Kapitel 3

Auch Alchemisten gelten als Schandfleck der Gesellschaft. Sie mögen zwar geduldet werden und doch stehen die Kirche und ein Teil des Adels nicht hinter ihnen. Gerade deshalb verlangt der Magisterturm von seinen Mitgliedern, wenig Aufsehen zu erregen. Die Kirche und der hohe Adel erschweren den Männern der Wissenschaft ihre Arbeit. Schikane, wohin das Auge reicht. Falsche Anschuldigungen haben schon vielen Alchemisten die Karriere und im schlimmsten Fall das Leben gekostet. Ihre Erfolge werden kaum anerkannt und oft mit Spott und Beleidigung kommentiert. Die Sorge der Leute, ins Visier zu gelangen, sobald sie sich an einen Alchemisten halten, schreckt die Kundschaft oft ab. Darunter leiden zu oft Clives Patienten, denn meist muss der Krankheitsverlauf zu fortgeschritten sein, damit die Not verzweifelte Maßnahmen erzwingt. Aber an kann die Medizin nur noch lindern, statt den Patienten zu retten.

 

In all den dunklen Zeiten wussten Alchemisten ihre eigenen Tricks anzuwenden. Geheime Botschaften, verschlüsselte Codewörter oder ein unauffälliger Handel in Schenken. Schnell, reibungslos, aber leider nicht informativ. Clive hasst es, seine Mittel ohne großes Kundengespräch auszuhändigen. Denn nicht immer kann er darauf vertrauen, dass die Einnahme ohne Komplikationen verläuft und ob seine Ware dem Krankheitsbild angepasst wurde. Auch bei Pflegeprodukten gibt es zu viel zu beachten. Allergien und andere Krankheitsgeschichten. Seine Ware kann ihn durch das fehlende Kundengespräch auch in Verruf bringen. Alles nur, weil Alchemisten im Schatten wandeln sollen.

 

Sein erster Hausbesuch verlief ohne Komplikationen. Ein Schmied erkannte Clive an seinem großen Koffer und seiner Leibgarde. Es kam zu einem Gespräch. Einer Bitte. Der Mann  hat wenig Interesse an der Politik des Landes. Für ihn kommt das Wohl seiner Frau an erster Stelle und es scheint ihn nicht zu interessieren, mit einem Alchemisten gesehen zu werden. Ein Glück. Denn seine Herzensdame mag sich erst kürzlich erkältet haben. Die Krankheit schränkt sie zwar ein, doch ihr Fieber  hält sich in Grenzen und  ihr Körper scheint stark genug sein, um gegen die Krankheit anzukämpfen. Voller Zuversicht und Dankbarkeit verlässt Clive das Ehepaar. Nur zu gern würde er länger an jenem Ort verweilen, um mit eigenen Augen verfolgen zu können, wie seine Patientin gesund und munter in den Alltag zurückkehrt. Nun vertraut er darauf, dass der Schmied sich an die Dosierung hält und die Ratschläge beherzigt.



 

Ein Blick zu seiner Rechten zeigt, dass Linus ihn bereits gefunden hat. Der Söldner schützt seine Augen vor dem grellen Sonnenlicht, indem er diese zugekniffen hat.

Linus kann es nicht belassen und beschwert sich mit einem amüsierten Gesichtsausdruck bei dem Alchemisten: „Deine Schritte sind zu laut, jeder Idiot würde dich hören. Solltest du als Alchemist nicht besser lernen dich wie eine Katze fortzubewegen? Ich bin gerade an ein paar Soldaten vorbeigelaufen, die wissen von dir.“

Bewusst entfernt sich Clive von dem Haus, bevor die Leute auf ihn aufmerksam werden. Um dem Schmied vor Ärger zu bewahren, begibt er sich zur Straße. Linus Gehör beweist sich erneut als einwandfrei. Der Söldner folgt ihm brav wie ein Hund durch die Straßen der Kleinstadt.

 

Die Neugier zum erteilten Auftrag  nimmt zu viel Platz in Clives Gedanken ein. Er mag schnellstmöglich mehr über die Entwicklung in Erfahrung bringen.

