Prolog
Der steinerne Torbogen der Arcadia Academy wirkte wie der Eingang zu einer anderen Realität. Miss Poppins – Elara, formal zugelassen als „Haushaltsmanagerin für Ordnung, Etikette und Zwischenfälle“ – stand auf dem Kiesweg und straffte die Schultern. Ihr neuer Auftrag war klar definiert: Chaos eindämmen, Prozesse etablieren, Ressourcen optimieren. Dass dabei Magie und pubertäres Drama involviert waren, stand in der Stellenbeschreibung zwar kleingedruckt, aber kaum zu übersehen.
Sie hielt ihren Regenschirm fest umklammert. Das gute Stück vibrierte leise, als wolle es schon jetzt seinen eigenen Kommentar abgeben. „Nicht jetzt“, murmelte sie, „wir halten uns an den Plan.“
„Sie müssen Elara Poppins sein.“ Die Stimme war warm und zugleich wachsam. Der Leiter der Academy, ein älterer Herr mit einem Bart, der aussah, als stamme er frisch aus dem Coaching-Handbuch, trat auf sie zu. „Ich bin Rektor Claudius Stone. Willkommen an der Schnittstelle zwischen Talentförderung und Improvisationsmanagement.“
Elara reichte ihm die Hand. „Danke für das freundliche Onboarding. Ich sehe, der Campus ist… dynamisch.“
In der Ferne explodierte eine Tür, begleitet von einem Kreischen und der goldenen Staubwolke, die nur bei missglückten Transformationen auftrat. Ein paar Schüler rannten lachend vorbei, gefolgt von einem Besen, der sich offensichtlich selbstständig gemacht hatte.
Stone lächelte milde. „Unsere Lernenden sind ehrgeizig, unsere Prozesse ausbaufähig. Deshalb sind Sie hier. Die Ausbildungsleitung hat großen Respekt vor Ihren Kompetenzen im Multitasking und Konfliktmanagement.“
Der Regenschirm zuckte, als er nickte. Elara trat über die Schwelle. Das Foyer war groß, von hohen Fenstern durchflutet. Schwebe-Kerzen hingen in der Luft, Aktenstapel bewegten sich selbstständig von einem Tisch zum anderen. An den Wänden manifestierten sich wechselnde Hinweisplakate: „Bitte keine Feuerzauber im Flur“ – „Konflikte lösen wir durch Gespräch, nicht durch Levitation“.
„Ihre erste Zuständigkeit wird der Nordflügel sein“, fuhr Stone fort. „Wir haben dort einen Kurs in Elementarmagie, der… ähm… eine hohe Abweichungstoleranz benötigt.“
„Und der Kollege, der den Unterricht leitet?“
„Professor Lucian Hart. Fachgebiet: Alte Sprachen. Magie ist ihm suspekt. Er wird Sie bei Ihrem Projekt begleiten.“
Elara hob eine Braue. Einen magie-skeptischen Lehrer in einer magischen Akademie? Interessant. „Verstanden. Ich schätze kooperative Stakeholder.“
Ein leises Kichern ertönte aus dem Jackett. Elara schlug das Revers zurück: Ein unsichtbares Wesen, kaum mehr als ein schimmernder Umriss, kuschelte sich in die Innentasche. „Und das wäre?“, fragte sie streng.
„Das ist ‘Vielleicht’. Unsere dislozierte Bibliothekskatze.“ Stone seufzte. „Sie hat beschlossen, Ihnen als Assistentin zur Seite zu stehen. Wir sind flexibel in der Ressourcenzuordnung.“
Bevor sie reagieren konnte, wurde die Eingangstür erneut aufgerissen. Ein hochgewachsener Mann mit dunklen Haaren und einem Stapel Bücher unter dem Arm stürmte herein. Seine Augen funkelten – weniger vor Freude als vor Frustration. „Rektor, jemand hat den Verwandlungsraum in einen Dschungel verwandelt. Und mein Büro riecht nach… Karamell.“
Elara und Lucian Hart musterten sich einen Moment lang. In seinen Augen blitzte Erstaunen auf – und Skepsis. „Sie sind also die neue Ordnungskraft“, sagte er trocken. „Miss Poppins“, erwiderte sie sachlich. „Meine Aufgabe ist es, die strukturellen Defizite zu beheben.“
Der Regenschirm schnippte mit seinem Griff. Elara ignorierte ihn und streckte dem Professor die Hand hin. „Ich schlage vor, wir setzen uns zusammen, definieren Erwartungen und priorisieren die Problembereiche.“
Lucian Hart hob eine Augenbraue, dann erwiderte er den Handschlag. „Wenn Sie es schaffen, dass meine Bücher nicht mehr in die Luft gehen, werde ich Ihnen eine Tasse Kaffee spendieren.“
„Deal“, sagte Elara, während im Hintergrund ein weiteres Fenster klirrend zu Bruch ging.
Der Rektor nickte zufrieden. „Dann auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Und Elara – willkommen im Sturm.“

































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