Mirani-Kapitel 23


~Mirani~
Die beständige Hitze am Tag und die Kälte in der Nacht machten mir wirklich zu schaffen. Ich fühlte mich ständig müde und ausgelaugt. Besonders am Tag ließ ich meine Augen lieber geschlossen. Es war einfach zu hell und sie schmerzten.
»Wir nähern uns Zer’Thal«, flüsterte Asher mir ins Ohr, weshalb ich meine Augen aufschlug.
Die Sonne blendete mich und ich wandte meinen Blick zu Boden, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Dann hob ich meinen Kopf und sah mich um.
Überrascht bemerkte ich in der Ferne ein Gebilde aus Stein, das eine Art Torbogen bildete. Er musste riesig sein, damit ich es von meiner Position aus erkennen konnte.
Ich setzte mich aufrechter hin, um mehr zu erkennen, doch der Wind, der ständig Sand aufwirbelte, machte es mir nicht leicht.
»Zer’Thal liegt in einem fast ausgetrockneten Flussbett«, erklärte Asher, an dessen Brust ich bisher gelehnt hatte. »Dort ist es kühler, da die Stadt geschützter liegt und unser Anwesen wird dauerhaft gekühlt.«
Seine Worte ließen mich nur noch neugieriger werden, denn ich fragte mich, wie es möglich war, eine ganze Stadt in einem ausgetrockneten Flussbett zu bauen.
Als wir näher kamen, bemerkte ich, dass der Steinbogen den Eingang zur Stadt markierte. Dort ging es hinab in eine Art riesigen Riss im Boden. Der Sand hatte einen natürlichen Hang gebildet, der mit der Zeit wohl fest getrampelt worden war. Ein Zeichen, dass hier viele Karawanen unterwegs waren.
Links und rechts erstreckten sich hohe Wände aus orangefarbenem Sandstein und immer wieder rieselte Sand zu Boden. Allerdings war die Schlucht so breit, dass es nicht viel ausmachte.
Ich hatte plötzlich das Gefühl zwischen Felsen in den Grausteinketten zu stehen. Dort hatte ich etwas Ähnliches schon einmal gesehen, doch niemand war dumm genug gewesen, dort eine Stadt zu bauen.
Hier aber drängten sich Häuser dicht an dicht. Ihre Wände waren aus orangefarbenen Sandsteinziegeln und manchmal sogar verputzt. Allerdings nicht mit der weißen Fassade, wie ich sie in Tahr’Asif gesehen hatte.
Ein kühler Wind wehte mir durch die Haare und ließ mich leise ausatmen. Die hohen Wände der Schlucht schützten etwas und es gab definitiv mehr Schatten.
Zahira brachte uns direkt zu einer Station in der Nähe des Eingangs. Hier standen viele Kamele, die versorgt wurden.
»Ab hier gehen wir zu Fuß weiter«, erklärte Asher mir, als er sein Kamel zum Stehen brachte und abstieg.
Ich nickte und schwang mich ebenfalls hinab. Wenn es hier üblich war, nicht mit den Kamelen in der Stadt zu reiten, dann würde ich mich daran halten, auch wenn ich nicht unbedingt Lust hatte, zu laufen. Das viele Reiten hatte meine Muskeln sehr beansprucht und ich fühlte mich unsicher auf den Beinen. »Die Straßen in diesen Bereichen sind sehr belebt. Bleib also in meiner Nähe«, bat er, bevor er mir sogar einen Arm um die Hüfte legte und mich etwas an sich zog.
Ich spürte, wie mir die Hitze in meine Wangen stieg, wusste jedoch, dass er es nur tat, um mich zu schützen. Vermutlich war da nicht mehr. Ob er mich überhaupt mochte? Oder sah er mich vielleicht einfach nur als Arbeit?
Als wir die Karawanenstation verließen, empfingen uns die Anwohner sehr höflich. Sie grüßten Zahira und Asher, doch für mich hatten sie nur skeptische und fragende Blicke übrig.
Ich ignorierte sie, weil ich das schon aus der Hafenstadt gewohnt war. Dabei hatte ich meine silbernen Haare unter der Kapuze versteckt und trug einen Schleier. Es konnte also nicht an meinem exotischen Aussehen liegen. Vielleicht an meiner Aura?