„Hast du herausgefunden, wonach…“

Er bricht jedoch ab, es nähern sich schwere Schritte und raschelnde Rüstungen. Linus stellt sich schützend vor ihm, während sich von überall Soldaten nähern. Als Linus sein prachtvolles Schwert hervorholt, ziehen die Soldaten ebenfalls ihre Waffen.

 

Die Luft wirkt geladen. Die Soldaten empfangen den Alchemisten mit einer bedrohlichen Stille und einer reservierten Haltung. Die Atmosphäre könnte nicht angespannter sein, Clive betrachtet jede noch so kleine Bewegung mit angehaltenem Atem. Zu schnell bemerkten Wachen seine Anwesenheit. Der Zeitpunkt hätte nicht ungünstiger sein können.  Damit erschweren sie sein Unterfangen ungemein.

„Du bist der Alchemist, von dem alle sprechen oder?“, meldet sich ein Mann aus den Reihen der Soldaten.

Seine kühlen Augen bohren sich in den Blick seines Gegenübers, als studiere er den Besucher. Seine Begrüßung lässt Clive erschaudern. Die Ausstrahlung, die der Mann an den Tag legt, wirkt bedrohlich und seine Worte klingen wie ein Verhör bei einem Verdächtigen. Ein Befehlshaber, wie Clive feststellen muss. Die ganzen Auszeichnungen und der feine, weinrote Stoff zwischen der Rüstung weisen sogar auf einen Paladin hin. Ein Idol unter den Soldaten und ein Mann, der sich durch seine Heldentaten bereits als fähiger Krieger bewiesen hat.



 

Zu Beginn solcher Konfrontationen bekam Clive kaum die Zähne auseinander, doch die Reise prüft ihn immer aufs Neue und beginnt ihn zu formen. Für sein Ziel lernte er, sich ein dickeres Fell anzulegen. Daher streckt Clive den Rücken gerad und hebt entschlossen den Kopf.

„Zu Euren Diensten. Wie kann ich den Herrschaften behilflich sein?“, tastet sich Clive langsam heran.

Ein Schnauben verrät Linus Missmut. Der Alchemist kann sich auch schon denken, was den Söldner stört. Schließlich forderte Linus ihn immer wieder auf, seine Identität als Alchemist zu verschweigen.

Aber wie könnte er das nur tun?

Er ist stolz darauf, ein Mann der Wissenschaft zu sein.

Auch Linus zeigt sich angespannt. Söldner haben ebenfalls einen schlechten Ruf. Sie werden als kalt, herzlos und profitschlagend bezeichnet. Zum Glück beißt sich Linus immer auf die Zunge und beschwert sich außerhalb ihrer Hörweite über Soldaten und Paladine. Ganz anders als seine Kameraden. Söldner und Soldaten krachen oft feindlich ineinander und dann artet der Streit aus.

 

„Gotteslästerer!“, hört Clive aus den Reihen der Soldaten.

Der Alchemist schenkt ihnen weniger Beachtung und beobachtet, wie sich der Paladin nähert. Welch eine Ironie. Erst vor wenigen Augenblicken kam das Thema zur Sprache und trotz schwerer Rüstung  bewegt sich der Paladin leise wie eine Katze. Jeder Schritt wirkt durchdacht und abgewogen. Bewundernswert. Clive versucht seit Anfang der Reise von Linus zu lernen, doch es wirkt vergebens. Tollpatschig und laut sind seine Bewegungen. Zum Üben bleibt ebenfalls wenig Zeit, denn seine Arbeit als Alchemist nimmt viel Zeit in Anspruch, dass auch die Gesundheit gern darunter leidet. Denn oft hydriert Clive oder Kopfschmerzen und ein grummelnder Magen erinnern ihn daran, zwischendurch zu speisen.

 

Das dunkle Haar des Paladins  verrät die viele Pflege. Es schimmert und wirkt seidig. Es schmeichelt seinen feinen Zügen. Wäre da nicht der eisige Blick, der für Strenge sorgt. Die jadegrünen und unergründlichen Augen des jungen Mannes taxieren Clive seit dem Aufeinandertreffen.

„Graf Bylom wünscht den Alchemisten umgehend zu sehen.“

„Und wieso?“, brummt Linus unfreundlich wie eh und je.



Clive lächelt erheitert, denn Linus zeigt sich nicht von seiner schönsten Seite. Er wirkt, als suche er den Ärger. Widersprüchlich zu dem vielen Tadel und Mahnungen aus seinem Mund.

