Illusionen.
Diese Gelegenheit nutzte ich, um mit meiner Glefe zuzuschlagen.
Anders als das von Eirik ging meine Klinge nicht einfach so durch die Haut und Knochen. Ich spürte den Widerstand und musste mit mehr Kraft nachlegen. Erst, als ich mich ganz auf den Angriff stützte und die Glefe zurück zu mir zog, gelang es mir, tief genug zu schneiden, damit der Rakshasa wirklich davon Notiz nahm.
Nur tötete ihn das nicht.
Mit einer Drehung holte ich erneut aus und schlug in die gleiche Wunde, um mich dem Knochen zu widmen.
Dieses Mal gelang es mir und ich trennte den Rakshasa einen Teil von seinem Beins ab.
Das Kreischen, das erklang, war ohrenbetäubend, doch gleichzeitig Musik in meinen Ohren. Es war ein gutes Zeichen, denn das hieß, dass dieses Wesen ernsthaft verletzt war.
»Immer drei auf einen!«, rief Thalen, der auch schon auf den Aethelhain-Inseln die Kämpfe gegen die Rakshasa koordinierte.
Dadurch, dass diese Wesen eine dauerhafte Bedrohung für uns waren und immer außerhalb des Nebels herumschlichen, waren meine Truppen im Kampf so gut geschult, dass selbst fünf oder sechs Rakshasa kein Problem darstellten.
Allerdings waren so viele im Nebel verborgen, dass ich mich fragte, wie das sein konnte. Hatte Mirani ein Nest von ihnen aufgespürt?





























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