Während ich versuchte zu ergründen, was die Bewohner von Zer’Thal dachten, besah ich mir auch den Aufbau der Stadt.
Wenn ich das richtig sah, waren hier besonders verarbeitende Gewerbe angesiedelt. Ich erkannte Frauen, die Tuche webten und Männer, die Kamelfelle gerbten. Außerdem roch ich etwas, das wie heißes Metall duftete. In der Ferne waren sogar die dumpfen Schläge von Hämmern zu hören.
Dann kamen wir in einen Bereich, in dem sich viele Stände sammelten. Überall lagen Waren, die angepriesen wurden. Zudem bemerkte ich, dass es etwas grüner wurde.
Die Palmen, die hier wuchsen, wechselten sich mit Dattelbäumen ab und schon bald durchquerten wir einen Bereich, in dem kleine Flüsse aus Wasser flossen.
Ich fragte mich, woher sie kamen und wohin sie flossen, konnte dem aber nicht nachgehen.
Hier in diesem Gebiet wurden Tiere gehalten und Nahrung angebaut. Es überraschte mich, dass es wohl so nah am Anwesen der Amqars lag, doch als wir den Bereich verließen und in eine Art Adelsviertel kamen, wurde mir klar, dass der Aufbau durchaus einen Zweck erfüllte. Hier war es fast schon angenehm kühl. Zumindest dann, wenn der Wind wehte.
Die Häuser standen weit auseinander und überall waren kleine Gärten angelegt.
Dann entdeckte ich einen großen Festungspalast. Er lag etwas höhergelegen, doch war genauso von Grün umgeben wie der Rest.
Um den Hügel herum, auf dem das Anwesen stand, war ein See, sodass wir eine Brücke überqueren mussten.
Kaum hatten wir die Brücke überquert, bemerkte ich eine Gruppe von Männern, die edel gekleidet waren und an der Treppe zum Haupteingang warteten.
Das Gebäude mit den kuppelförmigen Dächern interessierte mich zwar, doch da von zwei der Männern eine deutliche Alpha-Aura ausging, erhielten sie meine Aufmerksamkeit. Sie könnten potentielle Feinde sein.
Der ältere Mann war groß gewachsen. Sein weißer Bart war ein starker Kontrast zu seiner dunklen Bronzehaut. Zudem trug er ein goldenes Kopftuch. Ich erkannte sofort die Ähnlichkeit zu den Bildern, die ich durch den Ring gesehen hatte. Das musste Rhaem Amqar sein. Zahiras Mann und Ashers Vater. Nur ging von ihm nicht die stärkste Aura aus.
Sein Sohn, vielleicht ein Jahr älter als Asher, stand erhaben neben ihm. Seine Locken waren ein wenig heller als die von Asher und ließen eindeutig Zahira erkennen.
Die Züge waren kantig und angespannter als die seines Bruders.
Während Asher auf mich innerlich ein wenig verschmitzt gewirkt hatte, war der Mann hier eher ernst, ja verbissen. Als würden seine Lippen niemals lächeln.
Seine bernsteinfarbenen Augen waren Asher sehr ähnlich, besaßen jedoch keinerlei Funkeln.
»Zahira«, erklang Rhaems rauchige Stimme und er schenkte seiner Frau ein warmes Lächeln, bevor er auf diese zuging und sie in eine Umarmung zog. »Als ich von eurem Absturz hörte, war ich besorgt«, sagte er und blickte zu Asher. Dieser verspannte sich und straffte seine Schultern.
Sein Vater begrüßte ihn mit einem Nicken, das ich als sehr kalt empfand. Es war recht klar zu sehen, dass ihre Beziehung eher distanziert war.
»Es gab keine größeren Probleme und wir konnten recht normal weiterreisen«, erwiderte Zahira, als würde sie alles runterspielen wollen.
Der Absturz selbst war zwar kein Problem, doch hatte sie die Begegnung mit den Rakshasa vergessen oder wollte sie diese nicht öffentlich zugeben?
Vielleicht war Rhaem aber auch schon informiert.
Seine Bernsteinaugen richteten sich auf mich. Zusammen mit seiner Aura, die jeden Wolf unter einem Beta leicht aus dem Konzept gebracht hätte. Ein deutliches Zeichen, dass er hier der Herrscher war.