„Dein Begleitschutz, Alchemist?“, fragt der Paladin spöttisch mit hochgezogener Augenbraue.

Er mustert Linus kritisch. Der Söldner fletscht bereits die Zähne, wie ein Hund, der eine Katze entdeckt hat.

 

Als Clive seine Hand auf Linus Schulter legt, blickt sein Wegbegleiter mit einem eisigen Blick auf. Einen Blick, der dem Alchemisten einen Schauer über den Rücken jagt.

„Hören wir uns doch an, was der Graf zu sagen hat“, schlägt er seinem Gefährten vor.

„Du willst in die Höhle des Löwen? Dann kann ich dir für nichts mehr garantieren“, versichert der Söldner ihm.

„Der Magiesterturm wäre über eine Prüflingsleiche sehr verärgert“, richtet Clive seine Worte gezielt an den Paladin.

„Ihr malt den Teufel an die Wand, Alchemist. Seid unbesorgt, wir sind nicht hier, um euer Leben zu beenden. Ihr werdet als Gast in das Anwesen des Grafen eintreten und nicht als Gefangener“, versichert der Paladin ihm.

 

„Wer´s glaubt!“

Linus spuckt ihm vor die Füße und umklammert den Griff seines Schwertes fester.

„Hüte deine Zunge, bevor sie dir jemand noch abschneidet“, droht der Paladin ihm.

Erleichtert atmet Clive auf, als sein Gefährte das Schwert zurücksteckt.

Der Alchemist beugt sich zu dem Ohr seines Begleiters und bringt die Frage so leise, wie er nur kann, über seine Lippen: „Wie viel Zeit bleibt uns?“

Linus nimmt verärgert Abstand und antwortet ihm: „Vor Einbruch der Nacht müssen wir zurück sein.“

 

Allein aus diesem Fetzen erkennt der Paladin: „Sieh an, ihr interessiert euch für das außergewöhnliche Hexenweib.“

„Ihr erkennt sie als Hexe an und erduldet ihre Anwesenheit?“, spricht die Skepsis aus Linus.

„Diese Angelegenheit wird noch ausführlich begutachtet. Ich rate euch dennoch, fern von dieser Kreatur zu bleiben“, spricht der Paladin mit einem wölfischen Lächeln.

Clive fällt es nur schwer, seine Wut hinunterzuschlucken und besser zu schweigen.

Wie kann sich der Paladin nur die Unverschämtheit nehmen und diese arme Frau als Kreatur bezeichnen?



 

„Das riecht nach Ärger! Ich hoffe, dass reicht aus, um dir die Sache aus dem Kopf zu schlagen“, wendet sich der Söldner genervt an Clive.

Es war zu erwarten, dass sich die Soldaten einmischen und über den Sklavenhandel und Hexen laut spotten. Doch steht sein Entschluss fest. Er möchte der Sklavin zur Hilfe eilen, dennoch wird die Sache komplizierter und hier steht viel auf dem Spiel. Wenn sie öffentlich hingerichtet wird und er an ihrer Entführung schuld ist, dann wird dies seine Karriere zerstören. Vielleicht lässt sich der Graf überzeugen.

 

Ein Räuspern und mit einer Frage reißt der Paladin ihn aus den Gedanken. „Würde der Alchemist und sein Begleiter mir zur Kutsche folgen?“

Mit Clives Nicken lassen nun auch die Soldaten die Waffen klirrend verschwinden, zögernd folgt der Alchemist dem Paladin durch die Gasse. Dabei eskortiert sie nur noch eine Gruppe von vier grimmig blickenden Soldaten. Auch Linus behält die Eskorte kritisch im Auge. Er blickt misstrauisch umher, als würde er bereits nach einem Attentäter suchen.

 

Hinter einem Torbogen kommt auch schon die prächtige Kutsche hervor. Die Vorhänge bestehen aus feinstem Samt und die vielen vergoldeten Verzierungen zeigen, dass es sich hier um den Besitz eines Adeligen handeln muss. Die Kutsche wurde vor einer Gabelung einer engen Gasse geparkt, dass kein Weg dran vorbei führt. Damit wirkt der Paladin noch verdächtiger. Hoffentlich erweist sich diese Einladung nicht als Falle.

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