Ich löste mich von Asher und vollführte eine Verneigung, wie sie bei uns üblich war. Da ich jedoch nicht Teil seines Rudels war und als Gast hier, fiel sie wesentlich leichter und nicht ansatzweise so unterwürfig aus, wie sie von einem Omega erwartet wurde.
»Du musst Mirani Nebelweiss sein.« Rhaems Blick richtete sich auf mich, während er mich nachdenklich musterte. »Willkommen in der Dämmerwüste. Ich hoffe sehr, dass du uns bei unserem Problem helfen kannst.«
Seine Worte waren höflich, aber auch distanziert, was ich ihm nicht verübeln konnte. Er war eben der Herrscher dieses Gebietes.
»Wie soll eine Omega wie sie uns helfen?«, murmelte Ashers Bruder, der für mich nur einen skeptischen Blick übrig hatte.
Ich ignorierte es, weil ich einfach vorgeben konnte, es nicht gehört zu haben. Wenn er mich nicht mochte, dann war das so. Es störte mich nicht, solange er mich nicht bei meiner Aufgabe störte. Wenn die Wölfe wirklich so starben wie der letzte, könnte das auch zu einem Problem für meine Heimat werden und das wollte ich auf gar keinen Fall.
Als ich aufsah, bemerkte ich den Blick eines jungen Mannes. Der Beta unter ihnen. Auch ein Bruder von Asher? Er hatte dunkelblonde Locken und bernsteinfarbene Augen. Seine Gesichtszüge ähnelten Zahira, doch seine Aura war eher unbedeutend. »Willkommen in der Dämmerwüste«, sagte er und schenkte mir ein Lächeln, bevor er einen Schritt auf mich zumachte.
Sofort schob sich Asher vor mich. »Nael. Es wurde besprochen, dass sie nicht berührt werden darf«, sagte er mit ernster Stimme und fixierte ihn. Dabei lag seine eigene Hand schützend auf meiner Seite, als würde er mich jeden Moment wegschieben wollen.
Der Mann, den Asher Nael genannt hatte, rümpfte die Nase. »Du berührst sie doch auch«, erwiderte er, wobei seine Augen funkelten. »Was ist schon dabei, wenn ich sie begrüße?«
»Nein, Nael«, mischte sich nun auch Zahira ein, wofür ich dankbar war. Meine Gabe funktionierte vielleicht bei Asher nicht, doch es gab keine Bestätigung, dass das auch bei anderen so war. »Asher darf sie berühren, weil er für ihre Sicherheit verantwortlich ist. Du und dein Bruder werdet sie unter keinen Umständen anfassen. Ist das klar?«
Ich konnte erkennen, dass Nael den Kopf einzog, doch sein Blick war nicht so unterwürfig, wie ich erwartet hatte. Dabei nutzte Zahira sogar ihre Aura, um ihren Worten Gewicht zu verleihen. Sie legte sich auf meine Haut und kribbelte.
Unter so vielen Alphas würde ich mich vermutlich nicht lange zurückhalten können. Hoffentlich reichte meine Kontrolle bis die Aufgabe beendet war. Mit Asher hatte ich zumindest bisher kein derartiges Problem gehabt.
»Jawohl, Mutter«, erwiderte Nael, doch sein schielender Blick zu mir, ließ mir einen Schauer über den Rücken wandern. Irgendwas stimmte mit diesem Mann nicht. Ob ich Asher danach fragen sollte?
Dieser stieß die Luft aus. »Seht nur, was ihr angerichtet habt«, tadelte er. »Sie zittert.«
»Omega«, brummte Ashers älterer Bruder erneut, bevor er ein Lächeln aufsetzte. »Bitte verzeiht, junge Dame«, richtete er sich dann an mich. Ganz der Gentleman, wenn nicht seine abfällige Bemerkung gewesen wäre. »Mein Name ist Rashid Amqar, ich bin der älteste Sohn und nachfolgende Alpha. Es tut mir leid, dass unsere Auren dir so zusetzen.«
Ich wollte erwidern, dass es nicht an ihren Auren lag, sondern an Naels Blick, doch ich schwieg. Wenn er mir die Vorlage schon bot, würde ich darauf eingehen. Also versteckte ich mich etwas weiter hinter Asher, der mir als Schild gerade gelegen kam. Ich hoffte sehr, dass ich mit der Familie nicht zu viel zu tun haben würde.
Als ich nicht reagierte und ihn nur anstarrte, räusperte sich Rhaem schließlich. »Ihr müsst alle müde und erschöpft sein. Es war eine lange Reise. Asher, bring sie in das Gästezimmer, damit sie sich ausruhen kann«, wies er an, wobei seine Stimme nicht gerade wie ein Vater klang, der mit seinem Sohn sprach. Sondern ein Alpha, der seine Untergebenen befehligte.
Ich verstand also gut, warum Asher sich ein wenig versteifte. »Sehr wohl, Vater«, sagte er, wobei er das letzte Wort extra betonte, bevor er sich abwandte und mich sanft mit sich schob.
Es gefiel mir gar nicht, wie unterwürfig er war. Das passte nicht zu Asher, auch wenn Rhaem sein Vater war.
Vielleicht war es genau diese Tatsache, doch irgendwie mochte ich weder die Brüder, noch den Vater.
»Tut mir leid«, murmelte Asher irgendwann leise seufzend, als wir die Rampe hinaufschritten, die zu Tür führte. Ich hörte das leise Flüstern von Wasser und spürte den feinen Nebel, der durch dieses entstand.
Es fühlte sich gut an, doch kaum traten wir in die Empfangshalle, wurde die frische Luft von schweren Düften nach Rauch und Sandelholz ersetzt. »Muss es nicht«, erwiderte ich zögerlich. Es war nicht Ashers Schuld. Eigentlich war es sogar meine, aber ich wollte auch keine Diskussionen. Sollten sie mich doch für eine Omega halten und unterschätzen. Sie waren es, die meine Hilfe brauchten. Vermutlich dachten sie, dass es Maeves Entscheidung war, doch es war meine. Und ich würde nur für Asher bleiben. Er schien mir am vernünftigsten. Was angesicht seines Temperaments und meines ersten Eindrucks von ihm irgendwie traurig war.
Das diffuse Licht, das durch farbiges Glas in die Halle fiel, färbte den Raum in warme Goldtöne.
Protzig und repräsentativ, doch nicht gemütlich. Ich fühlte mich nicht sonderlich willkommen.
Der Boden aus schwarzem Obsidian, in dem ich mich spiegelte, schien mich mit meinem Aussehen zu verspotten. Meine Kleider waren einfach und voller Sand. Unpassend für einen Ort, wo selbst die Decke ein einziges Kunstwerk war.
Ich hatte das Gefühl, Asher würde mich durch ein Labyrinth führen. Oder ein Museum. Ich fand mich nicht zurecht und war überrascht, wo wir waren, als er schließlich an einer Tür stehen blieb.
»Das wird dein Zimmer für die nächste Zeit.«
Der Raum, in den er mich führte, war angenehm kühl. Sowohl in seiner Wärme als auch seiner Ausstattung.
Die dominanten Sandfarben wurden von blauen Akzenten unterbrochen und das Himmelbett lud zum Schlafen ein. Es bestand aus hellem Holz und hatte einen Stoffschleier, auf dem ich Runen erkannte, was mich überrascht die Luft einziehen ließ. Hatten sie diesen Schleier extra besorgt?
Es gab einfache Regale und einen niedrigen Tisch, um den Sitzkissen lagen. Wie zuhause.
Die Schminkkommode an der Seite unter dem Fenster würde ich nicht brauchen, doch sie war sehr schön.
Schlicht, aber praktisch. Genau das, was ich mochte. Hoffentlich waren sie mit Erinnerungen noch nicht überladen.
»Ich werde dich in zwei Stunden zum Abendessen abholen. Ruh dich in der Zeit aus«, bemerkte Asher, der in der Tür lehnte, als ich mich zu ihm umwandte. Sein Blick war fest auf mich gerichtet, als würde er auf eine bestimmte Reaktion warten.
»Danke, das mach ich. Wo kann ich mich waschen?«, wollte ich jedoch noch wissen. Der Sand kitzelte in meiner Kleidung und ich wollte ihn dringend los werden.
Asher deutete kommentarlos hinter sich auf die Tür gegenüber meinem Zimmer.
Erleichtert atmete ich auf. Vielleicht konnte ich noch ein Bad nehmen, bevor ich mich seiner Familie erneut stellen musste.

































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